contrareal + disillusioned motherfuckers + kaos kabeljau @gängeviertel, hamburg, 18.06.2015Klar, wir hatten uns die letzten Wochen nicht unbedingt rar gemacht in Hamburg, aber wenn das Gängeviertel uns zum Soli-Gig (Flora-Baukosten/Prozesskosten) bittet, sagen wir nicht nein – zumal ich dort zwar bereits mit BOLANOW BRAWL gewesen war, aber noch nicht mit DMF die Bühne besudelt hatte. Leider konnte Mike alias Eisenkarl, unser zweiter Klampfer, nicht dabei sein, aber dann würde Kai halt wieder Krach für Zwei machen. Zuvor allerdings fand noch eine Buchpräsentation/-lesung mit anschließender Diskussionsrunde statt, Anlass war die Veröffentlichung des Schmökers „The City Is Ours! Squatting and Autonomous Movements in Europe from the 1970s to the Present”, das der niederländische Autor persönlich vorstellte. Als ich mich gegen Ende des Vortrags, kurz vor Beginn der Diskussionsrunde hereinschlich, waren alle Plätze besetzt (höhö), diese Veranstaltung stieß also schon mal auf Interesse. Natürlich fragten wir uns aber, wie gut besucht wohl das Konzert werden würde, immerhin war es ein von Regenschauern geplagter Donnerstagabend, der Beginn war spät angesetzt und sonderlich massiv beworben wurde es nun auch nicht. Zunächst einmal gab’s aber was zwischen die Kiemen, Falafel mit ultra-knoblauchhaltiger Paste, gefüllte Weinblätter etc. hielt das Buffet zu meiner Freude bereit. Frisch gestärkt wurden wir dann Zeugen, wie sich der Laden doch erfreulich füllte. Da auch Teile CONTRAREALs am nächsten Tag noch arbeiten mussten, entschied das Los, wer als letzter auf die Bühne musste und CONTRAREAL zogen sprichwörtlich den Kürzeren. Die seit einiger Zeit wieder aktiven, auf Trio-Größe geschrumpften KAOS KABELJAU eröffneten den musikalischen Teil des Abends mit deutschsprachigem HC-Punk und es war schön zu hören, dass die Drei offenbar immer tighter werden. Das hatte ordentlich Tempo und Wumms, den Gesang haben sie untereinander aufgeteilt und der Drummer verleiht mit seiner aggressiven, trotzdem abwechslungsreichen Spielweise den Songs den nötigen Kick, ohne an seinem Headset aus der Puste zu kommen. Klappte alles ziemlich gut und machte Laune, lediglich der letzte Song mit seinem Offbeat-unterlegten Refrain, ein anscheinend schlicht „Kaos Kabeljau“ betitelter Spaß-Song, geriet etwas außer Takt – was Band und Publikum mit Humor nahmen.

Dem Losglück sei Dank nun also wir. Soundcheck mit Wurzel, zu diesem Zwecke auch „Tales of Terror“ durchgezockt und damit erst mal verbraucht, dafür aber an späterer Stelle spontan wieder ins Set eingefügt – nee, wat sind wir Improvisationstalente! Aus Zeitgründen hatten wir „Victim of Socialisation“ und „Montag der 13.“ gestrichen, die übrigens Songs dürften ganz ok funktioniert haben. Sicher, ein, zwei ham’ auch schon mal mehr Arsch getreten und „IS-SS“ sitzt noch immer nicht 100%ig, aber zumindest gab’s weder Songabbrüche noch Textverhaspler… Dafür hat mein Mikro unter meiner Knoblauchfahne (die Falafel…) irgendwann den Dienst quittiert, so dass ich auf Stefs zurückgriff, daraufhin erst mal übertrieben laut war (offenbar nicht nur auf meinem Monitor) und es bestimmt lausig klang, wie ich versuchte, leiser zu brüllen. Als Stef am Schluss „Les Rebelles“ sang, bekam er’s aber wieder und ich nahm einen anderen Knochen zur Hand, um wie gewohnt ein paar französische Zeilen mitzugrölen, die ich mir einst in Lautschrift notierte und über deren Bedeutung ich nach wie vor nur rätseln kann. Wir kamen auf unsere Kosten, aber obwohl ich glaubte, diesmal ohne Handtuch auszukommen, hatte ich am Schluss doch wieder Schweiß inne Augen und war quasi blind (böse Zungen mögen behaupten, taub wäre besser gewesen, aber es kam ja noch eine weitere Band).

Nämlich CONTRAREAL, mit denen wir einst auf dem Elb-Tsunami-Open-Air gespielt hatten und die ich auch von ein paar Konzertbesuchen kannte. Die klangen quasi wie immer, was bedeutet: gut! Zwei Jungs und ein Mädel, die flotten, schnörkellosen Pogo-/HC-Punk mit deutschen Texten zocken. Kämpferische, betont und unmissverständlich antifaschistische, dabei mitunter parolenhafte Texte, zumeist (aber nicht nur) von der Drummerin gesungen (statt gegrölt), gehen einher mit bisweilen fast hymnischen Ohrwurm-Refrains, die zum Faustrecken und Mitsingen einladen. CANALTERROR wurden mittels „Staatsfeind“ gecovert, zwischen den Songs gab’s ein paar gehaltvolle Ansagen, die Hauptgesang/Schießbude-Doppelbelastung funktioniert anscheinend problemlos (was mich, egal bei welcher Band, ja immer ein bisschen erstaunt) und eigentlich war viel zu schnell schon wieder Schluss. Dass das auch besser so war, zeigte ein Blick auf die Uhr, abgebaut werden wollte schließlich auch noch, gleichzeitig galt es, sich noch mal für den einen oder anderen Absacker über’s Bandbier herzumachen und sich, zumindest in meinem Falle, am leckeren Störtebeker zu laben und mit nun gelockerter Zunge das eine oder andere Gespräch zu führen, bevor sich alle langsam wieder in verschiedene Himmelsrichtungen verstreuten. War wieder mal ein geiler Abend im Gängeviertel, wir wurden supernett umsorgt und mit beiden Bands ließ sich gut auskommen. Das Publikum indes ließ sich zwar während der Gigs nur etwas behäbig Emotionen entlocken, die Anwesenheit mitten in der Woche zu später Stunde und die persönlichen Reaktionen im Anschluss zeigten jedoch, dass das alles so verkehrt nicht gewesen sein kann. Hervorheben möchte ich den euphorisierten Snorre von PROJEKT PULVERTOASTMANN, viele Grüße an dieser Stelle! Ich hoffe, dass auch ein bisschen was an Spenden für den guten Zweck zusammenkam und unser Getränkekonsum nicht alle Einnahmen aufgezehrt hat. Danke ans Organisationsteam, Soundmann Wurzel und alle, die sich Donnerstag zu später Stunde aufgerafft haben!