ISBN: 3-8927779-01-6

Firmierte das erste TV-Jahrbuch „Spielfilme 89 – Die Höhepunkte des Fernseh-Jahres“ noch unter der Mutterzeitschrift „Cinema“, war es also ein Ableger jenes Kinomagazins und somit der Kino Verlag GmbH, vermarktete man den Nachfolger „Spielfilme 1990“ als Buchableger der „Video Plus“-Zeitschrift, einem damals neuen „Cinema“-Spin-Off für den Heimkinomarkt, und gab daher im Impressum die Video Zeitschriften Verlag GmbH an. Nachdem im August 1990 die legendäre und sich nach wie vor großer Beliebtheit erfreuende TV-Zeitschrift „TV Spielfilm“ ins Leben gerufen wurde, prangt nun deren Logo auf dem Buchrücken des TV-Jahrbuchs 1991, das Impressum weist die Verlagsgruppe Milchstraße aus. Die Anzahl der Senderlogos auf dem Titel hat sich um zwei auf insgesamt neun erweitert, denn die Kabel-/Satellit-Kanäle 3Sat und Eins Plus waren hinzugekommen. Statt Stallone druckte man ein gezeichnetes „Conan“-Motiv Arnold Schwarzeneggers aufs Cover des nun knapp 200 Seiten umfassenden Bands.

Sein Vorwort nutzt Chefredakteur Willy Loderhose, um die von den Privatsendern vorangetriebene Tendenz zum Senden rund um die Uhr (das damals noch nicht selbstverständlich war) und die damit gestiegene Nachfrage nach dadurch nach den Regeln des Markts immer teurer werdenden Sendelizenzen für Spielfilme zu skizzieren, was im Nachhinein die Zunahme von Werbeblöcken erklärt. Damit einher geht aber auch ein immer breiteres Spielfilm-Angebot im TV, was Loderhose zur Überschrift „Fernsehen = Heimkino“ veranlasste – zumal er am Ende auf den in den Startlöchern stehenden Pay-TV-Sender „Premiere“ verweist, damals für 39 DM monatlich abonnierbar. Auch aufgrund der dadurch zunehmenden Konkurrenz zeigt er sich dem Fernsehjahr 1991 gegenüber optimistisch. Das Inhaltsverzeichnis macht Werbung für die „TV Spielfilm“, bevor Thomas Müller-Siemens im Vorwort zum Spielfilmteil jedoch vor Masse statt Klasse warnt.

Dieser Abschnitt nimmt natürlich den Löwenanteil des Buchs ein und stellt Filme wie „Amadeus“, „Harry und Sally“, „The Untouchables“, „Angel Heart“ etc. inklusive schöner großer Bilder vor. Überraschend kritische Worte findet man zu den „Rambo“-Fortsetzungen, Tim Burtons „Batman“-Filmen, dem dritten „Indiana Jones“ und „Der Sizilianer“. Wenn im Artikel über „Der Prinz von Zamunda“ auf ein Interview mit Eddie Murphy verwiesen wird, das sich im Buch gar nicht findet, ahnt man: Bei den Filmvorstellungen und -rezensionen dürfte es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um unverändert aus verschiedenen „Cinema“-Ausgaben übernommene Texten handeln. Dass diese mitunter vom Buch-Layout stark abweichen, irritiert ebenso wie das mangelnde Lektorat, denn anscheinend wurden einige orthographische Klopse direkt mittransferiert. Die Infokästen zu den einzelnen Filmen sind mitunter unvollständig, teilweise fehlt gar das Erscheinungsjahr. Schlimmer ist aber das lange Zeit für die „Cinema“-Filmvorstellungen übliche Spoilern von Wendungen, Pointen und Enden.

Der „Filmhits des Jahres“-Abschnitt wird von der Vorstellung diverser sich bestimmten Schauspieler(inne)n, Figuren oder Regisseur(inn)en widmenden Filmreihen aufgelockert, wobei man mitunter kritische Worte zur Filmauswahl fand. Offenbar als weniger wichtig erachtete Spielfilme erhalten in den senderspezifisch eingestreuten „Kurz belichtet“-Rubriken lediglich Kurzvorstellungen, was leider auch für diverse Werkschauen gilt. Ein nicht unbeträchtlicher Anteil an Spielfilmen findet sogar nur noch in unsortierten Auflistungen ohne weitere Informationen statt, im Falle meine ehemaligen Lieblingssenders Tele5 betrifft dies leider den Großteil der Ausstrahlungen. Immerhin erfährt man so, dass Filme wie „Spasmo“, „Mit Django kam der Tod“ oder „Il Nero – Hass war sein Gebet“ dort offenbar liefen. Generell macht es Spaß, sich zu erinnern zu versuchen, was man damals selbst gesehen hat, und abzugleichen, was es als TV-Mitschnitt ins VHS-Privatarchiv gebracht hat. Weniger schön hingegen ist es, feststellen zu müssen, die eine oder andere in der deutschen Fassung überhaupt nicht mehr erhältliche, echte Rarität mitzuschneiden versäumt zu haben…

Im Vorwort zum Serienteil beschreibt Meriko Gehrmann die RTL-Produktion „Ein Schloss am Wörther See“ [sic!] als Novum, hatten die Privatsender bis dahin doch vornehmlich Serien eingekauft, statt sie selbst zu produzieren – der Erfolg schien RTL recht zu geben, denn wie wir wissen, folgten unzählige weitere Eigenproduktionen. Der Serienteil wird hier stattdessen noch bestimmt von „Twin Peaks“, „Allein gegen die Mafia“, „Alf“, „Miami Vice“ und „Peter Strohm“. Schön, dass auch weniger geläufige Serien, die seinerzeit auf Tele5 liefen, Berücksichtigung finden. Den aufkeimenden Wettkampf um immer gewinnträchtigere und spektakulärere Gameshows zwischen den Öffentlich-Rechtlichen und den Privaten handelt man auf einer Doppelseite im Serienteil ab, die im Inhaltsverzeichnis unterschlagen wird.

Der vom übrigens Inhalt losgelöste Erotikteil fällt mit nur vier Filmvorstellungen erneut ziemlich dünn aus und wird wie gewohnt ergänzt von einer Übersicht über andere Erotikformate – „Tutti Frutti“ & Co. waren immer noch Themen, waren sie doch Aufreger und Quotenbringer gleichermaßen. So greift Artur Jung sie auch in seinem Vorwort auf und kritisiert die Doppelmoral, mit der man ihnen gegenüberstand. Ein wunderbares Zeitdokument ist der von einem Vorwort Silke Kieneckers eingeleitete Abschnitt „Stars 1991“, der neben Peter Striebeck, Thekla Carola Wied, Peter Falk, Günther Jauch und Konsorten auch die durch die Wiedervereinigung ins gesamtdeutsche Fernsehen drängenden Stars der ehemaligen DDR porträtiert, angefangen bei Wolfgang Lippert über Carmen Nebel bis hin zu Gunther Emmerlich. Den Sonderstatus, den Programmansager Denès Törzs damals einnahm, unterstreicht seine Berücksichtigung in dieser Kategorie, war er doch bekannt für besonders eloquente und informative Filmeinführungen – gute alte Zeiten. Leider endet dieser Abschnitt eher peinlich, wenn im üppig bebilderten Text über das Hamburger „Die Schmidts“-Varieté aus Lilo Wanders „Frau Wandas“ wird, die „life“ statt live auftritt…

Der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik ist auch ein Thema des Sportteils, in dessen Vorwort Michael Schrödner große Hoffnung in die Athletinnen und Athleten des ehemaligen deutschen Realsozialismus setzt.  Ferner gehen aus seinen Zeilen die Bedeutung des deutschen Siegs der Herrenfußball-WM im Vorjahr und der anhaltenden Erfolge im Tennis durch Steffi Graf und Boris Becker hervor. Heute nur noch schwer vorstellbar: Damals hatten tatsächlich die Privatsender den Öffentlich-Rechtlichen zum wiederholten Male die Lizenzen für Spitzenfußball- und -Tennis-Berichterstattung weggeschnappt, weshalb sich ARD und ZDF auf weniger populäre Sportarten beschränken mussten. Schrödner verweist auf das kommende Pay-TV-Angebot Premieres, „jede Woche ein Bundesligaspiel live und in voller Länge“ auszustrahlen, woraus bekanntlich das Hauptverkaufsangebot des Senders erwuchs, dessen Nachfolger Sky heute etliche Privathaushalte und Gaststätten mit x parallelen Sport-Liveübertragungen sowie -Konferenzen versorgt. Eine Doppelseite beschreibt den aktuellen Stand der Schwergewichts-Weltmeisterschaft im Boxen und verweist in weiser Voraussicht auf den ehemaligen DDR-Champ Henry Maske, Wrestling heißt noch Catchen und wird ebenso wie andere Randsportarten in den Sportspartenkanälen Eurosport oder Sportkanal zu sehen sein, die somit nun auch Erwähnung finden – innerhalb eines Artikels, der den Siegeszug des Sport-Pay-TVs voraussagt. Auf einen kurzen Abschnitt zum Tennis folgt eine Übersicht über die wichtigsten Sportereignisse 1991, wobei die Spalte „TV“ in vielen Fällen frei blieb: Offenbar waren die Übertragungsrechte noch nicht geklärt.

Den damaligen Stand der Fernsehlandschaft in der Rezeption fasst der für ein solches Buch relativ detaillierte Statistikteil zusammen, in dem erwartungsgemäß die Fußball-WM-Spiele mit deutscher Beteiligung die Einschaltquoten-Ranglisten dominieren, ansonsten aber erstmals die Privaten – im sechsten Jahr ihres Bestehens – die Öffentlich-Rechtlichen überholt haben. Somit wird der temporäre Siegeszug des Privatfernsehens dokumentiert, während zugleich Michael Lohmann in seinem Vorwort den Wettbewerb zwischen beiden Formen begrüßt. Wie gehabt runden ein Inhaltsverzeichnis, ein Index  und ein ausführliches Adressverzeichnis auch diesen Band ab, der sich gut eignet, die damalige TV-Landschaft ausgehend vom Fokus aufs Spielfilmangebot nachzuvollziehen, aber auch an seine Grenzen hinsichtlich der schieren Fülle gerät – und nicht zuletzt ob seiner Fehler etwas mit heißer Nadel gestrickt wirkt.