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30.01.2016, Monkeys Music Club, Hamburg: EL FISCH & OLDRIK + THE PUKES

fisch, el & oldrik + the pukes @monkeys music club, hamburg, 20160130

Fisch, Sänger der legendären LOKALMATADORE, spielt schon länger gern mal Solo-Shows unter dem Banner EL FISCH, und zwar als Alleinunterhalter mit Akustikklampfe. Als erklärter Freund des Ruhrpott-Asi-Humors nahm ich selbstverständlich die Gelegenheit wahr, erstmals einem solchen Spektakel beizuwohnen, als der Gute sich Ende Januar ins Monkeys verirrte. Ich wusste nicht genau, was mich erwartet und so hatte er den Überraschungseffekt mehrmals auf seiner Seite – z.B. dadurch, dass er mit einem Herrn namens Oldrik jemanden an seiner Seite hatte. Doch dazu später mehr, denn nicht minder überraschend hatten sich erfreulicherweise die Briten THE PUKES kurzfristig als Vorband dazugesellt: Fünf Damen und eine männliche Rhythmussektion reiferen Alters covern sich mit fünf E-Ukulelen (!) beherzt durch diverse Punkrock-Klassiker, angefangen bei „Sheena is a Punk Rocker“ über VIBRATORs „Baby, Baby“ und MISFITS‘ „Where Eagles Dare“ bis hin zu „Holiday in Cambodia“ und „Because You’re Young“. Dazu ein EXPLOITED-Medley (!) bestehend aus „Sex & Violence“, „Dead Cities“ und „Alternative“, GLC von MENACE und als Zugaben das Mörder-Triple „Banned From The Pubs“, „White Riot“ und „Ca Plane Pour Moi“ – ein großes Rundum-Sorglos-Paket also, vorgetragen von verschiedenen Sängerinnen, die’s allesamt draufhatten und innerhalb dessen selbst die Cover-Standards unter der Songauswahl dank der außergewöhnlichen Instrumentierung neuen Reiz entwickelten. Der eine oder andere eigene Song war anscheinend auch dazwischen oder aber ich kannte in Ausnahmefällen schlicht das Original nicht. Ihre Belohnung jedenfalls waren ein ordentlicher Pogo-Mob vor der Bühne und fröhliche Gesichter allenthalben!

Nach der Pause dann Kontrastprogramm: Sieben Personen hatten die Bühne verlassen, lediglich eine erklomm sie – EL FISCH mit Cowboy-Hut, Fransenhemd und Gitarre, direkt mal „König Alkohol“ schmetternd, womit er bei mir natürlich offene Türen einrannte. „Safety Pin Stuck in My Heart“ vom ollen FITZGERALD kam dann ebenso unverhofft wie ein KINKS-Cover, aus „Griechischer Wein“ „Botropper Bier“ zu machen entsprach wiederum dem guten alten Pott-Alki-Humor. Dass dann doch so viele „Hasse nich gesehn“ von seiner unter ESTNISCHE BAUERN AUS DER HÖLLE veröffentlichten 1997er-EP kannten und lauthals mitsangen, überraschte wiederum den Maestro und spätestens bei „Ich bin dumm“, jener auf ewig unkaputtbaren LOKALMATADORE-Hymne, war der Drops gelutscht. Hätte das Konzert hier bereits geendet, ich wäre wahrscheinlich trotzdem glücklich gewesen. Was sollte da noch groß kommen?

So einiges, nämlich zunächst einmal jener Oldrik, der sich ans reduzierte Standtrommel-Kit gesellte, den Kontrabass zupfte, den Schellenkranz schüttelte oder selbst zur Klampfe griff und gern auch mal den Gesang übernahm. Nach dem ersten gemeinsamen Stück allerdings riss Fisch erst mal eine Gitarrensaite, die freundlicherweise jemand aus dem Publikum wechselte, während der Fischmensch auf der Mandoline (!) weiterspielte. Die ganze Sause ging wahnsinnigerweise insgesamt über zwei Stunden und im weiteren Verlauf trafen „London Calling“ auf eine eingedeutschte ELVIS-Nummer („Blue Moon of Kentucky“), „Dirty Old Town“ auf NEW ORDERs „True Faith“, woraus man kurzerhand ein Medley mit weiteren ‘80er-New-Wave/Pop-Hits zimmerte und TV SMITH‘ „Expensive Being Poor“, das ich kurz zuvor erst im Original in der Fabrik gehört hatte, mit einem äußerst gelungenen übersetzten Text. Auf zahlreichen Wunsch (u.a. von mir…) hin spielte man offenbar von der Setlist abweichend noch die Schlagerperle „Barbara“, die erst in der LOKALMATADORE-Interpretation zu wahrem Ruhm gelangt war, flankiert von weiteren Folk-, Country- und Rock’n’Roll-Klassikern. Das unberechenbare und höchst abwechslungsreiche Programm fand DEN Höhepunkt des Abends schließlich in „El Lokalmatador“, bei dem sich zahlreiche Menschen vor Freude jauchzend und beinahe zu Tränen gerührt in den Armen lagen und mit kräftiger Stimme die Wände des Clubs zum Erzittern brachten. Mit der gebotenen Stilvielfalt einher gingen aber auch viele Stimmungswechsel, wenn z.B. auf eine launige LOKALAMATADORE-Kultnummer ein nachdenkliches Folk-Stück folgte. Ich nenne es aber ein Wechselbad der positiven Gefühle, mit dem Fisch und sein Kompagnon ihren breiten musikalischen Horizont eindrucksvoll unter Beweis stellten und einmal mehr all jene Lügen straften, die Fisch auf die Sauf- und Fick-Texte seiner Haupttexte zu reduzieren versuchen und wahrscheinlich noch immer nicht den Pottkultur-satirischen, satten selbstironischen Tonfall kapiert haben. Es war eine grandiose musikalische Reise durch diverse Dekaden und Stilrichtungen von zwei begnadeten Entertainern, die beim einen oder anderen im Publikum jedoch die Aufmerksamkeitsspanne zu überfordern drohte, während andere diese willkommene Abwechslung zum üblichen musikalischen Wochenendvertreib bis zum letzten Akkord genossen.

Kategorien: Konzertberichte

12.02.2016, Menschenzoo, Hamburg: FRIEDEMANN » « 22.01.2016, Fabrik, Hamburg: U.K. SUBS + TV SMITH

1 Kommentar

  1. Mein lieber Mann!
    Fisch und ich haben Deinen Bericht gelesen und sind erleichtert und diebisch erfreut, dass das tatsächlich sehr stimmungswechselreiche Programm auch der schreibenden Zunft gefallen hat! Danke für die aufmunternden Worte, und hoffentlich schaffen wir’s noch einmal wieder in den hohen Norden. Als nächstes sind wir allerdings erstmal hier vor Ort zu hören:
    16.9. Rathsstuben Mülheim
    1.10. Narrenstube Oberhausen (ja, Stuben haben wir hier viele!)
    Glückauf,
    Oldrik

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