Ich hab‘ noch einen Koffer in Berlin
Im Hammerbrooker Club „Südpol“, so ließ ich mir sagen, finden normalerweise Techno-Partys statt. Nun etablierte eine findige Gruppe dort unter dem Namen „Punk am Pol“ auch eine Punk-und-Artverwandtes-Konzertreihe, die erst kürzlich debütierte, jedoch leider ohne mich. Dort soll schon ganz gut was losgewesen sein; was im Rahmen der zweiten Auflage an diesem Samstagabend abging, übertraf jedoch alle Erwartungen. Schon zum Zeitpunkt meines Eintreffens war der mittelgroße Club im Gewerbegebiet unweit der S-Bahn-Station ordentlich gefüllt, während der ersten Band AUS DEM RASTER aber wurd’s richtig rappelvoll. Als ich vor einiger Zeit gehört hatte, dass die Gitarrenfraktion die Norderstedter verlassen hat, fürchtete ich, dass es das schon wieder gewesen sein könnte. Umso erfreulicher, dass man sich offenbar flugs neu aufstellen konnte. Mit zwei Gitarristen, ‘nem Shouter und ‘ner Sängerin tummelt man sich nun wieder zu sechst auf der Bühne und ballert HC-punkige deutschsprachige Songs mit kritischen, teils sarkastischen Texten raus. Größtes Wiedererkennungsmerkmal dürfte der männlich-weibliche Wechselgesang sein, zumal die Sängerin häufig eine schöne melodische Note einbringt. Die professionelle Bühne bot genug Platz für alle Bandmitglieder, der P.A.-Sound war makellos und der Gitarrist auf der rechten (von mir aus gesehen linken) Bühnenseite derart gut aufgelegt und mitteilungsfreudig, dass er beim nächsten Mal ein eigenes Mikro bekommen sollte. Ohne Zugabe ließ man das Sixpack nicht gehen. Gelungener Einstieg, der Bock gemacht hat – und dazu führte, dass alle drei Flaschenbiersorten ungefähr zur Hälfte des Sets ausverkauft waren und es „nur“ noch Gezapftes vom Fass gab, das in zwei Sorten angeboten wurde. Wann erlebt man so was schon? Der Biervorrat wurde übrigens nach einiger Zeit wieder aufgefüllt; ob dafür jemand zur Tanke musste, entzieht sich meiner Kenntnis.
Eigentlich hätten nun OI!RONIE spielen sollen, die jedoch kurzfristig hatten absagen müssen. In den mir bis dahin unbekannten KOFFER aus Berlin hatte man glücklicherweise Ersatz gefunden. Das Trio scheint tief in den ‘80ern verwurzelt und zockt ‘nen etwas monotonen, minimalistischen Sound mit halbverzerrter und mit ordentlich Hall versehener Klampfe, dazu ein hochhängender, melodischerer Bass und deutsche Texte, im Ergebnis bischn wavig, das. Das hatte was, zumal sich die Band im Laufe ihres Sets steigerte, mal schneller, mal atmosphärischer wurde. Die Zugabe wurde im ersten Ansatz vergurkt, daher wiederholt und erwies sich als schön flotte Schrammelnummer. Das Publikum war längst in Wallung gekommen und hatte einen bewegungsfreudigen Pit vor der Bühne gebildet.
Noch lange nicht durch ist für mich der Witz der BRUTALEn GRUPPE 5000, handelt es sich doch vielmehr um die nicht nur adäquate, sondern auch tanzbare Antwort auf all die paranoiden, dabei geistig leider meist reichlich eingeschränkten Verschwörungstheorie-Aluhutträger, die, seit sie sich dann doch mal an dieses Internet herangetraut haben, für Kopfschütteln und Erheiterung gleichermaßen sorgen. Doch die Hamburger Laser-Punks haben mehr zu bieten, als sich Alufolie um die Rüben zu wickeln und Antigesichtserkennungsbrillen zu tragen, nämlich betont wahnsinnigen HC-Punk mit Mini-Orgel als zusätzlichem Instrument, manch Textinhalt, der über Parodien auf die Doofenfraktion hinausgeht und herrlich wirre Ansagen. Ach ja, das „Nervous Breakdown“-Cover mit deutschem Text nicht zu vergessen. Das hab‘ ich aber ja alles schon mal so oder so ähnlich zu Protokoll gegeben. Neu war vor allem, dass echt die Luft brannte und sich im mittlerweile heillosen Gedrängel Stagediving und Crowdsurfing die Klinke in die Hand gaben. Grandioser Auftritt, grandioses Publikum, perfektes Entertainment aus der Welt von übermorgen!
Dieses Level konnten FRONT aus dem Rhein-Main-Gebiet leider nicht halten. Teilweise die alte Alufolie der BG5k auftragend, teilweise mit eigenen Masken versuchte man sich nach einer elendig langen Umbaupause (während der sich die Reihen deutlich lichteten) an Uralt-NDW-Punk (scheint sich sogar nach ‘ner ollen Kapelle aus jener Zeit benannt zu haben…?). Dadurch klangen sie wie alte ABWÄRTS in irgendwie nicht so gut, auf mich wirkte das alles bischn einschläfernd. Also betrank ich mich schlimm und versuchte, paar wenige Notizen anzufertigen. Wenn ich diese richtig interpretiere, folgte auf den nominell letzten Song ein Zugabenblock, für den der Bass plötzlich hochgedreht wurde, in den sich eine dann doch noch ganz gute Punknummer eingeschlichen hatte und der von einem arg miesen „Computerstaat“-Cover besiegelt wurde. Nee, mit FRONT wurde ich nicht warm. Nichtsdestotrotz war ich völlig euphorisiert vom zweiten „Punk im Pol“ und bin’s immer noch – da geht einiges, weiter so und hoffentlich bis bald!
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