Bisher waren IRON MAIDEN mit ihrem aktuellen Album „The Book Of Souls“ hierzulande lediglich auf Festival-Tour gewesen, wobei ich leider passen musste. Die Fortsetzung der Tour führte die britische Heavy-Metal-Legende jedoch auch durch Deutschlands Hallen und der letzte zu beackernde Fleck auf der Karte wurde Hamburg. Seit ‘ner gefühlten Ewigkeit hatte ich bereits die Karten und am Dienstag konnte ich endlich den Weg zur Halle mit den ständig wechselnden Sponsorennamen antreten. Schnell noch zwei Bierchen am Kiosk geholt und mit dem Shuttle-Bus bis vor die Tür chauffieren lassen, ausgeschluckt und mal gucken bzw. hören, was SHINEDOWN so fabrizieren. Die MAIDEN-Vorbands hatte ich bisher i.d.R. mit Ignoranz gestraft und auch diesmal hat sich das frühe Betreten der Halle in erster Linie dafür gelohnt, sich zu vergegenwärtigen, was man an MAIDEN hat: Die US-Amerikaner SHINEDOWN zockten einen bemühten, bei unserer Ankunft recht lahmen Hardrock modernerer Prägung. Sie zogen zwar noch etwas an und entdeckten das Midtempo, aber außer vielen Versuchen, das Publikum zu animieren und einem Durchmarsch des Sängers bis zum Mischpult und zurück auf die Bühne blieb nichts hängen. Nach viel mehr als Höflichkeitsapplaus klangen die Reaktionen dann auch nicht, manch einer machte aber dennoch schon die Pommesgabel.
Diverse Pinkelpausen später ertönte schließlich das altbekannte, zum Intro umfunktionierte „Doctor Doctor“ von UFO aus der Konserve, wozu über die nun aktivierten Bildschirme ein animiertes, zur „The Book Of Souls“-Maya-Kult-Ästhetik passendes Video abgespielt wurde, bis Bruce Dickinson in einer Weihrauchwolke auf der Bühnenkuppel auftauchte und das „If Eternity Should Fail“-Intro sang. Seine Band stürmte im direkten Anschluss auf die ebenfalls entsprechend gestaltete Bühne und von nun an nahm die eigentliche Show in sich ständig ändernden Kulissen ihren Lauf.
„The Book Of Souls“ schien für einige ja eher eines mit sieben Siegeln zu sein, darf man den mitunter recht verhaltenen Kritiken in den Fachgazetten Glauben schenken. Mir hingegen lief und läuft es von denjenigen betont proggigen Alben der MAIDEN-Neuzeit ziemlich gut rein und so freute ich mich auf den MAIDEN’schen, auf das eigene Selbstverständnis als noch immer aktuelle, auf ihre Neuveröffentlichungen stolze Band hindeutenden Starrsinn, die neuen Songs des Albums die Setlist dominieren zu lassen, statt auf Nummer sicher zu gehen und eine reine Klassiker-/Oldie-Show zu bieten. Wir standen relativ weit vorn auf der linken Seite, wo sich das Publikum etwas ruhiger verhielt, der Sound aber glücklicherweise von vornherein besser klang als während meines letzten MAIDEN-Besuchs in der – damals noch – „O2-World“. Ok, bei der Lautstärke fiel es mitunter schwer, die gleich drei Gitarren (plus Bass) differenziert wahrzunehmen, schwerer wog für mich aber, dass Dickinsons Mikro einige Frequenzen zu verschlucken schien und gerade bei den neueren Songs in erster Linie die hohen, helle Teile seiner Phrasierungen zu vernehmen waren.
Die auch nach wer weiß wie vielen Tourtagen überaus spielfreudig und fit wirkende Band lieferte als zweiten Song das okaye „Speed Of Light“, blieb bis dahin also in der Reihenfolge des Albums. Als echte Überraschung folgte jedoch „Wrathchild“ aus der Di’Anno-Ära (1981!) und bei „Children Of The Damned“ war der Gänsehautschauer perfekt. Mit „Death Or Glory“ blätterte man erneut im Seelenbuch, Dickinson posierte in Affenmaske und sprang wie ein aufgekratzter Schimpanse über die Bretter – was mit dazu beigetragen haben dürfte, dass der Song live noch besser als auf Platte flutschte. Ein weiterer Höhepunkt dann das überlange „The Red And The Black“, auf dessen Live-Interpretation ich im Vorfeld besonders geil gewesen war. Eine knappe Viertelstunde lang geniales Gitarrengegniedel und -gebrate inkl. „Ohoho“-Oi!-Part und wem spätestens bei Minute 10 nicht das Herz aufgeht, versteht nix von Heavy Metal. Dies verdeutlicht meines Erachtens, mit wie viel belanglosem Mist sich hiesige Metal-Redakteure die Ohren zugeschmalzt haben, wenn sie ausgerechnet bei diesem offenbar ihre Aufmerksamkeitsspanne übersteigenden Song von Langeweile und „geeignet für ‘ne Kippenpause“ schreiben. Für „The Trooper“ schlüpfte Dickinson wie gewohnt in seine Uniform und ließ den Union Jack flattern, während er „Powerslave“ unter einer mexikanischen Wrestlermaske sang. Und noch ‘ne ordentliche Kelle „Book of Souls“: „The Great Unknown“ wirkte live etwas unscheinbarer als von Platte, der Titelsong jedoch zog sämtliche Register und ließ sich Janick Gers (der sich übrigens mit seinen, nun ja, „unorthodoxen“ Bühnenbewegungen diesmal erstaunlich zurückhielt) zusätzliche eine Akustikklampfe umschnallen. Das war’s dann aber auch mit aktuellem Stoff, Zeit für eine Klassikerrunde aus dem schier unerschöpflichen Fundus. „Fear Of The Dark“ sorgte zumindest in unserem etwas hüftsteifen Teil des Publikums nicht unbedingt für inbrünstiges Mitsingen südamerikanischen Ausmaßes, hallte aber dennoch ordentlich durch die Arena und bei „Iron Maiden“ stackste Bandmaskottchen Eddie trashig über die Bühne, bis Bruce ihm sein Herz herausriss und eine riesige Eddie-Fratze von der Bühne glotzte.
Dass da noch etwas kommen würde, war klar und so wurde der Zugabenteil von „The Number Of The Beast“ eingeleitet, zu dem sich der Gehörnte überlebensgroß gesellte. Einen Zeitsprung von 18 Jahren bedeutete das vorletzte Stück „Blood Brothers“, das seinen Pathos übers Publikum verteilte und bewies, wie unpeinlich und episch eine Schunkelnummer sein kann. „Wasted Years“ war dann so etwas wie der krönende, unheimlich gut passende Abschluss, scheint sich doch auch die Band noch immer in ihren besungenen „Golden Years“ zu befinden und prügelte mir der Song ein, dass auch mir eigentlich gerade die Sonne aus dem Allerwertesten scheint – ok, kein Wunder, wenn man sich in einer riesigen Masse MAIDEN-Jünger wiederfindet und eines seiner Lieblingslieder live vom Original dargeboten bekommt. Eine Art Maya-Eddie-Ufo hob funkensprühend ab, „Always Look On The Bright Side“ ertönte als Rausschmeißer und das war’s.
Nach rund zwei Stunden entließ man eine zufriedene Menschenmenge in die Nacht, die von einem erstaunlich gut und schnell funktionierenden Shuttle-Service zum S-Bahnhof gebracht wurde. Selten war Alter so bedeutungslos wie an diesem generationenübergreifenden Abend, den Dickinson für einige klug gewählte, auf die Internationalität von Musik im Allgemeinen und der MAIDEN-Szene im Speziellen hinweisende Ansagen nutzte und damit nationalistischen Tendenzen und ähnlichem Mist eine Absage erteilte. In dieser Form dürfen IRON MAIDEN gern noch lange weitermachen – wenn so ein Riesenkommerzarenabesuch auch nichts ist, woran ich mich gewöhnen könnte und bei Bierpreisen von 4,80 EUR für einen Becher selbst ich lieber weitestgehend abstinent bleibe…
Aber, frei nach Peter Wackel: Scheiß drauf, MAIDEN ist (höchstens) einmal im Jahr!
Schreibe einen Kommentar