Wer schreit, hat recht

Die kanadische Speed-Metal-Legende EXCITER zählte bisher zu den Bands, die ich stets verpasst hatte, wenn sie in hiesigen Breitengraden ein Stelldichein gab. Um das endlich einmal zu ändern, raffte ich mich tatsächlich an diesem Sonntag auf und begab mich ins Billstedter Bambi. Meine Sorge, etwas zu spät zu kommen, erwies sich als unbegründet, technische Probleme verzögerten offenbar den Beginn. Mir bereits im VVK eine Karte gesichert zu haben erwies sich hingegen als weise Voraussicht, denn zu meinem Erstaunen platzte die Bude aus allen Nähten, der Großteil der HH-Oldschool-Metalszene schien sich in Bewegung gesetzt zu haben. Als die englischen ASOMVEL, die mir bis dato noch kein Begriff waren, sich inklusive ihres Drumkits den Bühnenabschnitt vor dem EXCITER-Drumriser aufteilten, vernahmen meine verwöhnten Ohren astreinen MOTÖRHEAD-Rock’n’Roll der klassischen Ära, konsequenterweise in Triogröße dargeboten. Bassist, Sänger und Lemmy-Sound-and-Lookalike Ralph zählt offenbar erst seit 2014 zur bereits 1993 (!) gegründeten Band und ließ wehmütige Erinnerungen ans goldene MOTÖRHEAD-Zeitalter aufkommen, das ASOMVEL sich tief injiziert haben. Der blonde Drummer Jani, sogar erst seit dem vergangenen Jahr in der Band, befand sich auf einer Höhe mit seinen Kompagnons, bangte, was das Zeug hielt, und trat seine beiden transparenten Bassdrums windelweich, während Gründungsmitglied Lenny an der Klampfe kräftig rock’n’riffte und in manch Refrain gesanglich unterstützte. ASOMVEL entpuppten sich als herrlich arschtretender Opener, der manch Sonntagskater austrieb und den Mob, der dies dankbar annahm, auf Temperatur brachte. Da schmeckte sogar das Konterbier!

Der EXCITER-Merchstand sah ganz schön traurig aus, außer ‘ner Mütze, ‘nem Metall-Pin und einer Autogrammkarte für’n Zehner (wer kauft so was?) gab’s nüscht – sämtliche Shirts waren im Tourverlauf bereits ausverkauft worden! Die aktuelle Inkarnation der Band verfügt erneut nicht mehr über die Originalbesetzung, nachdem Gitarrist John Ricci letztes Jahr ausgestiegen ist. Er wurde durch den Jüngling Daniel Dekay ersetzt, der auch kurz vor Beginn den Linecheck durchführte. Alleinstellungsmerkmal der Band ist natürlich der singende und schreiende Drummer Dan Beehler. Dieser ist fit und hat Bock, wenn er auch nicht mehr ganz so markerschütternd zu kreischen in der Lage ist wie einst in den ‘80ern. Seine ungewöhnliche Doppelbelastung meistert er ansonsten tadellos, wenn er auf seinem Riser erhaben über dem willigen Fußvolk thront, das seinerseits danach giert, seine Abhandlungen über Gewalt, Metal, Hass, Krieg und Tod, unterlegt von nachdrücklich polternden Drums, schneidenden Riffs und einem das Tieftonfundament gießendem Bass, in die Lauscher gebrüllt zu bekommen. Das Trio stieg mit „Violence & Force“, dem Titelstück des zweiten Albums, fulminant ein, forderte „Stand up and Fight“ und besang die „Victims of Sacrifice“. Irgendwas zwischen 15 und 20 Songs lang bot man einen handverlesenen Querschnitt durch die ersten vier Alben, also inklusive des etwas unterbewerteten „Unveiling The Wicked“ mit dem besonders hübschen Artwork, was mich positiv überraschte. Der Mob war vom ersten Ton an gut aufgelegt und in Bewegung, und bei „Heavy Metal Maniac“ brachen schließlich alle Schranken: Die Hymne wurde lautstark aus zig gut geölten Kehlen mitgesungen, Metalhead Niko erklomm sogar die Bühne dafür und zeigte stolz seinen zum Song passenden Rückenaufnäher, nackenmuskulaturstrapazierendes Banging und munteres Moshing vor der Bühne gingen mit entfesseltem Fistraising und feuchten Bierduschen einher. Ich habe mich auch besonders über „Break Down The Walls“ gefreut, ohne das man natürlich keine Deutschland-Tour antreten darf. Das fiese „Feel The Knife“, 1985 auf einer EP erschienen, kam ebenso zum Zuge wie – Überraschung! – das Demostück „World War III“, das ich noch gar nicht kannte. Ihm vorausgegangen war das mehrmals lauthals eingeforderte „Long Live The Loud“ und eigentlich sollte dann Schluss sein. Auf die Anfeuerungsrufe des Publikums hin fasste man sich jedoch ein Herz und hatte eine weitere Überraschung in petto: Eine höchst kompetent gezockte Coverversion des MOTÖRHEAD-Gassenhauers „Iron Fist“, zu der Bassist Allan Johnson eine ausgelassen tanzende junge Dame auf die Bühne bat.

EXCITER sind eines mittlerweile ja so vieler positiver Beispiele für Reunions alter ‘80er-Kultbands, von Rip-Off, Halbherzigkeit oder eingerostetem Talent keine Spur: Wie eine gut gewetzte Axt durch einen kanadischen Forst hatte sich die Band durch ihr Set geholzt. So blickte man im Anschluss auch ausnahmslos in begeisterte Gesichter, bevor ich schnellstmöglich den Heimweg antrat – immerhin stand bereits ein Lohnarbeits-Montag mahnend am Horizont…