Die 1979 im englischen Coventry gegründeten THE SELECTER waren in der mächtigen Two-Tone-Troika bestehend aus MADNESS, THE SPECIALS und eben jenen schon immer meine Favoriten; besondere Songs aus der zweiten Reihe wie „Bomb Scare“ oder „Washed Up And Left For Dead“ gehen nicht nur in die Beine, sondern auch ans Herz. Doch obwohl seit Anfang der 1990er wieder aktiv, war es mir nie vergönnt, sie einmal live zu sehen. Letztes Jahr gastierten sie im Monkeys, was jedoch mit einer Bowling-Veranstaltung verbunden war und dementsprechend satt erhöhter Eintritt fällig wurde, weshalb ich mich weiter in Verzicht übte. Dies änderte sich, als die Band im Zuge ihrer Deutschland-Tour erneut dem Monkeys einen Besuch abstattete, diesmal ohne Bowling, ohne Vorbands, just pure SELECTER – und wesentlich bezahlbarer.
Vor Ort zog sich erst mal eine lange Schlange zur Kasse, wie ich es beim Monkeys noch nicht erlebt hatte. Dies schien sowohl mit dem hohen Besucherandrang als auch einem Soundcheck-Länge-bedingt etwas späteren Einlass zusammenzuhängen. So verzögerte sich auch der Konzertbeginn um eine halbe Stunde auf 21:30 Uhr. In ihrem rund eineinhalbstündigen Set konzentrierte sich das Oktett (inkl. Bläser und Orgelspieler) auf ihre beiden Klassikeralben sowie das aktuelle Album „Subculture“. Natürlich ist die aktuelle Besetzung weit davon entfernt, original zu sein – Originalmitglied Neol Davies ist sogar mit einer eigenen THE-SELECTER-Variante unterwegs –, dafür jedoch überaus versiert an den Instrumenten. Bei perfektem Monkeys-Sound saß jeder Ton und transportierte den Geist der alten Songs originalgetreu. Und dann ist da natürlich Pauline Black, jene in Würde gealterte Grand Dame des Two Tone, die noch immer über ihre einzigartige, durchdringende Stimme verfügt und mit ihrem ebenso resoluten wie charmanten Auftritten, gewandet in feinen Zwirn, die Herzen des auch an diesem Dienstagabend die Hütte vollmachenden Publikums im Sturm eroberte. Welch eine Ausstrahlung!
Black kommunizierte und scherzte mit dem Publikum, lobte die in der ersten Reihe tanzenden Mädels, animierte zum Mitsingen, tanzte mit ihrem für die männlichen Gesangseinlagen zuständigen Sidekick Gaps, schüttelte den Schellenkranz und nahm einen Blumenstrauß entgegen, den der alte Charmeur Sam ihr mitten im Set überreichte. 😉 Es wurde im gemischten Publikum viel das Tanzbein geschwungen und geschwitzt, zu den Eigenkompositionen gesellten sich die klassischen Cover „Train to Skaville“ und „Carry Go Bring Home“ sowie das James-Bond-Thema, „Too Much Pressure“ wurde passenderweise um einen „Pressure Drop“-Part erweitert. Der Skandalsong „Celebrate The Bullet“, der seinerzeit zum Split führte, fehlte ebenso wenig wie das frenetisch bejubelte und in einer interessanten Phrasierungsvariante interpretierte „On My Radio“. Der kleinere der beiden Bläser tauschte sein ihn beinahe überhöhendes Rieseninstrument zwischenzeitlich gegen eine Flöte und ohne Zugaben (u.a. einem Medley klassischer Hits) ging’s nicht in die Koje. Meine beiden eingangs erwähnten Zweite-Reihe-Hits fehlten zwar, mit ihnen hatte ich aber ohnehin nicht gerechnet. Songauswahl und Schwerpunkt gingen auch so vollkommen klar.
Wenn ich mal mitten in der Woche zu einem Konzert tigere, muss es etwas Besonderes sein – und das war es! Ein weiteres „Must-See“, hinter das ich einen Haken setzen kann. Auf dass Mrs. Black & Co. der Musiklandschaft noch lange in dieser bestechenden Form erhalten bleiben mögen. Und vielleicht sollte ich doch mal in die bisher mit Ignoranz gestraften „neuen“ Alben ab den ‘90ern reinhören…
P.S.: Neben meinen wackeligen Amateurschnapsschüssen aus dem sich stetig in Bewegung befindenden Publikum gibt’s bei Kevin Winiker fantastische Profi-Fotos.
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