Das offizielle und öffentliche Stadtteilfest Altonale kam für mich dieses Jahr überraschend, erst am Samstagmorgen erfuhr ich davon. Also nach dem Frühstück erst mal den riesigen Flohmarkt abgeklappert. Auf dem Platz der Republik sollten dann diverse Bands spielen, von denen man mir die Ska-Punk-Band SICK LEAVE nahelegte. Um mich mit Freundinnen und Freunden zu treffen, schlug ich dort bereits am Nachmittag auf und wurde Augen- und Ohrenzeuge der Rockband RADAU, die, irgendwo zwischen ROLF ZUCKOWSKI und RANDALE anzusiedeln, Musik speziell für Kinder macht. Die waren an diesem Tag bei bestem Open-Air-Wetter auch reichlich zugegen. RADAU transportierten kindgerechte und nicht immer 100%ig pädagogisch wertvolle, daher für die Zielgruppe umso reizvollere Botschaften in eingängigen Songs bei glasklarem Sound. Ihre Show reicherten sie mit diversen Mitmachspielen an, schlüpften in verschiedene Kostüme und brachten ihre jungen Fans dazu, sich kräftig auszupowern, während die Eltern oder Aufpasser(innen) sich in Ruhe am Bierchen laben konnten. Als ich anregte, auch in unsere Shows solche Mitmachspielchen zu integrieren, schlug Kai vor, mich als Ball ins Publikum zu werfen, woraufhin ich von dieser Idee wieder Abstand nahm. Schön zu sehen: Die jüngsten kaufen noch CDs! Zumindest von RADAU.

Anschließend tat sich ‘ne ganze Weile nix auf der Bühne, bis die Ansage kam, dass SICK LEAVE leider krankheitsbedingt kurzfristig absagen hatten müssen. So konnte DAS SKARTELL in Ruhe aufbauen und schließlich seinen deutschsprachigen, modernen Ska präsentieren. Das ist ja nicht so ganz meine Richtung, wenngleich sie mir diesmal etwas besser als einst auf dem Elbdisharmonie-Festival gefielen. Technisch ist das, was die neun Musiker da fabrizieren, alles knorke, musikalisch ist’s mir – wie bei so vielen Genrekollegen auch – hingegen meist zu fröhlich und zu clean. Mir fehlt da neben etwas Dreck der melancholische Touch (nicht nur) des Two-Tone, der erst erklang, als die Berliner als Zugabe MR. REVIEW coverten. Etlichen Besucherinnen und Besuchern gefiel’s aber und als Begleitmusik zum sonnigen, entspannten Open-Air-Umtrunk war das nun auch wirklich nicht verkehrt.

Den DAS-KARTELL-Gig hatte ich im Vorfeld übrigens genauso wenig auf dem Schirm wie den des Headliners NO SPORTS. Nachdem ich davon erfahren hatte, war klar, dass der Abend etwas länger werden würde. Die Stuttgarter zählen zu den Pionieren der deutschen Ska-Szene, das Debüt-Album „King Ska“ (1989) und die EP „Stay Rude Stay Rebel“ (1990) genießen Kultstatus. Insbesondere das Titelstück letztgenannter Veröffentlichung avancierte zu einer der Hymnen der antirassistischen Skinhead-Bewegung, auf die der Text auch eindeutig Bezug nimmt. Eben jene Szene verzieh aber auch den einen oder anderen Stilwechsel der Band nicht, die bis auf Bandkopf D. Mark Dollar zudem eine hohe Mitgliederfluktuation aufwies. Live gesehen hatte ich NO SPORTS noch nie, Ende der ‘80er/Anfang der ‘90er war ich zu jung und 2002 die Band bereits aufgelöst, um ein paar Jahre später als NU SPORTS zurückzukehren. Offenbar bereits seit 2013 ist man als NO SPORTS aber wieder aktiv, hat 2021 gar ein Comeback-Album veröffentlicht. In sechsköpfiger Besetzung mit Quetschkommode/Keyboard-Doppelbelastung für die einzige Frau in der Band und D. Mark Dollar an Gesang und Gitarre konnte man auf ein bereits gut eingetanztes, gemischtes Altona-Publikum zurückgreifen – und lieferte zu meiner Überraschung erstklassig ab. NO SPORTS ließen sich nicht lumpen und spielten ausdauernd ein recht langes Set, das mit den bekannten Hits gespickt war, „Stay Rude Stay Rebel“ nicht vermissen ließ, aber auch einen brandneuen Song beinhaltete, der ziemlich vielversprechend klang. Nicht zuletzt durchs Gesabbel und Getrinke mit dem einen oder anderen Bekannten (und vielleicht auch, weil mir die Sonne den ganzen Tag auf den Schädel gebrannt war und das Bier seine Wirkung zeigte…) war meine Aufmerksamkeitsspanne irgendwann erschöpft, will sagen: Das Konzert verfolgte ich nicht sonderlich konzentriert, nahm es aber als sehr angenehme Beschallung wahr und könnte mir vorstellen, dass das in ‘nem verschwitzten Club mindestens genauso gut gekommen wäre.

Und das alles nicht nur vollkommen unerwartet, sondern auch noch für umme mitten in Altona – das ist schon ziemlich geiler Scheiß. Nächstes Jahr dann SELECTER, MADNESS und THE SPECIALS?