Günnis Reviews

Datum: 28. September 2022

24.09.2022, Schanzenviertel, Hamburg: Schanzenfest 2022

Nach fünf Jahren wurde erstmals wieder das selbstorganisierte, unangemeldete Schanzenfest gefeiert. Das bedeutet: Anwohner(innen)-Flohmarkt (der diesmal aber recht klein ausfiel), Infostände zu gesellschaftlichen und politischen Themen, Verzehrstände, Soundsystems und eine Bühne für Musik- und Redebeiträge, ohne Standgebühren und ohne von Stadtfest zu Stadtfest tingelnde Profihändlerinnen und -händler. Spenden werden gesammelt und die Gewinne mehrerer Stände guten Zwecken wie beispielsweise der Seenotrettung zugeführt. Das Motto lautete diesmal „Antifa por la vida“, man solidarisierte sich mit von Repression betroffenem antifaschistischen Widerstand im Allgemeinen und den Leidtragenden des „Antifa Ost“-Verfahrens, u.a. Lina, im Speziellen. Details zum Selbstverständnis des Schanzenfests lassen sich im offiziellen Blog nachlesen. Ich tingelte verkatert vom Vortag am frühen Nachmittag Richtung Schanze, fand auf den paar Flohmarktständen, an denen ich vorbeikam, nix für mich, suchte und fand aber schließlich die Bühne, auf der u.a. einige interessante Punkbands spielen sollten. Den HARDCHOR hatte ich verpasst, BETON DE ROUGE ebenfalls, aber SPARCLUB soundcheckten gerade. Das noch junge, weibliche Gitarre/Drums-Duo hatte ‘nen guten Sound mit schön bollerigen Drums, die den fehlenden, eiskalt weggesparten Bass zuweilen vergessen ließen. Die punkigen Riffs gingen gut ins Ohr, der oftmals zweistimmige Gesang auch. Die meisten Song waren auf Deutsch, später kamen ein paar englischsprachige hinzu. Mir hat’s gefallen, wenngleich sich gerade zum Ende hin doch bemerkbar machte, dass sich einige Songs sehr ähneln. Dafür übertrugen sich der Spaß an der Musik und die positive Ausstrahlung aufs trotz etwas Nieselregens gut gelaunte Publikum. Nach knapp 40 Minuten verließen SPARCLUB unter verdientem Applaus die Bühne. Fotos gibt’s übrigens weder von diesem noch von den weiteren Gigs, da seitens der Organisation darum gebeten wurde.

Mittlerweile war ich beim Konterbier angelangt, hatte meinen ebenfalls noch leicht verschallerten Bandkollegen Holler getroffen und konnte mich von KRATZER anbrüllen lassen. Überaus kompetenter Neo-Crust aus Hamburg, der schön böse ballerte und damit denjenigen Passantinnen und Passanten, die sich zum Wochenend-Shopping in die Straße verirrt hatten, einen wunderbaren Kontrast boten. Der Shouter hatte die Bühne verlassen, nutzte den Raum vor ihr gut aus und schaffte es tatsächlich, einige Anwesende zum Tanzen zu bewegen. Andere machten sich einen Spaß daraus, über sein Mikrokabel zu springen oder spritzten/spuckten mit Bier herum. Herrlich.

Auf diesen rund 45-minütigen Gig folgte ein 20-minütiger Wutausbruch TIÃOs, genauer: derer Shouterin/Gitarristin. Der Trend geht zum Duo, auch hier lediglich Drums, kein Bass. Aufgrund der kurzen Spielzeit habe ich dieses HC-Brett nicht komplett gesehen bzw. gehört; als ich vom Pinkeln zurückkam, war’s schon wieder vorbei. Es folgte ein großartiger Redebeitrag zum „Fall Lina“, der sehr gut aufdröselte, was da gerade im Osten vor sich geht. Solche Beiträge gab es zwischen allen Bands, wobei ich aus unterschiedlichen Gründen nicht alle mitbekam. Sie sollen wohl in Kürze größtenteils in o.g. Blog nachzulesen sein.

Mit DUNKLE STRASSEN folgte ein weiteres Duo: E-Drums aus der Konverse, Schrammelklampfe, Samples und Geschrei – da war ich musikalisch raus, sorry. Stattdessen spazierte ich noch mal ein wenig durchs Viertel. Als ich zurückkam, beendete gerade die Transgender-Künstlerin GÉRALDINE SCHABRAQUE ihr Chanson-Set, bevor die NOTGEMEINSCHAFT PETER PAN adrenalingeladen die Bühne erklomm und direkt mit der an hiesige Verhältnisse angepassten AGNOSTIC-FRONT-Nummer „HH Polizeistadt“ einstieg. Eigentlich erzählt Sänger/Gitarrist Stemmen ja ganz gerne mal bischn was auf der Bühne, was zu den NPP-Gigs schlicht dazugehört. Adrenalinausstoßbedingt schien er sich diesmal etwas zu verhaspeln und ließ lieber wieder die grobe musikalische Kelle sprechen. Vor der Bühne hatte sich inzwischen ein großer Pogomob gebildet, vereinzelte Bengalos erhellten den mittlerweile dunklen Abend. Ich bekomm’s nicht mehr ganz zusammen, aber „HH Polizeistadt“ wurde erst noch mal und am Schluss sogar ein drittes Mal, diesmal zusammen mit Ex-Sänger Sibbe, gezockt, auch ‘nen anderen Song gab’s mindestens zweimal zu hören. Der Gig wirkte punkig-chaotisch, passte damit zur vorgerückten Stunde sowie meinem persönlichen Zustand und wurde von den feierwütigen Besucherinnen und Besuchern gnadenlos abgefeiert.

Bei den JESUS SKINS war die aufgekratzte Menge anschließend in guten Händen, bereitwillig ließ sie sich das Oi!-Evangelium in Form von Songs wie „77 heißt Grüß Gott“, „Skinheads in der Kirche“, „3 Könige“ oder auch „Saufen beim Fußball“ andrehen. Die JESUS SKINS sind gewissermaßen ein Projekt, bei dem jeder mal mitmachen darf, mittlerweile sitzt Paul von DER UNFUG UND SEIN KIND und SPIKE an der Schießbude und Band-Tausendsassa Ritchy spielt Klampfe. Laut meinem Konzerttagebuch habe ich es elf (!) Jahre (!!) lang geschafft, den JESUS SKINS live zu entkommen, vielleicht, weil der Witz im Prinzip ja schon länger auserzählt ist. Aber, Alter: Alkoholisiert auf dem Schanzenfest ist das schon noch ‘ne Ansage! Und tatsächlich waren mir die meisten Texte noch geläufig, sodass ich mit ausgebreiteten Armen kräftig mitsingen konnte. „77 heißt Grüß Gott“ wurde als Zugabe noch mal dargereicht, bevor die Messe gelesen war und ein in meiner lückenhaften Erinnerung sehr guter Redebeitrag zur aktuellen Situation im Iran das Schanzenfest mit ernsten, aber auch kämpferischen Worten beendete.

23.09.2022, Monkeys Music Club, Hamburg: SPERRZONE + THE SOUL INVADERS

Der gute Maggie feierte seinen Fuffzichsten im Monkeys mit zwei befreundeten Bands, und zwar ausgerechnet an einem Abend, an dem man sich vor Konzerten in Hamburg kaum retten konnte. Das änderte aber nichts an einer gelungenen Party mit ordentlichem Besucherinnen- und Besucherzuspruch, allein schon, weil Maggies alte Heimat Hagen massiv vertreten war. Als wir eintrafen, beendete gerade ein Singer/Songwriter sein Set, der überraschend den Abend eröffnet hatte. SPERRZONE aus dem sächsischen Torgau begannen dann mit gut abgehangenem Midtempo-Punkrock mit deutschen Texten, die sowohl von einem der beiden Gitarristen als auch vom Bassisten geschmettert wurden. Man wechselte sich ab oder spielte sich gegenseitig die Bälle zu, die Gesangsharmonien saßen und korrespondierten auch gut mit den Backgrounds. Zwischendurch wurde „Little Old Wine Drinker Me“ in punkiger Version gecovert, es folgten weitere englischsprachige Songs, die dann auch mehr Schmackes hatten. „Nobody’s Hero“ der STIFF LITTLE FINGERS bot man in einer Offbeat-Version dar, eine JOHNNY-CASH-Nummer wurde verpunkt und mit VANILLA MUFFINS‘ „For What I Fight With You?“ schloss das Quartett den regulären Teil seines dann doch recht fremdkompositionsreichen Sets. Das Publikum forderte eine Zugabe, die es in Form des umjubelten STRASSENJUNGS-Covers „Ich brauch meinen Suff“ erhielt. SPERRZONE wirkten mit ihrer positiven Ausstrahlung und ebensolchen Aussagen sehr sympathisch, und an der Basslautstärke ließ sich ablesen, wer offenbar Kopf der Band ist. 😉

Die Hagener THE SOUL INVADERS stimmten ein Geburtstagsständchen für Maggie an und hauten danach so richtig auf die Kacke, wobei Sänger Böhme möglicherweise sogar noch etwas wahnsinniger als während meines letzten beigewohnten SOUL-INVADERS-Gigs im Jahre 2017 wirkte. Gut, mal war er nicht vorbereitet und wusste nicht, welcher Song kommt, mal ging’s der Band ähnlich, aber hatte man sich erst mal auf das jeweilige Stück geeinigt, wurde ein Inferno aus Punk, Rock’n’Roll und Garage entfacht, das dazu einlud, sein Hirn an die Wand zu werfen. Hier und da war auch kleine ‘ne MISFITS-Schlagseite herauszuhören. Ein von Böhme gehasster Song entpuppte sich für meine Ohren als vielleicht beste Nummer, aber das Hit-Niveau war generell hoch. Immer mal wieder wurde er vom aus Hagen mitgereisten Sänger der MAD MOISELLES unterstützt, der sich auf der Bühne ebenfalls sichtlich wohlfühlte (und bereits bei „Ich brauch meinen Suff“ während des SPERRZONE-Gigs das Mikro geentert hatte). Böhme nahm sich zwischendurch die Zeit, die Bandmitglieder namentlich vorzustellen, preschte im nächsten Moment aber schon wieder wild über die Bretter. Natürlich mussten auch hier Zugaben her; auf eine relativ neue, als Schmusesong angekündigte mit leichter Postpunk-Tendenz folgte noch eine Schunkelnummer. Herausragendes Punkrock-Entertainment einer grenzgenialen Liveband!

Danke, Maggie, für die geile Sause und die Getränkemarken! Nochmals Herzlichen und auf die nächsten Fuffzich!

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