Der Kieler Semmel-Verlach (damals noch „-Verlag“) wurde im Jahre 1981 von Winfried „Winni“ Bartnick eigens für die Veröffentlichung der „Werner“-Comics Rötger „Brösel“ Feldmanns gegründet. „Semmels Satire Sammelsurium“ erschien ein Jahr später und dürfte der erste Sammelband des Verlags gewesen sein. Im von den „Werner“-Comics gewohnten etwas größeren Taschenbuchformat vereint er auf seinen leider unnummerierten Schwarzweißseiten Comics und Zeichnungen sechs verschiedener, eingangs kurz vorgestellter Zeichner, die in ihrem Funny-Stil inhaltlich irgendwo zwischen typischem Sponti-Humor und zeitgemäßer punkiger Aggressivität angesiedelt sind – und zwar in einer Direktheit und Radikalität, wie man es heute kaum noch kennt.

Den Anfang macht Brösel, dessen „Werner“ hier nur am Rande auftaucht. Seitenfüllende Einzelzeichnungen treffen auf klassischere mehrpanelige Seiten und changieren zwischen herzlichem Blödsinn und autoritätskritischer Anarcho-Komödie. Tomas M. Bunk wiederum hat dem Band u.a. eine längere, im detailreichen Crumb’schen Schraffurstil gezeichnete Geschichte seines Helden „Karsten Dose – der lachende Miesmacher“ spendiert, die Ausdruck punkiger Endzeit-und-Spaß-dabei-Stimmung ist. Auf eine Einzelzeichnung folgt eine weitere Story, diesmal um „Super-Aujust“, die in der Berliner Hausbesetzerszene spielt – mit massig Zeitkolorit und inklusive einer Seyfried-Hommage (erste Seite rechts unten). Die Bullen greifen ein instandbesetztes Haus an, aber Super-Aujust greift ein und sorgt wieder für Recht und Ordnung – revolutionär, aber anscheinend nur ein schöner Traum. Ein paar Einzelzeichnungen/-Gags (von denen ich den ersten ehrlich gesagt nicht verstanden habe) runden Bunks Anteil am Buch ab.

Harm Bengens Werke bilden mit ihrem weitaus grobschlächtigeren Zeichenstil einen Kontrast, zumal er sehr großzügig mit dem Platz umgeht: Seine inhaltlich in ähnliche Kerben wie seine Kollegen schlagenden Gags beanspruchen meist eine ganze Seite. Rolf Boyke steuert mit „Die Nacht, als der Horror kam“ eine einzelne zusammenhängende Geschichte bei, die im Spontimilieu spielt. Kurioserweise endet auch sie damit, dass sie zu einem Traum erklärt wird. Auch Philips kurze Story spielt in der Besetzerszene, diesmal jedoch aus Sicht ein Bullenspitzels und Agent Provocateurs. Auf ein Intermezzo mit Einzelgags aller Zeichner folgt noch Kai Czucham, der ähnlich wie Brösel sowohl in seitenfüllenden Einzelzeichnungen als auch in Panelform u.a. Autoritäten aufs Korn nimmt. Das Buch schließt mit Werbung für den ersten „Werner“-Band.

„Semmels Satire Sammelsurium” ist nicht nur als frühes Lebenszeichen des herzigen Semmel-Verlachs historisch überaus wertvoll, sondern auch als Zeitdokument einer frechen, aufbegehrenden Underground-Comicszene Deutschlands, die ihre mehr als nachvollziehbare bullen- und kapitalismusfeindliche Haltung in bewegten Zeiten mit reichlich Humor zu Papier brachte und dabei offenbar ohne jegliche Schere im Kopf oder falsche Rücksichtnahme agierte. Für Comic-Archäolog(inn)en, Seyfried-Jünger(innen), U-Comix-Fans und Konsorten!