Noch ‘ne Soli-Nummer für G20-kritische Aktionen, diesmal in der Roten Flora – und ausgerechnet an einem Freitag, an dem sich Hamburgs Konzertveranstalter wieder einmal selbst überschlugen und in fast jeder Location musikalisch Hochkarätiges boten. Ich nahm dennoch die Gelegenheit wahr, nach einer halben Ewigkeit mal wieder die Flora aufzusuchen, die gut daran tat, das Konzert in den „kleinen Saal“ statt auf die große Bühne zu legen. War einfach muggeliger.

Stand anfangs noch zu befürchten, dass sich lediglich ein versprengter Haufen zusammenfinden würde, bot sich erfreulicherweise ein anderes Bild, als EAT THE BITCH einmal mehr unter Beweis stellten, weshalb sie zum geilsten Scheiß zählen, den der lokale HC-Punk-Untergrund derzeit zu bieten hat: Jonas Stimme geht durch Mark und Bein wie ein frisch gewetztes Messer durch sonnengeweichte Butter. Die Songstrukturen bedienen sich ebenso im hektischen Pogo-Punk wie im wuchtigen Hardcore und bündeln die Aggression zu durchdringenden Geschossen, die auf eine kalte, lebensfeindliche urbane Umwelt zielen, wie die deutschsprachigen Texte stilsicher belegen. Ob „Armutszeugnis“, „Fressen & Kotzen, „Das Getriebe“, „Spiel mir das Lied vom Krieg“ oder wie sie alle heißen, die Songs sind ideale Ventile, um Wut, Frust und Enttäuschung zu kanalisieren. Noch unveröffentlichtes Material reihte sich perfekt ein und die Band macht einen immer souveräneren und tighteren Eindruck. Den halligen Klang des Raums hatte der Mischer zudem gut im Griff und mischte EAT THE BITCH einen differenzierten, harten Sound.

1323 kannte ich bisher lediglich von Ankündigungen von mir nichtbesuchter Konzerte und erwartete schrammeligen Parolen-Punk o.ä., womit ich jedoch schön daneben lag: Die Hamburger zocken einen astreinen Uptempo-Stiefel zwischen HC-Punk, dem, was man heutzutage gern als Deutschpunk bezeichnet und hymnischem, chorlastigem Zeug, das an Street-/Oi!-Punk erinnert. Inhaltlich geht’s gegen Autoritäten, Kapitalismus, Zwänge – und um Fußball. Die Becken waren ohrenscheinlich auf extraschepperig geschraubt, die raue Stimme des Sängers lag gut in der Spur und die satten Chöre saßen. Folgerichtig tauten die Anwesenden immer weiter auf und lieferten zunehmend Tanzeinlagen (und Ähnliches) vor der (nicht vorhandenen) Bühne. Schön dreckiger, ehrlicher Punk vonne Straße zwischen Rambazamba, Rebellion, Radikalität – und Fußball.

ASIMATRIX hatten dann relativ leichtes Spiel mit der aufgeheizten, sich in bester Stimmung wogenden Masse. Glücklicherweise war Klampfer Lars nach krankheitsbedingter Pause wieder fit – so fit, dass er nicht viel auf die Empfehlung gab, besser noch nicht wieder mitzusingen und sich kurzerhand das eigentlich ersatzweise vor Bassist Tobi aufgebaute Mikrophon schnappte, um Sängerin Juli wieder tatkräftig mit infernalem Gebrüll zu unterstützen. Live kommt die eigenwillige Mischung aus giftigem Hardcore-Punk und anarchischem Ska-Core noch wesentlich brutaler und ungestümer rüber als auf der Debüt-LP, wobei sie mir diesmal allgemein noch ‘ne Ecke härter als zuletzt vorkam, was aber auch mit dem speziellen Klang in der Flora zusammengehangen haben könnte. Abgesehen davon, dass Julis Gesang anfänglich zu leise war, hatte der Mischer auch hier das Optimum herausgekitzelt. Textlich wird sich in guter No-Bullshit-Punk-Tradition über die Gesellschaft und ihre degenerativen Erscheinungen ausgekotzt, was Sound, Artwork etc. in ein angemessen düsteres Szenario betten. Auch dieser Auftritt geriet zur Party und spätestens jetzt ärgerte ich mich, aufgrund meines frisch tätowierten Tanzbeins selbiges nicht schwingen zu können. Nachdem man das Set durchgezockt hatte, wurden lautstark Zugaben gefordert und von der unheimlich spielfreudigen Band in Form von Wiederholungen geliefert, bevor ich die anschließende Drum-and-Bass-Party ignorierte und mich abseilte. Von drei ASIMATRIX-Gigs, denen ich bisher beiwohnte, war dieser der beste und die Band wirkte ebenfalls sichtlich erfreut.

Ein verdammt geiler Konzertabend also, der, obwohl kurzfristig anberaumt und starker Konkurrenz ausgesetzt, für alle ein Erfolg gewesen sein dürfte und hoffentlich den einen oder anderen Soli-Taler eingespielt hat, der benötigt wird, wenn die Wut auf die Straße getragen und unmissverständlich deutlich gemacht wird, was man von der Politik, den Vorstellungen von „Globalisierung“ und den Kriegen der G-20-Gipfelteilnehmer sowie ihrer arroganten, dekadenten und zynischen Machtdemonstration in Form ihrer Hamburger Zusammenkunft hält.

Den Wunsch der Roten Flora, keine Foto- oder Videoaufnahmen im Gebäude anzufertigen, habe ich respektiert, weshalb du diesmal auf meine verwackelten, unscharfen Schnappschüsse verzichten musst, liebes Tagebuch…