Nachdem ich die großangelegte Bullenkontrolle am S-Bahnhof Reeperbahn unbeschadet überstanden hatte, konnte ich die Kellertreppen in den Menschenzoo hinabschreiten, um mir mal wieder ordentlich die Lauschlappen durchpusten zu lassen. NITRO INJEKZIA hatte ich zuletzt kurz vor Weihnachten 2017 hier gesehen, hatten mich seinerzeit arg geflasht. Diesmal machten sie überraschenderweise den Opener und brachten natürlich gut Stimmung in die Bude. Das kanadisch-russische Trio mit Wohnsitz in Berlin ballerte grandiosen Uptempo-Melodic-Punk, mal mit russischem (Bassist), mal mit englischem Gesang (Drummer), letzterer hatte dazu auch ‘nen echt amtlichen Punch. Bei nahezu perfektem P.A.-Sound gab’s dann auch nix zu meckern, zumal man noch satte drei Zugaben ablieferte. Spitzen-Liveband, ohne jeden Zweifel!

Dann wurd’s spannend: Ex-PUBLIC-TOYS-Sänger Fozzie, seit geraumer Zeit in Hamburg lebend, hatte angekündigt, ein paar alte Gassenhauer zusammen mit seinem ehemaligen Bandkollegen Uwe Umbruch (aktuell bei KOMMANDO MARLIES tätig) zu schmettern. Und so kam’s auch: In Akustikversionen und mithilfe des hinzugerufen MARLIES-Drummers erklangen „Wir sind scheiße“, „Oh Fortuna“ (über einen etwas überbewerteten Düsseldorfer Fußballclub) und „Seid betroffen“ (aktueller denn je, leider). Ich fand’s großartig, Fozzie wieder das ‘90er-Zeug singen zu hören, sämtliche Rufe nach Zugaben blieben jedoch leider unerhört. Das ist jedenfalls ausbaufähig, gern mehr davon!

Nun also KOMMANDO PIMPERLE MARLIES, Gitarrist/Sänger Uwe Umbruchs neue Band nach PUBLIC TOYS, [HAPPY] REVOLVERS, HIROSHIMA MON AMOUR und HOTEL ENERGIEBALL, also der halben Rheinland/Ruhrpott-Inzucht-Connection. Am Start hat man ‘ne 7“-EP, die schon mal ‘ne glatte Eins ist. In Trio-Größe und mit (ehemaligen) BRIGADE-S- und FAHNENFLUCHT-Mitgliedern zockt das KOMMANDO melodischen Punkrock mit leichter Rock’n’Roll-Schlagseite und Gespür für eingängige Refrains, dazu deutschsprachige Texte. Der Drummer, ‘ne Mischung aus Vetter It und Zappelphilipp, drehte derbe auf und lieferte auf seinem minimalistischen Kit ein echtes Filetstück in Sachen Punk-Getrommel ab. Uwe Umbruch scheint kaum gealtert, führte mit launigen Ansagen souverän durchs Set und kündigte scherzhaft ständig an, Hardcore-Stücke zu spielen, was er jedoch schuldig blieb. Der Song „Tommy“ stach mit seiner traurigen Stimmung aus dem übrigen Material heraus, zu dem u.a. ein „Kalt wie Eis“-Cover von TEMPO zählte, das ich vom Soundtrack zum gleichnamigen Carl-Schenkel-Film kenne. Irgendwas über Berlin und Kokain gab’s auch noch, anscheinend auch ‘nen Song über Greifswald. Die Songs klingen leidenschaftlich und authentisch, das wirkt alles sehr sympathisch. Den Schulterschluss zum Publikum suchte man, indem man mehrmals mit frischen Bierkannen mit ihm anstieß. Doch auch unabhängig davon dürften KOMMANDO MARLIES gut angekommen sein; das war ein vielversprechender Gig mit starken Songs, der Lust auf mehr machte und bewies, dass Umbruch immer noch ein verdammt versierter Songwriter ist. Dann klöppelt mal ‘n schniekes Album zusammen!