Im Molotow hatten wir ja bereits mehrere Male Live-Erfahrung sammeln können, jeweils oben auf der großen Bühne – einmal davon im Rahmen der „Punk Rock Cocktail“-Spätkonzertreihe, die normalerweise unten im kleinen Karatekeller stattfindet, seinerzeit jedoch ausnahmsweise ins Erdgeschoss verlagert worden war. Das fand ich damals klasse; mittlerweile aber hatte ich auch Bock, mal die intimere Atmosphäre des Karatekellers von der Bühne zu spüren. Da passte es bestens, dass uns DJ Starry Eyes zum Jahresausklang noch einmal dorthin gelockt hatte. Allein zu spielen fand ich aber irgendwie doof, vor allem angesichts des großen Angebots starker Hamburger Underground-Bands. Also bemühten wir uns um eine zweite Band, was sich für die Zeit „zwischen den Jahren“ als echte Herausforderung entpuppte. Letztlich fanden wir in 1323 aber eine Combo, die mich bereits live überzeugt hatte und ich als sympathisch in Erinnerung hatte.

Dass unser gemeinsamer Gig an diesem Abend nicht das einzige Punkrock-Konzert war, ist in Hamburg längst obligatorisch, ließ mich aber wie so oft daran zweifeln, ob die Bude voll werden würde. Nach nettem Empfang, Aufbau und unkompliziertem Soundcheck machten wir uns über die Biervorräte im komfortablen Backstage-Bereich her, gingen mit unserem Besuch aus der Schweiz dinieren und fanden uns schließlich zurück auf der Sofalandschaft im Backstage, wo meine Bandkollegen eine Worst-of-Ballermann-Playliste durchnudelten – von mir abwechselnd mit peinlich berührtem Gelächter und Gesichtspalme quittiert. Gänzlich andere Reaktionen riefen dann 1323 im ca. halbgefüllten Karatekeller hervor. Nach Ausscheiden ihres Sängers auf Triogröße geschrumpft, teilten sich vornehmlich Gitarrist Phil und Drummer Andi den Gesang und ballerten ruppigen, zwischen düster und wütend pendelnden HC-Punk raus. Anfänglich war der Sound noch sehr laut und knarzig, was sich aber bald besserte. In „Geld ist euer Gott“ und anderen deutschsprachigen Songs werden Missstände aufgegriffen und Finger in klaffende Wunden einer verlausten Gesellschaft gelegt, wie es sich für diese Mucke gehört. Da 1323 aufgrund der kurzen Spielzeitvorgabe von lediglich 30 Minuten ihre Fußballsongs gestrichen hatte, blieben Auflockerung und Spaß dabei thematisch etwas auf der Strecke. Phil, der sich die Finger blutig gespielt hatte, erzählte mir später, dass er generell konsequenter einen ernsthafteren Weg mit seiner Band einschlagen möchte. Für diesen Monat haben 1323 Albumaufnahmen für den Nachfolger ihrer EP anberaumt, man darf also gespannt sein! Mit „Staatsfeind“ von CANALTERROR hatte auch eine Coverversion ins Set gefunden, mit der man natürlich nichts falsch machen kann. Davon, dass 1323 noch der Wilhelmsburger Gig vom Vortag in den Knochen steckte, war nichts zu merken, ihre halbe Stunde zogen sie voll durch und traten gut aufs Gas.

Unsere 15-minütige Umbaupause mussten wir ein wenig ausdehnen, damit der Bühnensound stimmte. Das schien sich gelohnt zu haben, denn inkl. der Monitore – auf solch kleinen Bühnen keine Selbstverständlichkeit – war der Klang einwandfrei und alles differenziert heraushörbar. Anfänglich hatte ich noch überlegt, allein schon aus Platzgründen die Bühne zu verlassen und vor ihr herumzuturnen, doch ruckzuck war der Keller voll und wurde vor der Bühne ausgelassen getanzt. Dadurch macht so’n Auftritt gleich noch mal so viel Spaß und den dürfte man uns auch angemerkt haben. Den einen oder anderen versemmelten Einsatz überspielten wir mit gewohnt blödsinnigem Gesabbel, Christian musste erst noch überredet werden, „Dirty Streets“ zu spielen und während der Zugabe „Fame“ schlitzte ich mir der Bühnenenge geschuldet die Hand an Oles Gitarrenhals auf, was dieser nicht bemerkte und sich lediglich darüber wunderte, weshalb seine Klampfe plötzlich verstimmt war. Außerdem fiel mir während der letzten beiden Songs mehrmals das Kabel aus dem Mikro; vermutlich war ich draufgelatscht gelatscht, während ich das Mikro hochriss. Solche Pannen änderten aber nichts daran, dass der Gig wie im Rausch viel zu schnell vorüberging und mächtig Bock machte. Das Rauchverbot sorgte zudem dafür, dass mich die Kondition nicht so schnell verließ wie in manch enger Qualmbude. Während wir noch abbauten, erwiesen sich 1323 als besonders kollegial, indem sie unseren Merchstand betreuten, und im Anschluss wurde mit so einigen Bekannten, die im Laufe des Abends bzw. der Nacht hinzugestoßen waren, noch kräftig weitergefeiert. Für beste Stimmung sorgte DJ Starry Eyes, der noch viele Stunden lang eine ihm eigene und kurioserweise bestens funktionierende Mischung aus Punkrock-Klassikern und ‘80er-Pop auflegte, die den Keller zum kollektiven Tanzen brachte.

Für mich war dieser unser letzter Gig im sich seinem Ende entgegenneigenden Jahr 2018 so etwas wie eine vorgezogene Silvesterparty mit den Bandkollegen (die ausgiebig vom „Zehn Schnäpse für 7,-EUR“-Angebot Gebrauch machten), denn um den eigentlichen Jahreswechsel zu feiern verschlug es mich diesmal nach Berlin. Danke ans Molotow-Team, an 1323 und DJ Starry Eyes sowie die feierwütige Meute! Die Schnappschüsse unseres Gigs stammen von Flo und sind gezeichnet von schwierigen Lichtverhältnissen. Only live is real!