(www.facebook.com/arresteddenial) / (www.madbutcher.net)
Den guten Valentin kenne ich noch als Brüllaffen der Newschool-Hardcore-Band THIS BELIEF, doch die ist mittlerweile Geschichte. Seine zweite große musikalische Liebe ist der Streetpunk und so gründete er eines Tages zusammen mit Sascha (ex-IN VINO VERITAS) in Hamburg zusammen mit zwei weiteren Leuten die Band ARRESTED DENIAL, die vor zwei oder drei Jahren in Eigenregie das Album „Church on Friday“ veröffentlichte (das kostenlos im Netz herunterladbar ist). Nun konnte man einen Deal mit dem Mad-Butcher-Label an Land ziehen und kredenzt die zweite Platte „Our Best Record So Far“, die schon jetzt überregionale Aufmerksamkeit nach sich zieht – und das zurecht. Zelebriert wird hier feinster US-beeinflusster Streetpunk, der inspiriert scheint von Genregrößen à la RANCID, U.S. BOMBS, SWINGIN’ UTTERS und Konsorten, dabei aber jedes Klischee behände umschifft. Mit einem herrlich rauen, angepissten, jedoch nie stumpf brüllenden Organ trägt Valentin seine in deutscher und englischer Sprache verfassten, sauber ausformulierten und gern mal für diese Musikrichtung relativ langen Texte vor, die sich ebenso kämpferisch wie nachdenklich und selbstkritisch in Bezug auf die eigene Szene geben und u. A. handeln vom eigenen Selbstverständnis, von der emotionalen Verbundenheit mit dem eingeschlagenen Lebensweg, vom Besinnen auf das, was von Bedeutung ist, aber eben auch höchst unschöne Erscheinungen thematisiert wie reaktionäre und populistische Politik (mein großer Hit der Scheibe: „D-Land“, ich zitiere: „Deutschland, du hast dich abgeschafft!“), Resignation und Zerstrittenheit, destruktive Endlos-Diskussionen sowie „Wochenend-Antifas“ und trendige Mittelklasse-Steinewerfer-Vorstadt-Kids, die nach eineinhalb Jahren ihre rebellische Phase bereits wieder aufgegeben, im Zweifelsfall aber viel verbrannte Erde hinterlassen haben. Gerade in den deutschen Texten gelingt es Valentin, manch sperrig anmutenden Vers akzentuiert auf den Punkt zu bringen, ohne gezwungen oder hektisch zu klingen. Abwechslungsreichtum wird großgeschrieben, schnelle Songs wechseln sich ab mit Midtempo-Melodien, neben gereckten Fäusten klingt auch mal ein wenig Melancholie durch, zwei Offbeat-Stücke stehen gleichberechtigt neben Hardcore-Eruptionen wie dem HATECLUB-Cover „Welcome“, das gesanglich auch gleich von HATECLUB-Ozzy unterstützt wird. Weitere prominente Unterstützung holte man sich in Form von SMEGMA-Michi, der bei „Underdog“ mitträllert. Mit „Down to Earth“ hat man sogar so etwas wie eine Ballade an Bord. Die beiden Gitarren von Sascha und Valentin wurden hervorragend aufeinander abgestimmt, ergänzen sich ideal und zelebrieren erhabene Punkrock-Melodien; die teils mehrstimmigen Refrains und Background-Chöre sorgen für zusätzliche Eingängigkeit, ohne zu „sauber“ oder poppig zu wirken. Aufgenommen, produziert, abgemischt und gemastert wurde das alles von Multitalent Valentin persönlich, der sich auch gleich noch um das (gelungene!) Artwork kümmerte, insofern kann man trotz Label noch immer von einer D.I.Y. (oder D.I.V. – „Do it, Valentin!“)-Nummer sprechen. Alles richtig gemacht, kann ich da nur konstatieren: Mit „Our Best Record So Far“ haben ARRESTED DENIAL ein sehr starkes, eigenständiges Album am Start, das frei jeglichen Bullshits ist, in dem dafür aber spürbar umso mehr Herzblut und Liebe zum Detail steckt, das manchen Hit offenbart und das zudem auch noch astrein klingt – musikalisch wie produktionstechnisch! Hamburg did it again und hat einmal mehr eine geile Band mit viel Potential am Start, das diese auch zu nutzen versteht. Bleibt zu hoffen, dass sie nicht den Weg vieler Hamburger Bands geht und sich auf ihrem vorläufigen und beachteten kreativen Höhepunkt schon wieder auflöst. Erhältlich auf farbigem Vinyl (inkl. Download-Code) und auf CD, wobei man gut daran tat, den unsäglichen Bonus-Track „Walk of Life“ (einer der nervigsten DIRE-STRAITS-Songs) auf die LP zu packen und mir „nur“ die CD auszuhändigen, haha. Diese umfasst 13 Songs in 33 Minuten sowie ein sehr schniekes Booklet, das die meisten Texte in abgedruckter Form enthält. Jüngst gab es übrigens einen Besetzungswechsel – Bassist Thorben verließ die Band, für ihn kam Timo (SMALL TOWN RIOT / HIGHSCHOOL NIGHTMARE). Live durfte ich die Band bereits mehrmals auf mich wirken lassen, da wird dem ernsten Grundton der Scheibe zum Trotz gern einer gesoffen und zünftig Party gemacht – von griesgrämigen Szene-Gralshütern oder spaßfeindlichen Besserpunks also keinerlei Spur! So soll’s sein und ich freu mich schon auf den nächsten Gig. Danke für die geile Platte, Jungs! Nur eines noch: In „Soweit“ heißt es: „Euer Loblied auf die Working Class kann ich nicht ganz verstehen“ – ich weiß zwar nicht, welches „Loblied“ konkret gemeint ist, aber der selbstbewusste Umgang mit der eigenen Klassenzugehörigkeit bedeutet keinesfalls, dass es unglaublich viel Freude bereiten würde, seine Arbeitskraft verkaufen zu müssen, um über das absolute Existenzminimum hinauszukommen, sondern ist ein sich Bewusstmachen der eigenen Lage in der Gesellschaftsordnung und damit der erste Schritt zu einem solidarischen Miteinander sowie der ausgestreckte Mittelfinger in Richtung Oberschicht, deren gewünschten Konkurrenzkämpfen um „sozialen Aufstieg“ im Klassengefüge man sich aus gutem Grunde verweigert. Aber das nur am Rande. 😉
Günni
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