Was ich beim Erwerb für eine weitere Rezensionssammlung hielt – weil, analog zum Vorgänger „Alte Autos und Rock’n’Roll“, mit „Der rasende Rezensent 2“ untertitelt –, entpuppte sich vielmehr als ganz dem Literaturbetrieb gewidmetes Potpourri aus 25 Essays über bzw. Interviews mit Schriftstellerinnen und Schriftstellern sowie einem Musiker, Verleger(innen) und einem Dialogbuchautor/ Synchronregisseur/-sprecher, bisweilen in Form von Homestories: Die Rede ist von „Rumba mit den Rumsäufern“, jener im Jahre 2011 im Oktober-Verlag erschienene Sammlung zuvor mitunter gekürzt in „Zeit online“, „Rolling Stone“ und Konsorten erschienener Texte des Braunschweiger Literaturexperten, Autors und Musikjournalisten Frank Schäfer, dargereicht als rund 230 Seiten umfassendes Taschenbuch.

Nach einem zweiseitigen Vorwort plaudert Schäfer mit Burroughs- und Bukowski-Übersetzer Carl Weissner, lässt er zusammen mit Hans Herbst dessen Reisen Revue passieren, kitzelt er umfangreiche Antworten aus „Katholikenschreck“ Wenzel Storch heraus und lässt er Ralf Rothmann wunderbar verschiedene Schreibertypen beschreiben. Musiker PeterLicht, den „Mann, den niemand kennt“, bringt er den Leserinnen und Lesern näher, führt mit Günter Amendt ein kritisches Gespräch über LSD und amüsiert mit einer genauen Beschreibung der Wohnverhältnisse Ulrich Holbeins. Sein Interview mit Silvia Bovenschen macht neugierig, er besucht Nachwuchsautor Finn-Ole Heinrich auf der Leipziger Buchmesse und führt eine sehr erhellende Konversation mit Benno Käsmayr, dem Chef des Maro-Verlags, der einst Bukowski nach Deutschland brachte und auch schon Schäfer veröffentlichte, über die Entwicklung des Verlags von Beginn an.

Margitt Lehbert liefert einen Eindruck von der Arbeit ihres Lyrik-Nischenverlags Edition Rugerup (inzwischen dann doch auch bei Amazon und Wikipedia gelistet), Peter Kurzeck darf Kritik an der „Gruppe 47“ üben und der 1994 verstorbene Charles Bukowski stand – man lese und staune – Schäfer 2008 noch Rede und Antwort. Schäfer lässt sich von Detlef Kuhlbrodt zeigen, wie man das Leben liest, knöpft sich, wie schon das Goethe-Institut, den Rapper und Slam-Poeten Bas Böttcher vor und weiß, dass es sich auch bei Synchronarbeit für den Film um Literatur handelt, sodass Kult-Synchronautor Rainer Brandt über seine Karriere schwatzen und mit modernem Blockbuster-Kino hadern darf, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Franz Dobler wiederum scheint so einige Parallelen zu Schäfer aufzuweisen.

Schäfers Essays werden zu kleinen Porträts, die Antworten seiner Gesprächspartner(innen) liefern interessante Einblicke in Schreib- und kreative Schaffensprozesse, aber auch in ganz unterschiedliche Biografien, Herangehensweisen und nicht zuletzt Spleens. Manch einer gibt sogar Auskunft über verkaufte Auflagen, was sich als recht aufschlussreich erweist: Heinz Strunks „Fleisch ist mein Gemüse“ sei seinerzeit in die fünfte Auflage gegangen, bisher seien bereits an die 50.000 Exemplare abgesetzt worden. Für Finn-Ole Heinrich bedeutete die siebte Auflage hingegen rund 3.500 verkaufte Exemplare, was sein kleiner Verlag als Erfolg feiert. Wie hoch eine einzelne Auflage jeweils war, lässt sich da leicht ausrechnen.

Von leichten Schwächen im Korrektorat abgesehen, kann ich an „Rumba mit den Rumsäufern“ nichts Falsches finden, im Gegenteil: ein inspirierendes Kleinod, das auch mir als Roman- und Lyrikmuffel (Ausnahmen wie Bukowski oder Strunk bestätigen die Regel) bestens gemundet hat und dafür verantwortlich ist, dass Titel wie Silvia Bovenschens „Schlimmer machen, schlimmer lachen“ oder Günther Ohnemus’ „Zähneputzen in Helsinki“ mein Interesse geweckt haben. Ich würde mir (und ihm) wünschen, jemand würde Schäfer einmal mit einem ähnlichen Interesse interviewen und skizzieren, wie er es hier mit seinem jeweiligen Gegenüber tat. Offenbar hat er bereits 2008 mit „Homestories – Zehn Visiten bei Schriftstellern“ einen thematisch ähnlichen Band veröffentlicht. Diesen habe ich mir nun ebenfalls zugelegt, dazu später mehr.