Günnis Reviews

Monat: Dezember 2024

Horrorschocker Grusel Gigant #1

Ha, mein zweiter Weissblech-Comic! Nach „Derber Trash #1“ natürlich wieder ein Sammelband, diesmal aus der Horrorcomicsparte.  Dieser erschien im Jahre 2016 und vereint auf 148 vollfarbigen Seiten im Softcover und Heftchenformat die Inhalte der ersten fünf „Horror Schocker“-Ausgaben mit Ausnahme der Geschichte „Heimfahrt“ aus der Nummer 4. Hierfür werden nicht näher benannte rechtliche Gründe angegeben. Das ist alles sehr farbenfroh; die jeweilige Panelstruktur wurde individuell den Erzählungen angepasst, hier wirkt nichts in Form gezwängt. Für diesen Band wurden das Lettering überarbeitet und Rechtschreibfehler korrigiert – das ist sehr löblich. Wie im großen Vorbild, den in den 1950ern im US-amerikanischen EC-Verlag erschienenen Horrorcomics, gibt es einen Meta-Erzähler, der in die Geschichten einführt und sie zuweilen kommentiert: den Styx-Fährmann Charon.

Los geht’s mit „Unten am Sumpf“, einer schwer an die alten EC-Sumpfgeschichten erinnernden Geschichte über einen Mörder, der Opfer seiner eigenen Tötungsmethoden wird. Was im darauffolgenden „Winter 1389“ als typische mittelalterliche Anti-
Hexenjäger-Story beginnt, gibt mit einer am Schluss gezogenen kruden Parallele den Christen die Schuld am Ausbruch der Pest – als habe es sich um eine Rache der Hexen an ihnen gehandelt. Da bekanntlich nicht nur Christen unter der Seuche zu leiden hatten, scheint mir dies nicht ganz zu Ende gedacht. Bei „Martin der Entdecker“ handelt es sich um eine Geschichte über Massen- und individuellen Abenteuertourismus, zivilisationskritisch und mit herrlich bösem Ende – hier kriegen alle ihr Fett weg.

„Insektentod“ handelt von einem brutalen Gangsterboss, der von Wespen totgestochen wird, nachdem er eines seines Opfer mittels insektenspray umbrachte, gefolgt von Niniwes Fluch, einer längeren, abenteuerlichen Mär über eine antike Totengöttin mit lebenden Leichen, Skeletten – und einem offenen Ende in der Gegenwart. In ihrem Anschluss findet sich mit „Im Tal des Drachen“ eine etwas unspektakuläre Ritter- und Drachen-Story.

Dafür geht’s mit „Der Bote“, die vom Kampf Mensch gegen Ameise – erzählt aus Sicht einer Ameise! – handelt, umso origineller weiter. „Maria!“ entpuppt sich als cooler Rape’n’Revenge-Fetzer mit einer Werwölfin und „Der Schlächter von Oakwood Manor“ als schwarzhumorige Kurzgeschichte um einen Geisterjäger. „Der Bestatter“ zeigt, wie ein ebensolcher zu einem seltsamen Assistenten gelangt.

„El Dorado“ präsentiert Konquistadoren auf ihrer fatalen Suche nach diesem mythischen Ort, hier siegt – wie so oft in diesen Comics – eine höhere Gerechtigkeit. Wiederum nicht der Fall ist dies in „Gute Nacht Geschichte“, einer Geschmacklosigkeit über Alpträume und Kopfschmerzen als Symptome eines Gehirntumors. Im Anschluss erhält Charon eine kurze Origin-Story.

Das letzte Heft des Sammelbands eröffnet mit „Tauwetter“, einem lakonischen Schocker über ein Mordkomplott in einem vereisten Bergsee. „Flurbereinigung“ thematisiert ein Hünengrab, einen ignoranten Bauern und einen vermeintlichen Fluch, der diesen das Leben kostet. In „Der Kuss der Seejungfrau“ begibt sich ein schiffbrüchiger Abenteurer auf die Suche nach einer ebensolchen und in die „Die Wüste lebt!“ fahndet eine Expedition nach einer neuen Spezies, auf die sie auch trifft, aber niemandem mehr über sie berichten kann…

Als Bonusmaterial erhält man drei Seiten Historie über die Heftreihe und einige Hintergrundinformationen sowie „Der Sturm“, eine Geschichte über den Kapitän eines Sklavenschiffs, der sein Ziel knapp verfehlt.

Die mal noch etwas unbehauenen, mal aber auch sehr filigranen und zum Teil hübsch-morbiden Zeichnungen verschiedener Künstler wissen zu gefallen, die mal sarkastische, mal düster-gruselige, mal moritatische oder makabre Erzählweise überzeugt größtenteils und die überwiegend wirklich guten Texte stechen hervor. Liebloser Schund geht definitiv anders und mit dem hommagenartig an EC angelehnten Konzept rennt man bei mir offene Türen ein – wenngleich sich der spezielle Geist der 1950er-Jahre-Originale natürlich nicht ohne Weiteres kopieren und/oder auf die Neuzeit übertragen lässt. In all den Jahren ist es auch nicht leichter geworden, auf diesem Gebiet originell zu sein, und so fallen diese Geschichten und Geschichtchen denn auch etwas weniger erinnerungswürdig als die Klassiker aus. Unterhaltsam und kurzweilig ist die Lektüre aber allemal!

14.12.2024, Indra Musikclub, Hamburg: COCKHEADS + SMALL TOWN RIOT (und ein bisschen BOLANOW BRAWL)

Mein BOLANOW-BRAWL-Bandkollege Christian wurde 40 und hat die beste Freundin, die er sich nur wünschen kann, organisierte sie doch eine superfette Überraschungsparty für ihn. Sein gesamter, nicht gerade kleiner Freundeskreis war eingeweiht; nur er ahnte von nichts, denn alle hielten dicht. Im eigens angemieteten Indra sollten THE SPARTANICS aus Leipzig und SMALL TOWN RIOT auftreten und wir – inklusive Christian – in neuer Besetzung für zumindest drei Songs erstmals auf der Bühne stehen. Es gab Freigetränke und ein von Sandys und Christians Eltern zubereitetes kaltes Buffet, Luftballons, lustige Fotos Christians, die überall ausgehängt wurden, und eine von unserem ehemaligen Bassisten Keith zusammengestellte, ultralange Playlist (in Ermangelung eines DJs, der ursprünglich auch vorgesehen war). Ein Riesenaufwand für Sandy & Co., der es aber tatsächlich gelang, bis zum Schluss alles geheimzuhalten und sogar Christians Klampfe samt Effektpedalen heimlich ins Indra zu schmuggeln. Erst als er unter einem Vorwand gegen 20:30 Uhr mit sanftem Druck ins Indra geschubst wurde, realisierte er langsam, dass dort eine Party zu seinen Ehren stattfand. Und dass er gleich mit auf die Bühne musste…

Nach mehreren Besetzungswechseln sind wir mit BOLANOW BRAWL nun endlich wieder livefähig. Unser Kurzauftritt wurde die Livepremiere unseres neuen Bassers Urko und unseres noch neueren Leadgitarristen Jogi, wenn auch in geschlossener Gesellschaft. Obwohl sich Christian nicht hatte am Soundcheck beteiligen können, ist es Tonchef Andy gelungen, uns einen amtlichen Sound zurechtzuregeln, und so erklangen nach einer Ewigkeit mal wieder „Tattooed Like Me“, „Two Day Session“ und „Red Lips“ von der Bühne, jeweils eingeleitet von Anekdoten Christians zur Entstehung der Songs. Irgendjemand, dem unsere Antlitze offenbar missfielen, bekam jedoch Zugriff auf die Nebelmaschine und nebelte uns derart ein, dass ich aufpassen musste, wo ich hintrat. Keith, der die Texte zu den beiden letztgenannten Nummern verfasst hatte, sang den Schlusschor bei „Red Lips“ mit, die versammelte Geburtstagsmeute jubelte und applaudierte und Urko + Jogi bewährten sich während ihrer Feuertaufe beanstandungslos. Mit Ole, Keith und Stulle waren alle ehemaligen Bandmitglieder im Publikum. Wat willste mehr? Hat viel Spaß gemacht, wir sind wieder angefixt!

Als nach nur kurzer Umbaupause die Streetpunk’n’Roller SMALL TOWN RIOT die Bühne betraten, musste Andy als zweiter Gitarrist der Band selbst ran, weshalb Bommy von den STUMBLING BOI!S das Mischpult übernahm. SMALL TOWN RIOT, eine alte Lieblingsband Christians (und meiner Wenigkeit), macht sich schon lange rar und spielt nur noch alle Jubeljahre mal zu ausgewählten Anlässen, ohne neue Songs zu komponieren oder gar Platten herauszubringen. Einer der Gründe sind familiäre Verpflichtungen der Bandmitglieder, weshalb bereits die Zeit für gemeinsame Proben schwierig zu finden ist – so auch im Vorfeld dieses Auftritts. Umso schöner, dass es trotzdem geklappt hat! Noch am selben Tag wurde gemeinsam ‘ne Handvoll Songs geprobt, anschließend ging’s ins Indra. Elf Songs gab man zum Besten, darunter unwiderstehliche Ohrwürmer wie der Opener „Addicted to Authority“, „Working Class Family“ und „Cheers & Goodbye“, Nachdenkliches wie „Living Hell“ und „Cemetery Hall“, Romantisches wie die „Love Song Trilogy“ oder „It’s True“ und Partykracher wie „Suicidal Lifestyle“ und „Timmy“. Trotz Fluppe im Mundwinkel und Bierkanne am Hals ist Leadsänger Norman nach wie vor bestens bei Stimme, gerade auch in den höheren Registern, und die Melodien sitzen wie ‘ne Eins. Lehmann trommelt sich lässig durchs Set, Timo ist als zweiter Sänger für die rauere Stimmlage zuständig und zockt den Bass dazu, während Andy per zweiter Klampfe für einen schön satten Sound sorgt und sich an den melodischen Backgroundchören beteiligt. Bis auf den Umstand, dass die „Jungs“ (von Andy abgesehen) etwas älter als in ihrer Blütezeit aussahen und Norman sein Haupthaar wallen ließ, statt es streng zurückzukämmen, war es überwiegend so, wie man die Band in Erinnerung hatte – verlernt wurde da jedenfalls nix und wenn hier und da mal ein bisschen Routine flötengeht, macht’s das nur charmanter. Für ‘ne Zugabe fehlte dann aber doch die Kondition. Macht nichts, soll ja nicht in Arbeit ausarten!

Apropos Puste: Bei einem der Luftballons handelte es sich um ein überlebensgroßes Bierglas, das sich stets aufrechthielt und dazu neigte, ein Stück über dem Fußboden zu schweben. Das Teil bot einen echten Mehrwert an Spaß, eignete es sich doch als Tanzpartner ebenso wie für alberne Fotos und landete immer wieder auf der Bühne, wo es sich zwischen der Band gemütlich machte. Konzerte ab sofort bitte nie mehr ohne!

Die Streetpunks SPARTANICS hatten leider krankheitsbedingt kurzfristig absagen müssen, zwei Drittel des Trios reisten als minimalistisch auftretende COCKHEADS trotzdem an. Jene Zweitband der beiden kannte ich bis dato gar nicht, wodurch mir astreiner deutschsprachiger, schnörkelloser ’77-Punk mit Anleihen bei den SHOCKS und Konsorten entgangen war. Die oft hektischen, kurzen Songs kamen ohne Bass aus, dafür perfekt auf den Punkt, gingen gut ins Bein und waren ein erstklassiger Abschluss des Liveprogramms, der noch mal richtig Laune machte. Wer auf einen solchen Sound steht, sollte die unbedingt mal anchecken! Spätestens jetzt fiel auf, dass die Hamburger Trinker/Songwriter-Legende ANTOINE DE LA KACQUE, die eigentlich für wenigstens einen Song noch auf die Bühne hätte sollen, bisher sträflich vernachlässigt worden und mittlerweile gar nicht mehr zugegen war. Sorry!

Alles in allem eine unvergessliche Party, doch wer sich an alles erinnern kann, war nicht dabei… Danke an Sandy und ihre heldinnenhafte Organisation, an alle Helferinnen und Helfer, ans Indra-Team, an die Bands, an meine Liebste für die Schnappschüsse unseres Auftritts und speziell an Andy: Der gute Mann war mein Indra-Ansprechpartner im Vorfeld und kümmerte sich nicht nur um den Sound, sondern zockte zwischendurch noch ‘nen Gig, sorgte dafür, dass jedes Kabel richtig steckte, schraubte in aller Seelenruhe auf der Leiter an den P.A.-Boxen herum und behielt bei allem Trubel um ihn herum stets Überblick und Contenance.

Ey Christian, volle Punktzahl, gerne wieder!

Der beste Horror aller Zeiten

Von 1972 bis 1984 – also mit mehreren Dekaden Verspätung – erschienen die kultigen, dieses Genre begründenden E.C.-Horrorgeschichten in Heftform auch beim deutschen Ableger, dem Williams-Verlag. Dieser veröffentlichte bereits im Jahre 1973 ferner einen groß- bzw. überformatigen, 128-seitigen Sonderband mit dem Titel „Der beste Horror aller Zeiten“. Ein Teil der enthaltenen Geschichten ist noch schwarzweiß gedruckt.

Das Vorwort liefert dem interessierten Publikum einen historischen Abriss, die erste Geschichte „Auge um Auge“ ist dann in einer Postapokalypse auf der von Monstern beherrschten Erde angesiedelt – in der für die Monster die letzten Menschen die eigentlichen Monster sind. Da kaum mit Sprechblasen gearbeitet wird, handelt es sich mehr um eine betextete Bildergeschichte. Von nun an wird jeweils das Cover des Originalhefts abgebildet, das mit Angabe des Erstveröffentlichungsdatums sowie einer kurzen Einführung zum Zeichner und dessen Stil einhergeht. „Wüstentod“ um einen entflohenen Schwerverbrecher, der es mit einem hungrigen Geier in der Wüste zu tun bekommt, ist mir als „Der Aasgeier“ aus der „Geschichten aus der Gruft“-Fernsehserie bekannt. Mit „Verlies des Terrors“ folgt eine makabre Story über Lebensmittelrationierung im Krieg, die immer wieder vom Crypt Keeper kommentiert wird, aus dem man im Deutschen den „Fleischwolf“ machte. Auf ein ganzseitiges Künstlerporträt Jack Davis‘ folgt die bitterböse Romanze „Im Morgengrauen“ und mit „Schöner Traum“ eine nicht minder böse, in China spielende Geschichte über einen opiumsüchtigen Familienvater, der vom Tod Angehöriger träumt, welcher dann eintritt.

Weiter geht’s mit der modernen Vampirgeschichte „Mitternachts-Genuss“ und der deftigen Story „Treibsandtriebe“ über einen zurückgebliebenen Serienmörder, die gar zu Bodyhorror mutiert. „Ein Weltraumleben“ hingegen entpuppt sich als abgefahrene Garten-Eden-Variation im Science-Fiction-Gewand. Das nächste Künstlerporträt ist Al Williamson gewidmet; und die darauffolgende Geschichte „Treibjagd“ um eine Frau, die scheinbar mehrfach nacheinander auf grausamste Weise ermordet wird, spielt gekonnt mit dem Surrealismus. Auch Johnny Craig erhält ein Künstlerporträt, bevor „Im Sumpf“ von einem kannibalischen Einsiedler handelt, der sich zwischen Sumpf und Treibsand eine Hütte gebaut hat – erzählt von seiner Hütte! Einer der Höhepunkte ist zweifelsohne „Herrenrasse“, eine hervorragend gemachte Geschichte um einen KZ-Überlebenden, die zehn Jahre nach dessen Befreiung in den USA spielt, wo er einem ehemaligen KZ-Kommandanten begegnet – mit überraschender Wendung.

Melodramatisch wird’s in „Knopfaugen blicken dich an“, einer Weihnachtsgeschichte um einen blinden Jungen mit ebenso genialem wie krudem Ausgang. Graham Ingels wird porträtiert und die „Friedhofsnacht“, eine bizarre Story über den Leiter einer Irrenanstalt, dem die Bewohner ans Leder wollen, bekommt eigenartigerweise Titelblatt und Einführung erst hintenangestellt. Die Geschichte arbeitet mit schönen Point-of-View-Perspektivzeichnungen und einer interessanten Lebendig-begraben-Variation. „Gerettet“ ist eine Kreuzung aus Science-Fiction und Vampirhorror, und die letzte Geschichte greift bereits der nach der US-Zensur der E.C.-Comics etablierten Satirezeitschrift „Mad“ vorweg: Herrlich selbstironisch erklimmt man die Meta-Ebene und lässt Jack Kamens von seiner Arbeit für E.C. berichten.

Die orthographischen und grammatikalischen Fehler dieser deutschen Sonderausgabe (Beispiele: „Vampiere“, „viel“ statt „fiel“, „Sagen-Sagengestalten“, „hount“ statt „haunt“) lassen die Geschichten schundiger erscheinen als sie sind. Was sich da in flexibler, aber meist aufgeräumter, klarer Panelstruktur abspielt, ist nichts Geringeres als höchst verdienstvolle Comicgeschichte, deren pop- und subkultureller Einfluss gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann – und die mit ihrem Stil, ihrer Erzählweise und ihrer moritatischen, häufig schwarzhumorigen Moral auch aus heutiger Perspektive noch immer sehr unterhaltsam ist. Ob dieser Sonderband tatsächlich die besten E.C.-Horrorgeschichten enthält, sei aber einmal dahingestellt.

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