Günnis Reviews

Kategorie: Tonträger G

DIE GEFAHR – HIER KOMMT HAMBURG CD

(www.diegefahr.com)

Oh je, eine Fußball-CD, und dann auch noch über den HSV. 14 Songs und eine knappe Dreiviertelstunde lang besingt DIE GEFAHR ihren Lieblingsclub und ihre Heimatstadt, ohne dass auch nur einmal kritische Töne, außer natürlich gegen andere, laut würden. Das war vermutlich auch nicht Sinn dieses Konzeptalbums, hier gibt es einfach nur ein Thema und das wird wenig variiert. Absoluter Tiefpunkt ist der stumpfe Anti-Werder-Bremen-Song und ebenfalls aus der alleruntersten Schublade stammt „Täglich beten“, ein Song, in dem der FC St. Pauli auf Steine werfende, zündelnde, am Fußball desinteressierte Möchtegern-Revoluzzer reduziert wird. Wow, da ist ja selbst „Bild“ differenzierter! Das wäre so ähnlich, als würde man den HSV auf dümmliche Asis und Halbfaschos reduzieren, die besoffen und pöbelnd durch die Straßen laufen und mit allem, was optisch nicht in ihr spießbürgerliches Weltbild passt, Streit suchen. Wer sich einmal eine Hamburg’sche Hochhaussiedlung angeschaut wird, wird wohl auch kaum unterschreiben, dass es im Süden so trist wäre, wie in „Arroganz Arena“ beschrieben. Ein Anti-FC-Bayern-Song: ok; aber daraus gleich ein fragwürdiges Lied gegen eine ganze Region zu machen, ist einmal mehr diese typische Hamburger Arroganz (und das sag ich als Quasi-Hamburger). Unreflektiertes, eingebildetes Hamburg-Abgefeiere geht mir ohnehin schon länger auf den Sack. Musikalisch ist das alles gar nicht so verkehrt, hymnischer Mid-Tempo-Punkrock, der oftmals so in die grobe Richtung TOTE HOSEN o.ä. tendiert, kompetent gespielt und mit einem gewissen Gespür für Melodie. Apropos DIE TOTEN HOSEN: Eigentlich wollte man deren „Hier kommt Alex“ für diese Scheibe auf „Hier kommt Hamburg“ umtexten, in einem ihrer wenigen lichten Momente untersagten die HOSEN dieses Vorhaben jedoch. So kam es, dass eine bemüht originalgetreue „Hier kommt Alex“-Version mit Originaltext auf der CD landete, während im Booklet der ursprünglich geplante Text abgedruckt wurde. Zur gelungenen musikalischen Untermalung stellt der klare, hin und wieder angeraute Gesang leider den Kontrastpunkt dar, denn der klingt häufig leierig und schief. Im Booklet wurden einige der Texte abgedruckt, paar Grußworte und Fotos finden sich dort ebenfalls. Ich als jemand, der mit dem HSV nicht allzu viel anfangen kann, habe mich wirklich um eine halbwegs objektive Betrachtungsweise bemüht, aber das hier ist trotzdem einfach eine Scheißplatte. Günni

GOTTKAISER – KRIEG UND FRIEDEN CD

(www.sunnybastards.de) / (www.gottkaiser.info)

So sehr mich das vor knapp zwei Jahren erschienene Debüt der Hamburger auch positiv überraschte, mit dem mir hier nun vorliegendem Nachfolger werde ich einfach nicht so richtig warm. Während der Erstling musikalisch noch ganz ordentlich Arsch trat und vor allem durch seine tolle Gitarrenarbeit bestach, die Melodien hervorbrachte, die mich mit der Zunge schnalzen ließen, verfiel man hier zunehmend in Schnarchpunk, wie er heutzutage zuhauf von irgendwelchen Studentencombos dargeboten wird, die Melancholie mit Langeweile verwechseln. Sorry, aber diese Platte will einfach nicht zünden – obwohl man ihr zugute halten muss, dass sie textlich mit ihren häufig aus der Ich-Perspektive eines neurotischen Zivilisationsgeschädigten erzählten kleinen Geschichten von verklausuliertem Emo-Punk noch immer weit entfernt ist. Mir fehlt hier das entscheidende Etwas, das die erste Platte so erfrischend und eigenständig machte. Lichtblicke sind da Songs wie „Immer schon“ oder „Bootcamp“, derer es aber zu wenig auf diesem Werk gibt. Schade. Wer den Erstling mochte und musikalisch vielleicht einen weniger „harten“ Background als ich hat, sollte aber trotzdem mal ein Ohr riskieren. Die optische Aufmachung ist hingegen wieder große Klasse: Digipak mit dickem Booklet mit allen Texten und ansprechender Gestaltung. Zwölf Songs in 44 Minuten. 4. Günni

ALI GATOR & HIS REAL HOT REPTILE ROCKERS – MOTORCYCLE BOUND CD

(Crazy Love / Cargo Distribution)

Lo-Fi-Oldschool-Rock’n’Roll/-abilly von RAY COLLINS (HOT CLUB), der sich hier unter einem Pseudonym austobt. Absolut authentischer Sound, könnte direkt so aus den 50ern stammen. Tatsächlich haben diese Aufnahmen aber nur zwischen einem und 13 Jahren auf dem Buckel. Tollenträger und Retro-Freaks werden in ihrem Element sein und auch ich kann mich einer gewissen Faszination nicht verwehren – wenn ich es auch nicht wirklich bewerten kann, da völlig außer Konkurrenz. Schade, dass die Gestaltung des Albums so gut wie nix hermacht (kein richtiges Booklet etc.). 14 Songs in 34 Minuten. Anspieltipp: “Aligator”. Günni

GLEICHLAUFSCHWANKUNG – PUNK VERSTEHEN KEINEN SPASS!!! CD

(Saalepower Records, www.gleichlaufschwankung.de)

Ah ja, nochmal das bekannte GLEICHLAUFSCHWANKUNG-Album auf CD. Gab’s das vorher nur auf LP? Keine Ahnung. Wer die Band noch nicht kennt: Ossi-Punk ohne sonderlich musikalisches Talent, aber auch ohne sich für irgendwas zu schämen, dafür mit grenzgenialen Texten, ungewöhnlichen Instrumenten (Orgel), Gastmusikern wie TURBOLOVER und SAMENHÄNDLER und ganz viel Spaß inne Backen. Liebevoll zusammengestellt mit Kult-Zitaten und hassenichgesehn. Liebt man oder hasst man! 22 Songs in 55 Minuten. 1. Günni

THE GEE-STRINGS – A BUNCH OF THUGS CD

(www.dead-beat-records.de) / (www.geestrings.de)

Die GEE STRINGS knallen einem wieder elf 77-Punk-Bonbons um die Ohren, bei denen garantiert niemand still sitzen bleiben kann. Fette Gitarrenbretter, geile Melodien und hoher, rotziger Gesang. Alles irgendwo zwischen BLANKS 77 und DISTRICT. Eine der besten Bands in diesem Bereich – nicht nur innerhalb Deutschlands. 1-2-3-4 Pogo!!! Elf Songs in gerade mal 28 Minuten, aber danach kann auch erstmal keiner mehr. 2. Günni

GARRETTI – PRIMA CHE SI SPENGA LA LUCE CD

(www.antstreet.de) / (www.garretti.it)

Poppiger „Melodicore“ oder sowas mit Emo-Gesang, komplett auf italienisch und so gar nicht weltmeisterlich. Das höre ich mir nicht mal zum Einschlafen an. Um einen geschätzten (gelben) Kritiker-Kollegen zu zitieren: „Laaangweilig!“ 5. Günni

GOTTKAISER – S/T CD

(www.sunnybastards.de) / (www.gottkaiser.info)

Neue Hamburger Band mit Leuten von COMBAT SHOCK, …BUT ALIVE, EMILS und und und…. dieses Name-Dropping haben sie aber nicht nötig. Sie klingen weder nach KAREL GOTT, noch nach ROLAND KAISER – und auch nach keiner Fortsetzung einer der o.g. Bands. Hier gibt’s druckvollen, sehr melodischen, oftmals recht fixen Punkrock, ohne ins Kitschige abzugleiten; emotionale, persönliche Texte, ohne in „Hamburger Schule“- oder Emo-Gejammere auszubrechen und eine saubere Produktion mit cleanem, deutlichem Gesang (von ex-COMBAT SHOCKer Fred), die den Songs aber keinerlei Energie oder Authentizität raubt. Die fast ausschließlich in der Ich-Perspektive geschrieben Songs handeln oft von menschlichen Unzulänglichkeiten, persönlichen Erfahrungen und Beobachtungen, die dadurch, dass man nicht mit dem Finger auf andere zeigt, ehrlich und unaufdringlich wirken. Wie hier stellenweise mit der deutschen Sprache gearbeitet wird, ist meilenweit entfernt von erzwungenen Reimen oder pseudointellektuellem Phrasengedresche und man beweist auch Sinn für zynischen Humor: „Erst spät hast du verstanden: Du bist ein Leogostein. Ich bau dich nach Belieben in mein Ego ein. Kaum eine Stunde später, beladen mit Gepäck, hast du mir eröffnet, statt hin seiest du nun weg.“ Ohne Ausfall laufen die abwechslungsreichen 15 Songs durch und hinterlassen einen durchweg guten Eindruck. Gerade die Gitarrenarbeit erinnert bisweilen dann doch an …BUT ALIVE zu ihren besten Zeiten. Aufmerksam auf die Band wurde ich übrigens durch Konzerte in kleinen Läden, wo man gute Shows lieferte und anscheinend Spaß daran hatte, nochmal „ganz unten“ anzufangen. Eine verdammt gute Scheibe und sympathische Band, die aber sicherlich nicht jedem auf Anhieb gefallen wird. 2. Günni

GUTS ’N’ GLORY – DESTINATION NOWHERE CD

(www.guts-n-glory.net) / (www.halb7records.de)

Yeah, klassischer, rauher Mid-Tempo-Oi!-Sound britischer Prägung aus Hannover. Gut-, aber nicht überproduziert, dreckiger Gesang, fette Refrains und Chöre und Melodien, von denen einige nach zwei- bis dreimaligem Hören gut hängenbleiben. Besonders der Titelsong ist ein Hit! Die Fünf Skinheads an den Instrumenten bzw. dem Mikro sind anscheinend nicht mehr die Jüngsten, was sich auch textlich widerspiegelt. Man spielt(e) auch schon bei Bands wie SOULS ON FIRE, MIOZÄN, SANITYS DAWN, MELONES (RAMONES-Coverband) oder KONSUMSCHADEN, so dass man über einen beachtlichen musikalischen Horizont verfügt und anscheinend nicht viel von Scheuklappen hält. Die (durchgehend englischen) Texte gefallen mir richtig gut. Man erklärt mehr als einmal auf unpeinliche und mutmachende Weise, dass man sich auch im mittleren Alter noch mit der Szene identifiziert und auch nicht vorhat, das zu ändern, ohne dabei altklug zu wirken. Darüber hinaus verarbeitet man Erfahrungen aus dem täglichen (Klassen)kampf ums Überleben und Zwischenmenschliches. Nicht unerwähnt bleiben sollen auch die klaren, phrasen- und klischeefreien Absagen an Penner“punks“ und rassistische Arschlöcher. Schönes Booklet mit vielen Fotos und allen Texten, 14 Songs in 43 Minuten. Vinyl soll im September folgen. Würde ich gern mal live sehen – glatte 2! Günni

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