Günnis Reviews

Kategorie: Tonträger I/J

JUNGE RÖEMER – DEKUBITUS PROPHYLAXE CD

(www.myspace.com/jungeroemeronline)

Von den österreichischen JUNGEn RÖEMERn mit der eigenartigen Schreibweise hatte ich bislang nur dann und wann was in Fanzines gelesen, wurde darüber hinaus aber nie mit ihnen konfrontiert. Diese musikalische Bildungslücke kann nun auch geschlossen werden, da mir der neue Tonträger der drei Jungs vorliegt. Gespielt wird ziemlich punkiger Streetrock, der sehr gut, aber nicht überproduziert wurde. Musikalisch ist das eigentlich ganz lecker, einige Refrains sind verdammt gelungen und ohrwurmtauglich und die angenehme Stimme des Sängers verfügt über Wiedererkennungswert. Textlich ist das aber alles ziemlich ernst und humorlos ausgefallen. Man versucht, poetisch zu klingen, stolpert mitunter aber ganz schön durch die Sprache. Inhaltlich gibt man sich gesellschafts- und systemkritisch, aber auch persönlich und nachdenklich. Ich weiß nicht, über wie viele Platten man genau das schreiben kann, aber so ist’s nun mal. Gewisse Allgemeinplätze hängen aber auch selbst mir Pathoserprobtem langsam aber sicher irgendwie zum Hals raus, solange sie sich nicht durch irgendwelche Besonderheiten von der Masse abheben. Ok, man merkt den nicht mehr ganz JUNGEn RÖEMERn schon an, dass sie sich Mühe gegeben haben, was sich allein schon an der Länge so manchen Textes bemerkbar macht – trotzdem setzen diese sich nicht wirklich fest und rauschen bei vielen Songs eher an mir vorbei. Am prägnantesten ist da sicherlich „Justitia“, ein Song, der zur Lynchjustiz an Sexualstraftätern aufruft. Je mehr so ein Song danach klingt, nicht wütend aus dem Bauch, sondern berechnend aus dem Kopf heraus zu kommen, desto skeptischer macht mich so etwas. Mit seinem musikalisch genialen Refrain ist „Justitia“ aber dennoch mein Highlight des Albums – so widersprüchlich das jetzt auch klingen mag. Ebenfalls sehr gelungen, wenn auch etwas poppig (hab ich da ein Keyboard rausgehört?) klingt „Wie früher“ und mit „Schlafe, wenn du tot bist“ gibt’s dann auch noch einen Text, der mir wirklich gut gefällt. Das Digipak im „Stempelcover“-Look ist sehr schlicht geraten und im Booklet sind alle Texte inkl. leider vieler Rechtschreibfehler abgedruckt. Elf Songs in 39 Minuten. 3. Günni

JOE COFFEE – WHEN THE FABRIC DON’T FIT THE FRAME CD

(www.iscreamrecords.com) / (www.joecoffee.net)

Paul Shearer von BEER TERROR (oder so) zeichnet sich für diese Band verantwortlich, die er im Jahre 2000 gründete, 2004 das (mir unbekannte) Debüt-Album „As Bright As the Stars We’re Under“ veröffentlichte und drei Jahre später auf eigene Faust diesen Nachfolger präsentierte, der nun mit neuem Artwork auf I SCREAM wiederveröffentlicht wurde. NYHC gibt’s hier nicht auf die Ohren, stattdessen eine wilde Mixtur aus Streetpunk/-rock, Schweinrock und sogar souligen bis poppigen Anklängen, stets vorgetragen von Bearers derbem Organ und mit ganz viel Street-Credibility. Klingt interessant? Ist es auch. Hat sowas schön abgefucktes und ist trotzdem eingängig und auf seine Art geradlinig. Die Texte wirken mitunter ziemlich bluesig und handeln vom Überlebenskampf in der Gesellschaft, vom Scheitern und Verzweifeln, aber auch von Sehnsucht, Liebe und Sex. Die Platte wurde mit ausreichend Wumms produziert und macht nicht nur durch ihr Abwechslungsreichtum Laune. Wer beispielsweise auf MIKE NESS’ Solo-Zeugs steht, oder auch auf BRUCE SPRINGSTEEN (sorry, bessere Vergleiche fallen mir grad nicht ein), sollte ruhig mal JOE COFFEE antesten! Gecovert wird auch, und zwar die SMALL FACES mit „Get Yourself Together“. Das Booklet enthält Songtexte und ein paar persönliche Wort zum Song „I Don’t Want This No More“, der von Drogenmissbrauch bzw. -abhängigkeit handelt. Elf Songs in 33 Minuten, Anspieltipp: „Don’t Call Her A ‚Bitch’“. 2. Günni

JOHNNIE ROOK – RABATZ CD

(www.ruegencore-records.de) / (www.johnnierook.de)

Aus Berlin kommt die fünfköpfige Combo JOHNNIE ROOK, die seit 2003 existiert und mit diesem Output bereits ihr drittes Album veröffentlicht, wobei “Rabatz” das erste ist, das ich zu hören bekomme. Als allererstes fällt mir da der ungewöhnliche Frauengesang von Frontfrau Franziska auf, der man ihre Gesangsausbildung sofort anhört: Hier wird richtig gesungen statt gekeift, gerotzt und gegrölt, was für eine Punkband nun ja nicht unbedingt Usus ist. Fast ebenso außergewöhnlich ist die abwechslungsreiche Mucke, deren filigrane Gitarrenarbeit nicht selten dem melodischen Metal-Bereich entlehnt zu sein scheint und dadurch gut zum professionellen Gesang passt, wodurch sich eine häufig pathetische Symbiose ergibt, die man entweder mag oder eben nicht und die hin und wieder die Grenze zum Schwülstigen kratzt, insbesondere bei den Liebesliedern oder auch beim selbstverliebten „Ikarus beim Klassentreffen“. Welchen Bezug die Songtitel zu den Texten haben, kann man manchmal allenfalls erahnen, aber das gehört wohl zum „Anspruch“, den die Band sich selbst attestiert. Die Produktion jedenfalls ist überaus gelungen, die Melodien sind klasse, das Schlagzeugspiel superschnell und zum Abwechslungsreichtum tragen die satten Chöre ebenso zusätzlich bei wie die gelegentlichen Offbeat-Einlagen und der mehrsprachige (deutsch/englisch) bzw. Wechsel-Gesang (weiblich/männlich). Bei „Gegen den Horizont“ holte man sich übrigens Wick von den BAMBIX als Gastsängerin hinzu. Schade, dass ich zur Aufmachung rein gar nichts sagen kann, da man mir nur eine Vorab-CD ohne jegliches Artwork zuschickte… 13 Songs in 40 Minuten. 2-3. Günni

INCOMING LEERGUT – ALCOHOLIDAYS CD

(www.rilrec.de) / (www.myspace.com/incomingleergut)

Ein Haufen junger Krefelder spielt hier Melodicore/Skate-Punk mit teilweise recht albernen deutschen und englischen Texten (alle nachzulesen im Booklet) und gibt sich ein Alkoholiker-Image, das ich ihm allerdings nicht so recht abnehme. So ackert man sich durch 19 Songs, von denen einige wirklich klargehen, andere aber eher Füllmaterial darstellen und nicht wirklich hängen bleiben. Der Gesang ist klar und melodisch und am Ende darf auch noch mal ’ne Dame ans Mikro. Für Fans von SATANIC SURFERS und Co., würd ich mal behaupten. Wer auf diese Richtung abfährt, sollte ruhig mal ein Ohr riskieren. Aber, sagt mal: Waren alle coolen Bandnamen tatsächlich schon vergeben? 46 Minuten Spielzeit, Anspieltipp: „Saufblockade“. 3. Günni

I WALK THE LINE – BLACK WAVE RISING LP/CD

(www.rookierecords.de) / (www.iwalktheline.org)

Englischsprachigen Punkrock mit synthesizerbedingt teils überdeutlichen New-/Dark-Wave-Einflüssen aus Helsinki, Finnland kredenzen uns hier die Kölner von Rookie Records. Der Bastard kann durchaus als gelungen bezeichnet werden: Der klare Gesang kommt kräftig, die Melodien können reichlich Wiedererkennungswert aufweisen und die Mucke tritt trotz Gruftie-Kante ordentlich Arsch. Klingt für mich nach ’ner Mischung aus CHURCH OF CONFIDENCE und SHOCK THERAPY, um mal andere Vergleiche als die im Labelinfo genannten „CLASH meets MURDER CITY DEVILS“ oder „SOCIAL DISTORTION trifft ROCKET FROM THE CRYPT“ zu bemühen. 😉 Mir gefällt’s im Großen und Ganzen ganz gut, auch wenn es für meinen Geschmack bei den Wave-lastigeren Songs gerne noch ’ne Ecke finnisch-melancholischer hätte ausfallen dürfen. So ist der eine oder andere Song dann doch näher am Pop als am Dark Wave. Dazu passt auch die Cover-Version „The Metro“ der 80er-Pop-/Wave-Gruppe BERLIN… Zur Aufmachung sag ich nix, da ich nur ’ne Promo im Pappschuber hab. Elf Songs in 44 Minuten, Anspieltipp: “Words Like Knives”. 3. Günni

JOHNNY JOKER & THE TWILIGHT KIDS – SOMEWHERE FAR AWAY CD

(www.crazyloverecords.de) / (www.johnnyjoker.de)

Moderne ’billy-Mucke irgendwo zwischen Psychobilly und Rock’n’Roll bieten J.J. und seine zwielichtigen Kinder feil. Eher locker, poppig und beschwingt denn evil oder krampfhaft auf oldschool getrimmt. Kann man sich mal reintun, ist mir persönlich auf Dauer aber zu zahnlos. Einige Songs können aber durchaus wat, z.B. „Sin City Sinners“, bei dem der Sänger mehr mit seiner Stimme variiert.. Ist im Endeffekt wieder eine dieser Platten, die ich a) weder verreißen noch in den Himmel loben und über die ich b) nicht allzuviel schreiben und deshalb letztendlich nur den Tipp geben kann, dass, wer ein Faible für so’ne Mucke hat, am besten mal selbst reinhört und sich ein eigenes Bild macht. 13 englischsprachige Songs in 34 Minuten, Anspieltipp: „Rambling Days“. Leider etwas dürftige Aufmachung ohne Abdruck der Songtexte. 3. Günni

EIGHT BALLS / SMALL TOWN RIOT / THE DETECTORS / JESUS SKINS – LET THE BOMBS FALL… Split-LP/-CD

(www.true-rebel-records.de)

Vierer-Split-Album norddeutscher Bands, die alle aus Hamburg und/oder Umgebung kommen. Geile Idee, wie ich finde, da bietet sich sowas doch mal an. Wenn’s nach mir ginge, würd’s ohnehin viel mehr solcher Scheiben geben; allein schon, weil sich dadurch die perfekte Möglichkeit bietet, etwas unbekanntere Bands durch größere Namen zu pushen und zu Popularität zu verhelfen und nicht zuletzt auch den Horizont des Konsumenten hinsichtlich interessanter Bands oder etwas abweichender Stilrichtungen zu erweitern. Um es gleich vorweg zu nehmen: Diese Platte tritt Arsch!
EIGHT BALLS: Vier neue Kracher der Hamburger Oi!-Entdeckung, endlich neuer Stoff nach dem zurecht abgefeierten Debüt-Album. „Das Germania-Haus brennt“ ist eine Kampfansage an Nazi-Geschmeiß in Form von Studenten-Burschenschaften, in „Musikindustrie“ wird zum Boykott von Kotzkrampf verursachenden Musikrichtungen wie R’n’B, RAC und Dance aufgerufen, „Proud Of Myself“ geht musikalisch Richtung JEWDRIVER 😉 und „Kings Of Asi“ ist jetzt schon die Proll-Asi-Hymne des Jahres. Alles schön dreckig gesungen und produziert, jeder Song ein Hit! Glatte 1.
SMALL TOWN RIOT: Vier extrem melodische Streetpunk-Songs inkl. von einem Profi-Chor eingesungenem Intro. Natürlich kann ich da nur schwerlich objektiv sein, da ich den Werdegang der Band schon seit dem ersten Demo verfolge und die Bandmitglieder zu meinem Freundeskreis zähle. Ist aber scheißegal, da es hier nix zu meckern gibt. Die englischen Songs über’s Arbeiten, Leute, die immer den Weg des geringsten Widerstandes gehen, die alten Zeiten als Jungpunks und das Festhalten und Leben seiner Träume bis in die Gegenwart haben Hit- und Ohrwurmcharakter, bieten allein schon durch die drei verschiedenen Sänger Abwechslung und können voll überzeugen. Verglichen mit der letzten „Skulls & Stripes“-EP sind die Songs zwar etwas poppiger geraten, durch ihre Credibility aber meilenweit von konturlosem Pop-Punk entfernt. 2
JESUS SKINS: Wie die drei Könige bringen uns die Hamburger Missionare drei Botschaften vom Jüngsten Gericht, Gottes Stadion („…im Leben nach dem Tod, da ist Hooligan’s Heaven und kein Stadionverbot“) und Boykotts und Sabotagen gegen die Band. Mit letztem Song wird übrigens ein gewisser Knastbruder gegrüßt, für den ich bzgl. Himmel und so aber schwarz sehe. Oi! Oi! Amen! 2
THE DETECTORS: Überraschung! Bis zur Record-Release-Party war mir diese Band gänzlich unbekannt – völlig unverständlich, denn hier gibt’s vier mal flotten, geradlinigen, treibenden Streetpunk mit „snotty“ Gesang auf die schmalzigen Hörorgane, wie sie Bands á la VOICE OF A GENERATION, BOMBSHELL ROCKS und wie sie alle heißen auch nicht besser hinbekommen. Textlich dreht es sich um Aggressionen, Kritik an unserer verlausten Gesellschaft und der Suche nach Freiräumen und Ventilen innerhalb dieser. Wer bei dieser Mucke still sitzen bleiben kann, sollte sich mal auf eine Ganzkörperlähmung untersuchen lassen. Von dieser Band wird man noch was hören! 2
Ausgestattet wurde die CD mit einem Booklet mit allen Texten (über die man aber mal einen Lektor hätte schauen lassen sollen…) und vielen Fotos sowie drei Bonus-Videos (2x SMALL TOWN RIOT – „Madness“ und „Cheers & Goodbuye“, 1x EIGHT BALLS – „Asi-Skins United“).
Die LP kommt mit Textblatt, ’nem Poster (auf dem mir aber bischn viel Werbung enthalten ist…) und zwei Bonustracks: SMALL TOWN RIOT – Madness (auf CD nur als Video enthalten) und EIGHT BALLS – Hamburger Jungs (Akustik-Version; der Song vom 1. Album mit neuem, auf den Hamburger Fußball bezogenem Text – und zwar auf JEDEN Verein. DAS nenne ich mal Unity, haha.)
Ist insgesamt also eine echt geile, abwechslungsreiche, aber trotzdem – nicht zuletzt wegen des hohen Qualitätsstandards JEDER Band – homogen wirkende Platte geworden. Glückwunsch an Bands und Label! Günni

JUNK PILE – EINEN VIERTELTON UNTERM A CD

(www.junkpile.de) / (www.myspace.com/junkpileband)

Sechs englischsprachige Songs umfassende Mini-CD (25 Min. Laufzeit) einer Münchener Band, die ihren Stil als Prog-Punk-Rock klassifiziert. Das bedeutet: Melodicore wechselt sich mit langsamen, experimentellen Parts ab. Nee, danke. Wer was für sowas übrig hat, kann ja mal reinhören. Aufnahmequalität etc. gehen in Ordnung und die Aufmachung mit farbigem Booklet mit allen Texten stimmt auch soweit. 4. Günni

JETSET RADIO – FROM ASHES TO LIFE LP

(www.wandarecords.de) / (www.jetset-radio.com)

Kamikaze-Records haute letztes Jahr die CD-Version raus, Wanda zieht nun nach mit schwarzem Gold und edler Klappcover-Aufmachung. Aus Kronach (woher??) versucht man den geneigten Hörer mit poppigen Punkrock-Klängen zu becircen. Ist alles ziemlich druckvoll produziert, aber der Funke will nicht so recht auf mich überspringen. Der Gesang ist mir zu ausdruckslos und wird, statt mal böser zu klingen, lieber oft irgendwie komisch und leicht schief hochgezogen… Und während die ersten Songs noch kritisch von Medienmacht und desaströsen modernen Zeiten handeln, widmet sich der Rest der Scheibe fast ausschließlich der Liebe bzw. dem Kummer, den selbige erzeugt oder allgemeinem Weltschmerz-Gejammer, was nicht so recht zur poppigen Mucke passen will. Für meinen Geschmack hätte man zu Gunsten des Wiedererkennungswertes die Melodien besser ausarbeiten oder facettenreicher gestalten sollen. Texte sind alle abgedruckt. Zehn Songs + Intro. 4. Günni

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