Manuel Andrack, ehemaliger Redaktionsleiter und Sidekick der Harald-Schmidt-Show, ist bekennender Fan des 1. FC Köln. Das war ich auch einst, als ich nach der WM 1990 begann, mich auch für Vereinsfußball zu interessieren und feststellte, dass einige meiner Lieblingsspieler mit dem Domstadt-Club verbunden waren. Als ich erwachsen wurde, spielten andere Faktoren bei der Wahl des Lieblingsvereins eine Rolle – mit dem FC sympathisiere ich aber nach wie vor.

Im Jahre 2025 war dieser nach einem erneuten Ausrutscher, der ihn mal wieder eine Runde in Liga 2 drehen ließ, zurück ins Oberhaus aufgestiegen. Den Beginn der neuen Saison mit einem nun also wieder erstklassigen FC nahm ich zum Anlass, mir einmal Andracks Buch (nach einem über Wandern sein zweites) vorzuknöpfen, das 20 Jahre zuvor, nämlich 2005, im KiWi-Verlag erschienen war. Auch damals war der FC nach einer Zweitligasaison wieder aufgestiegen – und Andrack hatte versucht, bei so vielen Zweitligaspielen seines Teams wie möglich dabei zu sein, daheim wie auswärts. Eben davon handelt dieses von Tim Parks‘ „Eine Saison mit Verona“ inspirierte, rund 250-seitige Taschenbuch.

Über Andrack erfahren wir, dass seine Eltern ihn gar nicht zum FC, sondern zu Viktoria Köln mitgenommen hatten. Der 1. FC Köln hingegen war für ihn lange ein „Fernsehverein“ – wie für mich auch und noch immer. Mitte der 2000er war er zum „Fahrstuhlverein“ geworden, der zwischen den obersten beiden Ligen pendelte. Nun aber war Wolfgang Overath neuer Präsident und Europapokal-Huub-Stevens Trainer, womit man sich wesentlich besser als zuvor aufgestellt wähnte. Von Lukas „Poldi“ Podolski im Sturm ganz zu schweigen.

So weit zur Ausgangssituation. Andrack nimmt seine Leserschaft nun von Spiel zu Spiel mit, wobei jedes ein eigenes Kapitel bildet. Statt langweiliger Spielberichterstattung lässt er sich etwas einfallen, beschreibt beispielsweise sehr unterhaltsam das Spiel gegen Oberhausen als Drama in fünf Akten inklusive Diss gegen einen ehemaligen Kölner sowie Zeichnungen seiner Gesten. Er beschreibt das Drumherum, die Fahrten, fremde Stadien, den allgemeinen Zustand der Liga, die Entstehung neuer Fan-Gesänge, Begegnungen mit anderen (nicht nur) Fans, unternimmt historische Exkursionen, hat Anekdoten parat und ist zur Selbstironie fähig.

Einer meiner Favoriten: Der FC auswärts in Unter-fuckin‘-Haching an einem Montagabend (die Unsitte der Montagsspiele ist mittlerweile glücklicherweise passé). Gegen Auge nimmt er auf der Pressetribüne Platz und besucht auch die Jahreshauptversammlung. Das Kapitel zum Spiel gegen Eintracht Trier ist eine Ehrerbietung an seinen Vater. Zum Spiel in Duisburg kritisiert er die übertriebene Bullenpräsenz auf dem Weg zum Stadion. In der Winterpause zieht es ihn sogar zum Freundschafts- bzw. Testspiel gegen den FC Bayern. Und mitten in die Saison platzt der Skandal um den korrupten Schiedsrichter Robert Hoyzer.

Er gewährt Einblicke in Kölsche Karnevalsfangesäge, aber auch in die eine oder andere Terminschwierigkeit, die verhindert, dass er tatsächliche alle Spiele mitnehmen kann: Zum Spiel nach Dresden fliegt er zusammen mit der Mannschaft einen Tag vorher, wodurch er einige Interna erfährt, doch das Spiel wird witterungsbedingt abgesagt. Zum Nachholspiel an einem Mittwoch kann er nicht. Das nächste Spiel gegen Saarbrücken muss er sich krankheitsbedingt im TV ansehen, das Rückspiel gegen Oberhausen kann er wegen eines Auftritts mit Harald Schmidt nur im Videotext verfolgen und auch beim Rückspiel gegen ‘haching fehlt er aus dem gleichen Grund. Gegen Fürth sucht er ausnahmsweise seinen ehemaligen Stehplatz in der Südkurve wieder auf und berichtet von seinen Erfahrungen mit den Ultras. Und einmal geht er sogar wieder, wie früher als Kind, zu Viktoria, um sich vom FC zu erholen. Nach Aue fährt er einen Tag früher und gibt sich Landschaft und Kultur. Dort wird dann bereits am 31. Spieltag der Aufstieg perfekt gemacht, gegen Trier setzt es im Anschluss aber die erste Heimniederlage.

Wirklich kritische Worte zum DFB- und DFL-Fußballzirkus findet man nicht viele, zumindest erwähnt er aber auf Seite 207 den Quasi-Erwerb ganzer Vereine durch „absolutistische Vereinsherrscher“ wie Dietmar Hopp, dessen Hoffenheimer es zum damaligen Zeitpunkt bereits bis in die dritte Liga gebracht hatten. Dass ihm solche Modelle lieber sind als Werksvereine kann ich jedoch nicht unterschreiben und ist möglicherweise seiner Abneigung gegen Bayer Leverkusen geschuldet.

Jedes Spieltagskapitel schließt mit einer Übersicht über alle Ergebnisse und die jeweils aktuelle Tabelle, ein paar Schwarzweißfotos lockern den Text auf und im Anhang findet sich eine Übersicht über den Spielerkader der Saison 2004/05. Den Paraphrasierungskonjunktiv beherrscht Andrack leider nicht, ansonsten liest sich seine Schreibe aber angenehm und niedrigschwellig. Auch wer sich weder für den 1. FC Köln noch überhaupt für Fußball interessiert, findet hier aufschlussreiche Einblicke in die Psyche und Emotionen eines Fußballfans sowie in dessen Freizeitgestaltung mit ihren schönen und weniger schönen Seiten, wenngleich Andrack verglichen mit dem typischen Stehplatzkarteninhaber natürlich das eine oder andere Privileg genießt. Das Happy End für Andrack und den FC ist der beste Abschluss, den er sich für sein Buch hätte wünschen können.

20 Jahre später gelesen hat dieses Buch auch etwas Nostalgisches, allein schon wegen der anderen Mannschaften, die sich damals so in der zweiten Liga tummelten. Aber wo war eigentlich der FC St. Pauli? Tja…