Günnis Reviews

Monat: September 2025

Christian Blees – Der absolute HORROR: Die Geschichte der Gruselcomics in Deutschland

In der Edition-Alfons-Reihe „Texte zur graphischen Literatur“ erschien im Jahre 2024 dieses rund 240-seitige Taschenbuch des Comic-Experten Christian Blees, der Licht ins Dunkel deutscher Grusel- und Horror-Comicpublikationen zu bringen antritt – und damit auch als Ergänzung zu Alexander Brauns zwei Jahre zuvor erschienenen „Horror im Comic“-Kompendium verstanden werden kann, das sich dem internationalen Raum widmete (und ich noch nicht gelesen habe, daher keine weiteren Vergleiche). Das Buch ist in zehn Kapitel gegliedert, die von einem Vorwort sowie je einem Inhalts-, Literatur-, Stichwort- und Abbildungsverzeichnis flankiert werden.

Klar, die „Gespenster Geschichten“ aus dem Bastei-Verlag kennt jeder, aber was gab und gibt es sonst noch alles und womit fing’s eigentlich an? Blees steigt in sein Thema mit Vorläufern wie Leihbüchern und Verkaufsromanen ein, die allesamt noch erfolglos gewesen seien, mindestens einer sei gar direkt indiziert worden. Früheste deutsche Gruselcomics waren dann „Geisterschiff“-Adaptionen und einzelne Ausgaben der „Illustrierten Klassiker“. In der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre erschien eine erste kurzlebige, „Boris Karloff“ betitelte Heftreihe in US-Lizenz beim Bildschriftenverlag. Von den verspätet in den deutschen Kinos angekommenen Horrorfilmen der „Hammer Productions“ über erste Heft-, auch „Groschen“-Romane genannte Belletristik mit Gruselinhalten und Horror-Taschenbuchreihen bis zu ersten in den Geschichtenheften stattfindenden Horrorcomics, von einer ersten, ebenfalls kurzlebigen „Light-Horror“-Comicheftreihe über in Italien lizenzierten Erotikhorror für Erwachsene im Freibeuter-Verlag bis zu den ebendort erschienenen „Tomba“- und „Horror Comic“-Büchern, die jeweils von 1972 bis 1974 publiziert wurden, spannt Bees den Bogen bis zu jenem Zeitpunkt, als der Horrorcomic endlich in Deutschland Fuß zu fassen schien und mit dem bisher meine deutsche Horrorcomic-Zeitrechnung begonnen hatte: dem Erscheinen der schlicht „Horror“ betitelten Heftreihe bei BSV Williams.

Dort wurden von 1972 bis 1984 in 148 Heften Grusel- und Fantasycomics aus dem US-amerikanischen DC-Verlag veröffentlicht, die bereits unter Einfluss des US-Zensurcodes standen, aber auch Marvels Frankenstein- und Dracula-Reihe – jeweils angereichert mit Kurzgeschichten Marvels – und eine Art „Best of EC“ als Sonderband. Blees stellt die interessante These auf, dass die erfolgreichen Riesenmonster aus dem Kino auf den Zensurcode hin für die Comics adaptiert und abgewandelt, in den frühen 1960ern aufgrund sich wandelnden Leserinteresses aber durch Superheldencomics abgelöst worden seien. Keine Ahnung, ob das stimmt, aber dies einmal zu analysieren wäre sicherlich interessant. Ab den 1980ern bekamen Horrorcomics starke Konkurrenz durch die Videofilmindustrie, hier belegt durch ein Zitat aus einem panischen „Spiegel“-Artikel.

Auf die bei Pabel erschienene „Vampirella“ geht Blees detailliert inklusive aller Zusammenhänge ein und zeichnet die Entstehung der US-Magazine „Creepy“ und „Eerie“ nach. Deutschland zensierte und verbot „Vampirella“ schließlich, aber Pabel kehrte kurzerhand ohne Vampirella mit der Heftreihe „Vampir-Comic“ zurück. Diese wurde 1975 bereits wieder eingestellt, weil Pabel generell keine Comics mehr verlegen, sondern sich auf seine Groschenromane konzentrieren wollte. 1981 erlebte „Vampirella“ eine Renaissance im seit jeher aufmüpfigen Volksverlag, Ende der 1990er einen Reboot bei Splitter und von 2000 bis 2004 eine Fortsetzung bei mg publishing.

Der Bastei-Verlag hingegen überflutete das Land ab 1973 mit einer Unmenge an Gruselgroschenromanen, und ein Jahr später folgten die legendären „Gespenster Geschichten“ und Konsorten. Zu letzteren gehörte „Axel F.“, eine anspruchsvollere, sich qualitativ absetzende Reihe, die aufgrund der Ignoranz des dafür zu alt gewordenen Herrn Lübbe persönlich ein trauriges Ende nahm.

Spannend auch die Gründung des Condor-Verlags, in dem 1981 neun Ausgaben des „Gänsehaut“- und von ‘81 bis ‘82 des „Grusel-Comics“-Hefts erschienen, die sich auch heute noch lohnen dürften, weil laut Blees viel älterer US-Stoff enthalten sei. Beide Heftreihen waren nur kurzlebig; im weiteren Verlauf der Dekade spielte Horror auch keine große Rolle mehr für Condor (zwei „Dracula & Co.“-Taschenbücher erschienen noch), bis man gegen Ende der ‘80er mit den großformatigen Heften „Horror“ und „Geisterhaus“ noch einmal angriff und auch ein paar wenige Taschenbücher dieser Titel veröffentlichte. Das verglichen mit der klassischen Comicheft-Größe übergroße Format lag damals im Trend, war von Condor aber bereits Anfang der ‘80er für „Grusel-Comics“ verwendet worden. Jedoch war auch „Horror“ und „Geisterhaus“ nur eine kurze Existenz vergönnt.

Darüber hinaus widmet sich Blees britischen Comics in Deutschland, beginnend mit dem Carlsen-Verlag und dem „Swamp Thing“, dessen Hintergründe ebenfalls genauestens aufgedröselt werden. In den 1980ern wehrte sich das „Swamp Thing“-Team erfolgreich gegen den Zensurcode – endlich! Ab Ende der 1990er mischte Carlsen mit einer Art TV-Comics, darunter „Buffy“, plötzlich auch auf dem Heftmarkt mit, woraufhin ein Abriss zur Geschichte der TV-Comics in den USA folgt. (Es geht in diesem Buch also mitnichten nur um Deutschland, der Titel ist tiefgestapelt.) Auf „Buffy“ folgte Anfang der 2000er-Jahre „Dylan Dog“ bei Carlsen, der dann bei Schwarzer Klecks fortgesetzt wurde und später bei Libellus farbige Neuauflagen erhielt. Auch hierzu führt Blees alles an, was man wissen muss. An Dylan Dog zeigt sich deutlich: Was im Ausland (hier: Italien) ein riesiger Erfolg ist, kann hierzulande auf Sparflamme köcheln oder gar floppen. Mir nicht bewusst gewesen ist es, dass sich mehrere Hefte umfassende Sammelbände erst in den 1980ern in den USA etablierten, in den ‘90ern daraufhin auch hier – und sich als regelrechte Verkaufsschlager entpuppten. Auf Seite 137 beschreibt Blees auch wissenswerte Veränderungen auf Verlags- und Rechteebene, die Zeichnerinnen und Zeichner nicht mehr als reine Angestellte an Verlage banden, die ihnen weitestgehend die Rechte an ihrer Kunst abknöpften. Zwei Seiten weiter erhält man sogar aufschlussreiche Einblicke in die Bezahlung.

Der 2001 gegründete Cross-Cult-Verlag übernahm „Hellboy“ und wurde ab 2006 mit „The Walking Dead“ noch erfolgreicher. Von hier aus unternimmt Blees einen Abstecher zum deutschen „Spawn“-Verleger Infinity. 2007 gründete sich Panini-Comics, wo unter anderem die „Marvel-Zombies“ erschienen. Es folgte die Gründung des neuen Splitter-Verlags mit diversen Hardcover-Horrorcomic-Ausgaben. „From Hell“ erschien bei Cross Cult, „Die Legende von Malemort“ bei Splitter, „Locke & Key“ bei Panini; mit „D“ und „American Vampire“ hielten Vampire bei Splitter und Panini Einzug und, und, und – Blees notiert genau, was bei den jeweiligen Verlagen so alles innerhalb des Genres erschien.

Kapitel 9 über Horror-Mangas beginnt mit einer Erläuterung der konzeptionellen Unterschiede zwischen Comic und Manga sowie der Geschichte der Mangas in Deutschland, der hierzulande mittlerweile erfolgreichsten Comicgattung. Im letzten Kapitel behandelt Blees das Revival der Comichefte sowie aktuelle Publikationen und ilovecomics-Nachdrucke. Um einmal zu veranschaulichen, wie Blees ins Detail geht: ilovecomics druckte 2019 und 2020 die einzigen beiden „Monster“-Hefte nach, die im Jahre 1953 in den USA erschienen waren. Bei dieser Information belässt Blees es nicht, sondern handelt die Geschichte des US-Verlags ab und zeichnet ausführlich die Lebensläufe der beteiligten Zeichner und Texter nach. So sehr er aber aufs Drumherum eingeht, so wenig erfahren wir über den Inhalt – ein kleiner Kritikpunkt. Blees schließt sein Buch mit sehr zuversichtlichen Worten, was den Horrorcomic in Deutschland betrifft.

Apropos Kritik: Der einzige mir aufgefallene Fehler ist ein Setzpatzer auf den Seiten 179 und 180. Dafür scheint mir das Literaturverzeichnis nicht ganz vollständig zu sein. Auf Seite 214 hätte ich gern etwas von Esteban Maroto gesehen, um den es dort geht, statt von Miguel Gómez Esteban – das ist etwas verwirrend. Grundsätzlich ist es aber sehr zu begrüßen, dass Blees mit vielen farbigen Bildern (Titel- und Comicseiten, Panels) arbeitet, sodass sein Buch weit von einer Bleiwüste entfernt ist. Zum Thema Zensur hätte ich mir ein separates Kapitel gewünscht, vielleicht gar inklusive Liste, und ein themenübergreifendes Interview mit einem Horrorcomic-Experten hätte ebenfalls einen Mehrwert darstellen können.

Andererseits ist Blees dieser Experte selbst. Er schuf ein Buch mit wissenschaftlicher Akkuratesse, das zahlreiche erschöpfende Hintergrundinformationen, ja, regelrechte Kurzporträts der Zeichner bietet, deren Originalzitate einflicht und mit Auszügen damaliger Kritiken arbeitet. Blees erwähnt auch gern, was zeitgenössisch jeweils parallel auf dem Horrorfilm- und Buchmarkt angesagt war, und liefert so Kontext und Zeitkolorit. Er sprach mit einigen Persönlichkeiten, unter anderem mit Condor-Gründer Biehler. Das ist hochinteressant und spannend, nicht zuletzt, weil man so nebenbei allgemein etwas über die Geschichte der Comics, nicht nur in Deutschland, erfährt. Blees‘ Querverweise, was wann wo in deutschen Veröffentlichungen publiziert wurde, ist ebenfalls bestes Comichistoriker- und Nerdfutter. „Der absolute HORROR: Die Geschichte der Gruselcomics in Deutschland“ liefert ein Geschichtsseminar der neunten Kunst, Hintergrundinformationen, belegte Zitate der Verantwortlichen und nicht zuletzt Kaufempfehlungen en masse. Ich habe mir einige Titel notiert und freue mich auf deren Lektüre.

Seltsam? Aber so steht es geschrieben …

20.09.2025, St.-Johannis-Harvestehude-Kirche, Hamburg: WUCAN

Einmal jährlich lassen sich Hamburgs Kirchen besondere Abende einfallen, das Ganze nennt sich dann „Nacht der Kirchen“. Mit Kirche und Religion habe ich ja nun weiß Gott nichts am Hut, durch einen Artikel im Rock Hard wurde ich aber hellhörig: Die St.-Johannis-Harvestehude-Kirche wurde zur „Metal Church“, Organisator Daniel Wagner hatte ein entsprechendes Programm zusammengestellt. Den „Psychedelic Instrumental Stoner Rock“ von VALEA VIILOR schenkte ich mir, ebenso die laut Plan gerade einmal viertelstündige Lesung der HOLY-MOSES-Frontgrunzerin und Psychotherapeutin Sabina Classen aus ihrer jüngst erschienenen Biographie. Auch für den Bildervortrag „Metal-Symbolik und Kirchenkunst“ waren lediglich 15 Minuten angesetzt. Eine interessante Erfahrung wäre sicherlich ein halbstündiges düsteres Kirchenorgelspiel gewesen, aber ich traf mit meiner Liebsten erst um 21:00 Uhr zum Podiumsgespräch über Inklusion und Festival-Seelsorge mit Wheels of Steel, Rock-Hard-Herausgeber Holger Stratmann und Sabina, die die Runde moderierte, ein, die immerhin eine Dreiviertelstunde ging.

Darin schien man zunächst aber erörtern zu wollen, wie antikirchlich bzw. antichristlich Metal eigentlich ist und was die Gründe dafür sind. Alle Teilnehmenden inklusive Stratmann schienen dieses Thema kleinzureden, ja regelrecht beiseiteschieben zu wollen. Das sei ja nur ein verschwindend kleiner Teil, in erster Linie ein Klischee und wenn, dann vor allem Provokation und juveniles Aufbegehren gegen Autoritäten, als die die Kirche empfunden worden sei. Auf Black Metal wurde überhaupt nicht eingegangen. Das war enttäuschend oberflächlich und eine vertane Chance, dieses eigentlich hochinteressante Thema zu diskutieren und zu vertiefen. Weder wurde diskutiert, wie sehr sich viele nichtreligiöse Metal-Bands in ihren Texten bei der christlichen Mythologie bedienen, noch wurde Kritik an Kirche oder Religion laut.

Offenbar sollte es ja aber auch etwas ganz anderes gehen. Passend zur Berichterstattung in einer der jüngeren Rock-Hard-Ausgaben vermittelten Wheels Of Steel Einblicke in ihre konstruktive und anscheinend sehr erfolgreiche Zusammenarbeit mit Festivals, um beispielsweise Rollstuhlfahrerinnen und -fahrern einen möglichst angenehmen Festivalgenuss zu ermöglichen. In diesem Zuge wurde auch ein auf dem Wacken Open Air gedrehter Imagefilm der alsterarbeit gGmbH gezeigt. Als recht aufschlussreich habe ich auch die Erfahrungsberichte und Anekdoten aus der psychologischen Betreuung akut hilfsbedürftiger Festival-Besucherinnen und -besucher empfunden. Das begrüße ich alles sehr und ziehe meinen Hut vor der Arbeit, die in diesen Bereichen geleistet wird.

Dann aber der Hauptgrund unseres Erscheinens: WUCAN aus Dresden, angekündigt als „Heavy Flute Rock“, spielen eine sehr eigene Mischung aus proggy ‘70er-Hard-, Kraut- und sogar Ostrock, Schlaghosenmusik also, mit der man mich normalerweise (Ausnahmen bestätigen die Regel) jagen kann. WUCAN gelingt es aber irgendwie, dass dieser kauzige Stilmix frisch und interessant klingt, kein reines Retro-Spektakel ist. Das liegt nicht zuletzt an Sängerin Francis, die eine solche expressionistische, jugendliche Energie in ihren fantastischen Gesang legt, dass man ihr einfach zusehen und -hören muss, und natürlich an einer wahnsinnigen Spielfreude des Quartetts, das – und da schließt sich der Kreis dann doch zu meinen Hörgewohnheiten – auch vor diversen Metal-Riffs nicht Halt macht. Man konnte, was viele auch taten, einfach auf den Kirchenbänken sitzenbleiben, um sich die mit Lichteffekten aufgepeppte Show anzusehen, oder aber, wie u.a. wir es bevorzugten, Stehplätze im Mittelgang einnehmen. Dort tummelten sich auch ein, zwei Fotografen sowie ein Kameramann des NDR. Das Publikum war recht gemischt; Metal-Fans trafen auf Normalos, die sich vermutlich aus interessierten Neugierigen und sicherlich auch christlichen Kirchgängern, die hier ihre Aufgeschlossenheit unter Beweis stellen oder ihre Belastungsgrenzen austesten wollten, zusammensetzten. Eine hielt es nach Konzertbeginn nicht lange auf ihrem Platz; sich die Ohren zuhaltend nahm sie Reißaus und verpasste so, wie Francis wiederholt zur zweiten Gitarre griff oder die JETHRO-TULL-Gedächtnis-Querflöte pfiff, im Vergleich zum Gig auf dem Rock-Hard-Festival aber nur selten am Theremin gestikulierte. Keine Ahnung, ob man diesmal weniger thereminhaltige Songs auf der Setlist oder aber bereits während dessen ersten Einsatzes bemerkt hatte, dass es im (für die Drums sehr guten) halligen Kirchensound völlig unterging. Auch Gitarrist Tim gab sich nicht mit nur einem Instrument zufrieden, sondern spielte nebenbei noch einen Synthesizer. Zum Programm zählten u.a. „KTNSAX“, eine unverschämt catchy Single-Auskopplung des neuen Langdrehers, und mit „Holz auf Holz“ einer der deutschsprachigen Songs der Combo. Die eine oder andere Nummer erhielt Unterstützung von der Kirchenorgel, eines der Alleinstellungsmerkmale dieses Auftritts. Ein Song mündete in ein Drumsolo. Francis führte mit knappen, charmanten, aber auch gesellschaftlich wachen Ansagen durchs Set und ließ sich mit ihren Bandkollegen nach regulärem Ende zu einer umjubelten Zugabe zurückbitten, für die das Publikum dann endlich auch den Platz direkt vor der Bühne einnahm, der offenbar aus Respekt bis dahin leergeblieben war. Der Gig dürfte an die 75 Minuten lang gewesen sein und war zugleich der Abschluss der „Nacht der Kirchen“ in der St.-Johannis-Harvestehude.

WUCAN haben gerade ihr viertes Studioalbum „Axioms“ veröffentlicht, erspielen sich immer größere Fankreise und es würde mich nicht wundern, wenn die bald durch die Decke gingen. Dann werden wir sagen können: WUCAN inner Kirche – wir waren dabei!

Die Veranstaltung in diesem ungewöhnlichen, sehr besonderen Rahmen war übrigens gratis, es gab einen Bierausschank (Qualitätspils zum fairen Kurs) und, zumindest während unserer Anwesenheit, wurde auf jegliche Missionierung verzichtet. Die Metal-Szene, wie ich sie in Hamburg beispielsweise aus dem Bambi galore kenne, blieb zwar größtenteils fern, aber wenn Kirche, dann gerne so: Als überkonfessionelles bzw. nichtreligiöses Veranstaltungszentrum für Kultur, Gespräch, Musik. Und Bier.

P.S.: Das „Hamburg-Journal“ berichtete am nächsten Abend (und machte aus Sabina „Sabine“):
Beitrag in der ARD-Mediathek

Cinema-Sonderband Nr. 11: Erotik im Kino ’86

1983, 1984 und 1985 hieß es im Cinema-Verlag noch „Sex im Kino“, wobei 1985 erstmals der Hardcore-Bereich ausgespart worden war. Die nur noch 100-seitige Vorschau aufs Jahr 1986 im gewohnten Softcover, aber auf jetzt mattem Papier verspricht statt Sex nun Erotik im Kino, spart reine Pornos ebenfalls aus und geht ohne jedes Vorwort oder Editorial nach einem Inhaltsverzeichnis direkt zum ersten Film über. Bei den meisten Texten handelt es sich bis auf wenige Ausnahmen lediglich um Kurzvorstellungen, wobei gerne mal heftig gespoilert wird. Die Seiten werden aber ohnehin von den häufig großformatigen Filmfotos dominiert, die meist nackte Tatsachen zeigen und für viele den eigentlichen Kaufgrund dargestellt haben dürften – wenngleich sie mittlerweile in Teilen nur noch schwarzweiß abgedruckt wurden. Die meisten Filme müssen mit einer Seite auskommen; Michael Verhoevens „Killing Cars“ z.B. bekam hingegen gleich fünf Seiten spendiert, die vor allem das dänische Busenwunder Marina Larsen zeigen.

Der Vorschaucharakter wird vor allem dadurch deutlich, dass für viele Filme der deutsche Titel offenbar noch gar nicht feststand, weshalb sie unter ihren Originaltiteln enthalten sind: „Liebe und Gewalt“ mit Sophie Marceau, „Teufel im Leib“, „Der Käfig“, die französische Comicverfilmung „Entfesselte Lust“, „Beach Parties“ findet sich als „Where The Boys Are“. Der bereits 1983 veröffentlichte, jedoch erst 1987 in deutsche Kinos gekommene „Die Orgien der Cleopatra“ ist ebenso unter Originaltitel gelistet wie „Honeymoon“ (als „Lune de miel“). „Früchtchen mit Sahne“ aus dem Jahre 1977 ist wahrscheinlich der älteste der aufgeführten Filme, er findet sich unter dem Titel „Violette und François“.

Nie nach Deutschland geschafft haben es die dennoch im Buch enthaltenen französischen Comicverfilmungen „L’amour propre“ und „Gros dégueulasse“, das venezolanische Drama „La casa de agua“, der Film „La nuit porte jarretelles“ und der bereits 1982 erschienene „Plus beau que moi tu meurs“ (weshalb also überhaupt in diesem Buch aufgeführt?). Auch von „Salomé“ mit Tomas Milian ist mir kein deutscher Kino- oder Videostart bekannt.

Augenscheinlich hatte man damals Probleme, die 100 Seiten überhaupt vollzukriegen. Bereits unter den genannten Titeln befinden sich Filme, die nicht unbedingt explizit dem Erotikbereich zuzurechnen sind. Die damals noch junge „Meuterei auf der Bounty“-Verfilmung „Die Bounty“ ist wohl ausschließlich wegen ihrer Oben-ohne-Szenen enthalten, über Lina Wertmüllers „Camorra“ lässt sich ebenso streiten wie über „Der Panther“ mit Alain Delon. „Das Attentat“ ist als „Urgence“ drin und doch wohl nun auch kein Erotikfilm, ebenso wenig „Die Spur der Zeit“, der sich hier als „La trace“ findet. „Desiderio“ ist fälschlicherweise als „Desidero“ enthalten und kam nie nach Deutschland, scheint zudem auch nichts mit Erotik zu tun zu haben. Ähnliches dürfte für FSK-12-Filme wie beispielsweise die Komödie „Summer Rental“ gelten.

Überwiegend handelt es sich um europäische Filme, vor allem französische. Japan ist mit „Irezumi“ vertreten, Australien mit „Der Mann, der die Blumen liebte“, Jugoslawien mit „Papa ist auf Dienstreise“. Recht populäre Titel sind, neben bereits genannten, „9 ½ Wochen“, „Schuld daran ist Rio“, „Zeit der Wölfe“, „Lifeforce“ oder auch „Der Zwilling“ – und kaum einer von ihnen ist vorrangig dem Erotikbereich zuzuordnen.

Daraus lassen sich – bei aller Kritik an diesem Buch – damalige Trends ablesen, die im Prinzip aber für den Großteil der 1980er galten und kein spezielles Phänomen des Kinojahrs 1986 waren. Und nichtdestotrotz stößt man auf den einen oder anderen interessanten Film, der sich unabhängig von seinem etwaigen Erotikgehalt evtl. anzuschauen lohnt. So habe ich mir u.a. „Dance With a Stranger“ notiert.

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