Am dritten Tag meines Konzert-Marathons war’s mal wieder Zeit für Edelmetall, denn wenn Hannes in einem Anflug von Genialität und Selbstlosigkeit die schwedischen TYRANEX in die Gängeviertel-Fabrik holt, kann ich natürlich nicht verkatert in der Furzmulde abgammeln. Pünktlich um arbeitnehmerfreundliche 19:00 Uhr ging’s natürlich dann doch nicht los, kurz nach halb 8 aber eröffnete die junge lokale Band GUSTAV EISEN das dritte „Triumph of Death Ritual“ (so der Name der Veranstaltungsreihe) mit modernerem, technischem Death Metal vor einem noch recht versprengten Haufen. Applaus gab’s meinerseits für Technik und Kondition, mit der Mucke kann ich Death-Metal-Legastheniker ansonsten nicht viel anfangen. Dafür hab‘ ich mit dem Störtebeker-„Frei-Bier“ ein neues, äußerst schmackhaftes Alkfreies für mich entdecken können.

Bereits im Vorfeld für mich entdeckt hatte ich Hamburgs Underground-Speed-Metal-Sympathieträger MIDNIGHT PREY, als ich sie seinerzeit in der Bambi Galore sah. Live ist das Trio ‘ne ziemliche Bank mit seinem tief in den glorreichen ‘80ern verwurzeltem Oldschool-Speed-Geschrote mit düsterem Vibe, also ohne Falsettgesang o.ä., eher ungehobelt und roh, mit unaufdringlichen Melodien versehen und atmosphärisch. Fest zum Set gehört ein Cover des vermutlich größten MANILLA-ROAD-Hits „Necropolis“ und man beschloss den Gig mit der Abrissbirne „Street Mafia“ von der neuen „Blood Stained Streets“-Single, die ich leider mitzunehmen versäumte. Nächstes Mal!

Mit PAGAN RITES traten nun die ersten der schwedischen Gäste an. Die Band hatte ich so gar nicht auf dem Schirm, obwohl sie anscheinend bereits seit 1992 existiert. Vor dem Gig hörte ich etwas von einem kauzigen, extraordinären Sänger, der sich gerade auf Entzug befände ich Freigang genieße. Das Quartett hatte sich die Fressen wie zu Halloween angemalt und hobelte ein fieses Black-Thrash-Brett herunter, das so herrlich authentisch kaputt klang, dass man direkt dem Gehörnten dafür danken musste. Der Sänger mit seinem riesigen umgedrehten Kreuz um den Hals röchelte und spie seine blasphemischen Texte heraus, kroch auf dem Bühnenboden umher und suchte den unmittelbaren Kontakt zum mittlerweile zahlreicher versammelten Publikum. Dank des berüchtigten graumelierten Herrn, der auch diesmal in vorderster Front seinen exaltierten Tanzschritten frönte, ein Bild für die Götter (der Dunkelheit). Seine Musiker verwirrte er mit offenbar hier und da von der Setlist abweichenden Ansagen, beispielsweise als er gegen Ende „Die Priest Die“ ankündigte und anscheinend vergessen hatte, die Nummer längst gespielt zu haben. All das führte zu einem Gesamteindruck, der PAGAN RITES weit weniger aufgesetzt und gekünstelt wirken lässt als manch Subgenre-Kollegen, stattdessen sympathisches, infernalisches, unheiliges Chaos vermittelt. Geil!

TYRANEX hatte ich 2014 durch ihr zweites Album „Unable to Tame“ kennengelernt: Schwedischer Speed-/Thrash-Metal der alten Schule, der mich leicht an alte DESTRUCTION erinnert und mit einer Gitarristin und Sängerin in Personalunion  gesegnet ist, die sich mir mit ihrer genialen Stimme die Nackenhaare aufstellen lässt. Zurzeit betouren sie ihr jüngst veröffentlichtes drittes Album „Death Roll“, das den Vorgänger konsequent weiterentwickelt. Zu Songs der ersten beiden Alben gesellte sich demnach Material wie „Bloodflow“, „Berget“, „Beyond the Throes of Evil“ und eben „Death Roll“; das neu aufgenommene Demostück „Blade of the Sacrificer“ widmete man PAGAN RITES und so kam deren Sänger zu einem weiteren Stelldichein auf der Bühne. Ohne Zugabe ging’s nicht ins Bett und anschließend wurde der Merch-Stand stark frequentiert, manch einer hat einen wahren Großeinkauf getätigt. Tatsächlich kannten viele TYRANEX bisher offenbar noch gar nicht und waren ausnahmslos positiv überrascht, begeistert vom schneidenden Sound, den fräsenden Riffs und dem hektisch schnellen, doch stets punktgenauen, nie stumpfen Spiel sowie natürlich hingerissen von den beiden Metal-Damen, die sämtliche Szene-Chauvis Lügen strafen. Stärkstes Wiedererkennungsmerkmal der Band ist natürlich die Stimme, die Knochen zerschneidet wie Edelstahl ein weichgekochtes Ei. Am liebsten hätte ich mir die Combo zum Mitnehmen einpacken lassen und als Hofkapelle installiert. Hab‘ nur leider keinen Hof…

Mit ‘nem letzten Dithmarscher überbrückte ich die Zeit bis zur allerletzten Bahn nach Hause und brachte die „Death Roll“-LP (wenn schon keine Hofkapelle) sicher in ihre neue Heimat. Und schon um 7:00 Uhr nachts blökte mich mein Radiowecker mit niveaulosem Mist voll, meinte damit aber, ich solle hurtig zur Maloche. Dann doch etwas gerädert schlug ich dort pünktlich auf, aber das war’s allemal wert. Acht Bands auf drei Konzerten an drei Tagen und keine Sekunde bereut!

P.S.: An allen drei Abenden standen Mädels (mit) auf der Bühne, was heutzutage ‘ne Selbstverständlichkeit ist. Das war früher jedoch anders, da haftete dem schnell etwas „Exotisches“ an. Eine erfreuliche Entwicklung.