Günnis Reviews

04.06.2016, Tipsy-Apes-Vereinsgelände, Hamburg: SOURCE OF STEEL Festival

source of steel 2016, hamburg

source-of-steel-2016,-hamburg,-20160604_154746Bei den Tipsy Apes scheint es sich um einen Hamburger Metal-Club zu handeln, den es schon seit Anbeginn der Zeitrechnung gibt. Einmal jährlich richtet er auf seinem Gelände in Hamburg-Harburg ein Open-Air-Festival für ‘nen recht schmalen Schein aus und dieses Jahr war ich erstmals dabei. Kurzentschlossen hatte ich nämlich Bock bekommen, an diesem mal wieder vielleicht heißesten Tag des Jahres tagsüber etwas an der frischen Luft zu unternehmen und statt in den Zoo, in Wald und Flur oder an den Strand fuhr ich nach Harburg, fand dank zwei Besuchern, die mit mir aus dem Bus ausstiegen auch gleich den Weg und war sogar fast pünktlich.

So bekam ich noch den Großteil des Sets des Openers EMPIRESFALL mit. Die Hamburger haben 2009 ihre Debüt-EP und 2014 ein erstes Album jeweils in DIY-Manier veröffentlicht und spielen schnörkellosen, rauen Thrash. Was für meine Ohren zunächst noch etwas gleichförmig klang, gewann mit fortlaufender Spielzeit an Klasse – hatte man sich die Hits für die zweite Hälfte aufgehoben? Gefiel mir gut, wenn ich meine Aufmerksamkeit auch zu ein paar Anteilen aufs Begrüßen bekannter Gesichter, Erstehen von Bierbons und Vertrautmachen mit der Location verteilte.

Nach der Umbaupause folgte einer der Hauptgründe für mein persönliches Erscheinen, die Hamburger Nachwuchs-Thrash-Hoffnung REAVERS. Die Dame und die Herren spielen ja doch öfter mal in Hamburg, aber in die Pooca-Bar z.B. verschlägt’s mich dann doch eher nicht – umso besser, sie in diesem Rahmen oder auch in Kürze in der Bambi Galore endlich mal wieder zu sehen (war mir bisher nur einmal im Marx vergönnt). Auch im wahrsten Sinne des Wortes nüchtern betrachtet ging der Oldschool-Thrash gut ins Bein. Der bewegungsfreudige Sänger und Bassist Klitz lieferte ‘ne ungestüme Show, der barfüßige Drummer hat sich manch Sperenzien und Details einfallen lassen, um auch die Rhythmusarbeit aufregend zu gestalten und die beiden Gitarren rifften amtlich, wenngleich hier und da vielleicht noch Raum für etwas mehr Leadgefiedel wäre. Songtitel wie „Sleeping Toxic“, „Artillery Death“ und „Madness“ lassen auf die nie überholten Themen Krieg, Wahnsinn und Verderben schließen, „Fire in the Hole“ entpuppte sich als deutschsprachiger und mehrdeutiger Song über Krieg und Analverkehr… und zum finalen TANKARD-Cover „Freibier“ gesellten sich EMPIRESFALL mit auf die Bühne, die Klitz seinen Bass abnahmen und kräftig beim Freibierverteilen ans durstige Publikum halfen – geile Aktion!

BOOZE CONTROL war dann die erste Band mit ein wenig weiterer Anreise: Das Quartett stammt aus Braunschweig und überzeugte mit klassischem Heavy Metal, zu dem ich jetzt gar nicht so viel sagen kann, außer dass er zu gefallen wusste, hatte man sich nach der doppelten Thrash-Attacke erst mal auf den Sound eingegroovt. Das „Angel Witch“-Cover lud zum kollektiven Mitsingen ein und sorgte zusätzlich für beste Laune. Guter Gesang, Songs mit Ecken, Kanten und Melodie und ‘ne sympathische Attitüde – schönes Ding!

Das Gelände, das bisher noch weitaus mehr Leuten Platz geboten hätte, füllte sich während des BLACKSLASH-Auftritts nun auch langsam aber sicher mit den Spätaufstehern unter den Festivalbesuchern. Der Sänger der Baden-Württemberger sah mit seinem verbotenen Outfit verdächtig nach Poserrotz aus, doch der Sound erinnerte mich vielmehr an eine weniger punkige, melodieorientiertere NWOBHM-Variante mit Power-Metal-Einflüssen – und ich hoffe, mich damit jetzt nicht in den Schubladen vergriffen zu haben. Die fünf Jungs posten, was das Zeug hielt, die gute alte Doppelläufige kam oft zum Einsatz und die für solch ein Festival großzügig bemessene Spielzeit ließ sogar Zeit für ‘ne Ballade. Das war besser als erwartet und mir dämmerte, dass sich hier und heute eine handverlesene Crème de la Crème des Underground-Metals quer durch den stilistischen Gemüsegarten entdecken lässt.

Die anschließend auf dem Plan stehenden MESSERSCHMITT aus Remscheid standen mit ihrem Kabinenroller leider im Stau und verspäteten sich deshalb, so dass die nächste Pause etwas länger ausfiel. Zeit für geschmackvolle Mucke vom Band, ausgiebige Klönschnacks und noch mehr Bier. Letzteres machte sich nun gerade auch im Zusammenhang mit der Affenhitze langsam aber sicher bemerkbar und vermutlich hätte ich in diesem Zustand schlicht alles abgefeiert, was ‘ne Klampfe schrammeln kann. Ich habe aber den instinktiven Verdacht metaphysischen Charakters, dass mir MESSERSCHMITTS wüstes Speed-Riffing auch unter normalen (?) Umständen die Nackenmuskeln trainiert und meine No-Bullshit-Straight-In-Your-Face-Geschmacksknospen aufblühen lassen hätte. Die Stimmung war mittlerweile allgemein ausgelassen, zur generellen Entspanntheit der Anwesenden gesellte sich in zunehmendem Maße Feierwut. Die Band um ihren Sänger/Gitarristen im Cliff-Burton-Gedächtnislook konnte sich in Sachen Show auf ihren Detlev-Buck-Lookalike am Viersaiter verlassen, der allgemein der Publikumsliebling der Band zu sein scheint. Den Schalk im Nacken bewies dieser auch, als er irgendwann sein geschmackssicheres IRON-KOBRA-Shirt gegen ein HSV-Trikot tauschte, was natürlich völliger Quatsch ist. Das bisher einzige Album der Band werde ich auf jeden Fall mal antesten und die MESSERSCHMITT-Shirts im Publikum bewiesen, dass nicht wenige genau auf diese Band gewartet hatten.

Mein zweiter Hauptgrund fürs Partyzipieren war hingegen IRON KOBRA. Nach diversen EPs etc. sowie zwei Studioalben hatte ich locker meine Handvoll Hits zusammen, die mich neugierig auf ‘nen Gig der Gelsenkirchener werden ließ. Das Image der Heavy Metal mit Power- und Epic-Metal-Einflüssen spielenden Band erscheint mir zwar reichlich klischeebehaftet und das Augenzwinkern konnte ich weder auf den Promofotos noch in den Texten bisher entdecken, habe aber auch gar nicht danach gesucht. Wie wurscht mir das tatsächlich sein kann, bewies dieser durchgehend arschtretende Gig, der auch ohne aufwändige Bühnenshow oder sonstiges Klimbim großes Metal-Entertainment bescherte und genau die Mischung aus Härte und Melodie, aus Düsterheit und Okkultismus, aus Pathos und Kitsch zelebrierte, die die klassische Metal-Szene seit Jahrzehnten immer wieder aufs Neue begeistert. Ich raiste meine Fist „for the glory of Isengard“ (wo auch immer das liegt) und bangte zu Zeilen wie „Black magic spells, dark wizards break lose, satanic Blitzkrieg strikes, doomsday!“ – hell fuckin‘ yeah! Und mit ein paar Litern Astra im Astralkörper macht’s gleich doppelt so viel Spaß.

Aber einer ging noch: Die Wedeler METAL WITCH, die’s mit Unterbrechung schon ewig gibt und sich trotz nur eines Longplayers eines außerordentlich gutes Rufs in der lokalen Szene erfreuen, luden zum Hexentanz und der Pöbel leistete willig Folge. Ich muss zugeben, mich nicht mehr wirklich an den Auftritt, in dessen Rahmen abermals Freibier gereicht wurde, erinnern zu können und vernünftige Fotos habe ich auch keine mehr hinbekommen. Ich weiß aber, dass die Party auf ihrem Siedepunkt angelangt war, der klassische Teutonen-Metal mit seinen eingängigen Refrains noch einmal zum kollektiven Durchdrehen einlud und so viel euphorisierendes Adrenalin freisetzte, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der Besucher auch die Aftershow-Party noch mitnahm.

Fazit: Ein durch und durch gelungener Tag, Abend, Nacht. Zu meiner positiven Überraschung war kein einziger Ausfall dabei, ich konnte tatsächlich allen Bands etwas abgewinnen, für die Auswahl hatte man ein gutes Händchen entwickelt. Bis auf eine kurze Rauferei blieb alles friedlich, das Publikum war gut aufgelegt und die Organisatoren, soweit ich’s mitbekommen habe, ‘ne lockere, sympathische Bande, die auch schon mal Pyros vom Bühnendach zündete. Als echte Party-Animals erwiesen sich auch EMPIRESFALL, von denen irgendwie ständig jemand auf der Bühne rumsprang und den Musikerkollegen Bier einflößte. Die günstigen Preise luden ein, es besonders kräftig krachen zu lassen (als ein Bekannter von mir auch noch den Ausschank übernahm, war’s aus mit mir) und das vegane Chili war schmackhaft – wenn man anscheinend auch überrascht war, dass das tatsächlich jemand bestellt. So war nun wirklich für alles gesorgt. Danke ausnahmslos ALLEN Beteiligten für diese feiste gotteslästerliche Sause, die bewies, wie lebendig und vielfältig die Szene ist. Ich drohe hiermit an, nächstes Jahr wiederzukommen – dann vielleicht mit THRASHING PUMPGUNS, SHADOWBANE oder MORBITORY?

Kategorien: Konzertberichte

10.06.2016, Gaußplatz, Hamburg: GAUSSFEST 2016 » « 21.05.2016, Schießsportanlage, Neu Wulmstorf: METAL BASH 2016

1 Kommentar

  1. Treffender Bericht eines absolut netten Tages bei den Affen.
    Du brauchst auch gar nicht ein Jahr lang zu warten, kannst zum ‚Apes Enraged‘ am 16.07.2016 wieder hin! Das ist sogar noch größer aufgezogen und wird mehr Leute aus HH und Umgebung ziehen.
    https://www.facebook.com/events/1033475813362031/
    Hoffentlich wieder mit lecker Chili sin carne. Es ist übrigens alle geworden, ich hatte die letzte Portion!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Copyright © 2024 Günnis Reviews

Theme von Anders Norén↑ ↑