Das eintägige Metal-Bash-Open-Air-Festival im ansonsten eher überflüssigen Nest Neu Wulmstorf vor den südlichen Toren Hamburgs gibt’s nun auch schon ‘ne ganze Weile. Für vergleichsweise kleines Geld lassen sich dort 1x jährlich vergleichsweise kleine Metal-Bands vor vergleichsweise kleiner Kulisse betrachten. Bisher war jedoch selten etwas für mich dabei, außerdem hab‘ ich für gewöhnlich wenig Bock auf die KNEIPENTERRORISTEN/Remedy-Records-Connection, die der Organisation durch Jörn Rüter geschuldet ist – diesen ganzen ONKELZ-Cover-/Rip-Off-Zinnober braucht meines Erachtens kein Mensch.
Nun war ich auch gerade erst vom Rock-Hard-Festival zurück und dennoch kribbelte es schon wieder: Wenn VENOM INC. als Headliner nur ein Dorf weiter das Tor zur Hölle aufstoßen, kann ich schlecht einfach zum Alltag übergehen. Andererseits dafür ein ganzes Festival mitnehmen müssen…? Außerdem spielten EAT THE BITCH im Gängeviertel und das wäre meine Chance gewesen, die endlich mal live zu begutachten. Aber die britischen Satansbraten und Black-Metal-Hooligans von VENOM zählen seit jeher zu meinen absoluten Leib-und-Magen-Bands und nachdem mir letztes Jahr erstmals das Privileg zuteilwurde, Original-VENOM-Shouter und -Bassist Cronos mit seiner aktuellen Auslegung der Band live zu sehen, boten sich nun die konkurrierenden VENOM INC. mit den beiden anderen Originalmitgliedern Abaddon und Mantas an, verstärkt um Demolition Man Tony Dolan. Dieser war Ende der ‘80er von ATOMKRAFT zu VENOM gekommen, um Cronos nach dessen damaligen Ausstieg zu ersetzen und drei Alben aufzunehmen, von denen zumindest das erste, „Prime Evil“, wirklich geil ist. Dolan hatte sich vor einigen Jahren wieder mit Mantas zusammengetan und die Band PRIME EVIL gegründet, die kurze Zeit später in M:PIRE OF EVIL umbenannt wurde und live vor allem damit begeisterte, alte VENOM-Klassiker zu zocken, während CRONOS unter dem VENOM-Banner diverse neue Alben veröffentlichte und live seitdem sowohl neue als auch alte Gassenhauer gut durchmischt interpretiert. Während des M:PIRE-OF-EVIL-Auftritts auf dem „Keep It True“-Festival 2015 wurde der Drummer durch Abaddon ersetzt und VENOM INC. waren geboren.
- Venom Inc. schießen nicht mit Platzpatronen (und die Rechtschreibung ist zum Schiesen…)
Hätte ich diese Gelegenheit nicht wahrgenommen, hätte sich vermutlich mein VENOM-Tattoo entzündet und so bin ich relativ spontan ab aufs Dorf zum Schützengelände, habe 35 Taler an der Tageskasse gelatzt – und hatte durch mein „spätes“ Erscheinen gegen 14:30 Uhr bereits eine nicht geringe Anzahl Bands verpasst (ging wahnsinnigerweise schon zu nachtschlafender Zeit um 11:00 Uhr los), darunter leider SHADOWBANE, Hamburgs von mir live einst in der Bambi Galore für hörenswert befundene Power-Metal-Hoffnung. Auf der Bühne lärmte gerade die Black-Metal-Combo THE COMMITTEE, doch ich holte mir erst mal ‘n Bierchen und gesellte mich abseits der Wiese zu einer kleinen Sabbelrunde. Dort verweilte ich auch während des Auftritts der DRUNKEN SWALLOWS, die ihren Stil selbst gern als Punkrock bezeichnen, für mich aber nach lupenreinem Deutschrock-Krempel klingen und offenbar auch keinerlei Berührungsängste mit jener Szene haben. Das RAMONES-Cover „Pet Sematary“ klang aber zugegebenermaßen ganz amtlich. Während der Umbaupausen spielten im Bierzelt die Deutschrocker EXISTENT und die erwähnten Proll-ONKELZ-Nacheiferer KNEIPENTERRORISTEN Akustik-Sets… Prinzipiell ja sogar eine nette Idee, die Pausen mit solchen Unplugged-Geschichten aufzulockern, auf beide Bands verzichte aber dankend.
- Existent unplugged
Zu SPACE CHASER ging’s dann aber kollektiv vor die Bühne. Der Thrash Metal der jungen Berliner Band erfreut sich szeneintern größerer Beliebtheit, mit ihrem hohen Gesang erinnern sie mich stark an eine Mischung aus AGENT STEEL und OVERKILL. Für ihr Alien-Paranoia-Image scheinen sie sich auch recht ungeniert bei erstgenannten bedient zu haben, dürften aber die John Cyrus seinerzeit anscheinend abgegangene ironische Distanz mitbringen. Der Gig machte schon Spaß, was mir jedoch live wie auf Platte fehlt, sind die wirklich zwingenden, im Gedächtnis bleibenden Songs. Am ehesten blieb noch ein Song über Chemtrails hängen; leider weiß ich nicht, wie der heißt. Die Festival-Besucher hatten ihren Spaß und bildeten ‘nen Circle- und einen kleinen Mosh-Pit. Als Besonderheiten sind mir ein Instrumentalstück und das IRON-MAIDEN-Cover „Aces High“, gar nicht schlecht gespielt, in Erinnerung geblieben.
- Space Chaser
- Circle Pit
Die Schweinerocker NITROGODS ignorierte ich weitestgehend und bald stießen auch weitere lokale Bekannte hinzu, was erst mal begossen werden musste. Der persönliche Austausch gestaltete sich für beide Seiten dann auch interessanter als das, was SYNDEMIC da gerade auf der Bühne fabrizierten. Dann galt es auch noch MOTÖRMENT zu überstehen, Rüters Metal-Band TORMENT mit einem reinen MOTÖRHEAD-Coverset – und genauso wenig wie ich ihn ONKELZ-Songs singen hören will, brauche ich, dass er sich an Lemmy & Co. vergreift. Langsam aber sicher wurd’s wirklich ein hartes Brot und mir fiel auch kaum noch etwas anderes ein, als mir das Spektakel schönzusaufen – bzw. es zumindest zu versuchen. Dafür boten sich übrigens das erwähnte Bierzelt mit Tresen des Kiez-Metalschuppen „Night Light“, wo es Astra und Holsten gab oder einzelnen Bierstände, an denen überall Astra dranstand, aber stattdessen Carlsberg ausschenkten ebenso an wie der viel zu spät entdeckte Weizenbierstand. Ein 0,3-Liter-Becher Pils schlug mit 2,50 EUR (plus 1,- EUR Pfand) zu Buche und war aber mal so was von schnell ausgeschluckt… Leider musste man für die Dinger erst Bierbons am Einlass erstehen und ich hab‘ doch tatsächlich die Meisterleistung vollbracht, einen frisch gekauften Zehnerbogen auf den wenigen Metern von dort zum Tresen zu verlieren. Naja, dumm fickt gut.
- Nitrogods
- Wenig frequentierter Weißbierstand
PARAGON, hieß es, seien dann wieder wesentlich erträglicher, so dass ich zarte Hoffnungen hegte, doch mehr als reichlich bemüht klingender, ausgelutschter Power Metal der nervigeren Sorte hatten mir die Hamburger auch nicht zu bieten. Not my cup of pee. Apropos, bei allem Gemeckere Daumen hoch für die Klos: Von reichlichen Dixies über Pissoir-Rondells bis hin zum richtigen WC-Toilettenwagen inkl. Seife und Papierhandtüchern war für jeden was dabei. Ich erwähne so etwas immer, weil ich gerade von vor noch gar nicht allzu langer Zeit weiß, dass das nicht unbedingt selbstverständlich auf Open-Air-Veranstaltungen ist.
- Paragon
Bei übrigens klasse Wetter setzte nun die Abenddämmerung ein und es galt, nur noch einmal Bierzelt-Deutsch-Schmock zu überstehen, bis endlich der verdiente Headliner die Bühne erklimmen und original fucking old school Black Metal in seiner pursten Form durch meine Membranen prügeln würde. Ich sicherte mir ‘nen Platz ganz vorn an der Absperrung und direkt mit dem ersten Song schoss meine Laune von 0 auf 666! Die Drei hatten offenbar heimlich geübt, sahen trotz ihres Alters topfit aus und gebärdeten sich auch so. Dolans grummelige, raue Stimme passt nach wie vor bestens zu dieser Mucke, Mantas ohne Schnurri, dafür mit Tattoos und zusammengebundenen Haaren post noch immer was das Zeug hält und Abaddon an den „Nuclear Warheads“, wie es früher auf den Platten stand, sorgt für den verfickt originalen VENOM-Beat! Scheiße, ja, hier war ich dann doch verdammt noch mal richtig! Ich weiß nicht, wie viele kühle Blonde ich mir als Tribut an den „Gods‘ Rock’n’Roll“ noch reinpfiff, jedenfalls fand‘ ich immer wieder nach vorn zurück und krakeelte, skandierte und bangte, was das Zeug hielt (und schoss schiefe Fotos). Auch ‘ne Pyroshow hatte man auf der kleinen Bühne aufgefahren, die zu ‘nem VENOM-Gig einfach dazugehört. Einen Klassiker nach den anderen blies man in den mittlerweile schwarzen Nachthimmel und ließ sich auch in Sachen Zugaben – eröffnet mit dem genredefinierenden „Black Metal – nicht lumpen. Aufgrund des irgendwann nicht mehr ganz kontrollierten Bierkonsums in praller Sonne, dem Höchstgrad meiner Euphorisierung und dem Adrenalin, das mir dank VENOM INC. aus allen Poren schoss, muss ich zugeben, „Details“ wie die Setlist nicht mehr löschresistent auf meiner Hirnfestplatte gespeichert zu haben. Ich weiß, dass der Titeltrack des „Prime Evil“-Albums dabei war. Aber wurden noch weitere Songs der eigentlichen Dolan-Ära gespielt, evtl. „Blackened are the Priest“? Irgendetwas klingelt da bei mir, oder verwechsle ich das mit dem „Live ‘90“-Video? Und warum in Dreiteufels Namen brüllte ich (zwischendurch? am Ende?) plötzlich „ATOMKRAFT! ATOMKRAFT!“? Ich weiß es nicht mehr…
- „Demolition Man“ Tony Dolan
Verbrieft ist jedoch, dass ich mir anschließend einen Bekannten schnappte, mit ihm ein Taxi kaperte und wir unsere private After-Show-Party in meiner Höhle bei Musik-DVDs zelebrierten. Wir fingen ganz stilvoll mit IRON MAIDEN an und landeten über D.R.I. schließlich bei GG ALLIN & THE MURDER JUNKIES, was den Niveauverlauf ganz gut dokumentiert. Wir sind eben „evil – in league with Satan!“
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