Die „Campaign For Musical Destruction“-Tour führte dieses Bandquartett nach ein oder zwei pandemiebedingten Verschiebungen an diesem Samstag endlich auch nach Hamburg – und hätte normalerweise ohne mich stattgefunden. Da Kai Motherfucker aber verhindert war, bekam ich seine Karte geschenkt, die er zuvor von alten Hagener Kollegen zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Das ist zwar nicht so 100%ig meine Mucke, aber neugierig war ich dann schon geworden. NAPALM DEATH hatte ich zuletzt in den 2000ern auf dem Force Attack gesehen und erinnere mich an ‘nen schön wuchtigen Sound, an viel mehr aber auch nicht. Und bis aufs legendäre Debüt habe ich nix der Birminghamer im Archiv. Nach dem ersten Pülleken bei Kai eilte ich zum Gruenspan, denn Subkultur in einem Kommerzschuppen bedeutet meist peinlich pünktlicher Beginn statt chaotischem Laissez-faire, so auch heute: Bereits um 19:00 Uhr (!) begannen ESCUELA GRIND aus den USA, die bisher zwei Alben am Start haben. Hierzulande scheinen sie noch nicht sonderlich populär zu sein, denn andere Besucherinnen und Besucher hatten bereits mit dem Namen Probleme („Estrella Grind“, „Escuela Dings“) und/oder ignorierten sie durch späteres Erscheinen. Die Bude war aber ausverkauft, was dieses Phänomen relativierte, sodass die Band auf einen bereits gut gefüllten Saal von der großen Bühne hinabblicken konnte.
Grindcore ist ja so was wie Musik für Menschen, die eigentlich keine Musik mögen, die Darbietungen entsprechen eher sportlichen Leistungen denn musikalischer Virtuosität. Folgerichtig trat die sich durchgehend in Bewegung befindende Shouterin in Sport-Top- und -Panties auf und führte durch ein energiegeladenes Set aus mal mehr, mal weniger metallischem, aggressivem Grindcore mit deutlichen Hardcore-Einflüssen. Ein Song wurde im Powerviolence-Stil gezockt, ein anderer als Death Metal angekündigt. In einem zunehmend von Spaß-, Gore- und Porngrind dominierten Genre mit selbstbewusster Frontfrau aufzutreten, tatsächlich etwas zu sagen zu haben (beispielsweise zur in einer längeren Ansage bedachten LBGTQ+-Community) und seine Shows mit HC-Punk-Attitüde zu spielen, nötigt mir Respekt ab und finde ich großartig!
In der kurzen Umbaupause wurd’s dann richtig voll und mir wurde bewusst, was „ausverkauft“ im Gruenspan bedeutet: Ein heilloses Gedrängel. Wer sich zu Beginn eines Gigs von vor der Bühne aufmacht, um das Klo aufzusuchen und auf dem Rückweg ein Bier abzugreifen, läuft da fast schon Gefahr, erst zum letzten Song zurück zu sein. Die russischen, glücklicherweise offenbar noch nicht von Putins Propagandamaschinerie auf Kurs gebrachten SIBERIAN MEAT GRINDER, die sich Sänger Vlad mit MOSCOW DEATH BRIGADE teilen, liefen bisher weitestgehend unterhalb meines Radars, konnten mich live aber mit ihrem Thrash/Hardcore-Crossover überzeugen. Vlad trat (passend zum Karneval, haha…) mit Bärenmaske auf und stand die meiste Zeit am vorderen Bühnenrand, wo er mit Habi- und Gestus an einen Hip-Hop-Performer erinnerte, während der Lead-Gitarrist das akzentuierte Geschrubbe mit geilen Metal-Soli veredelte. Insbesondere der Metaller(innen)-Anteil im Mob dankte es ihnen mit Pogo, Mosh und Circle Pits, Getränke spritzten, leere Becher flogen durch die Gegend – und ich bekam, das Treiben ein, zwei Reihen hinterm Pit beobachtend, das wohlige Gefühl, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein. Das mittlerweile mit 4,20 EUR für 0,33 Liter zu Buche schlagende Jever begann, seine zusätzlich euphorisierende Wirkung zu entfalten und ich ärgerte mich ein wenig, mir SMG nicht schon früher einmal angesehen zu haben.
Der crustige Teil des Publikums schien insbesondere DROPDEAD entgegenzufiebern, jener bereits seit 1991 existenten Grind-/Hard-/Fast-/Whatever-Core-Combo aus Rhode Island. Ich erinnere mich, da früher, als man noch ständig auf der Suche nach neuen krassen Bands war, auch mal reingehört zu haben, ohne dass sie wirklich meinem Geschmack entsprochen hätte. Auch DROPDEAD verfolgen einen gewissen inhaltlichen Anspruch und entstammen der HC-Punk- und -DIY-Szene, was sie schon mal grundsätzlich sympathisch macht. Und ich find’s klasse, dass NAPALM DEATH eine solche Band mit auf Tour durch die ja nun nicht ganz so kleinen Läden nehmen. In dieser Live-Situation resultierte das aber in einem ziemlich gleichförmigen Geschrammel auf der Suche nach Geschwindigkeitsrekorden, wozu der Sänger ins Mikro kreischte. Wann immer so etwas wie Songstruktur erkennbar wurde, fand ich’s in seiner Radikalität ganz cool, ansonsten konnte ich mit dem Stil allerdings nicht wirklich etwas anfangen. Dafür neigte der Sänger dazu, sein Mikro am extralangen Kabel bedrohlich über die Köpfe des Publikums zu schwingen, was mir als Showeinlage im Gedächtnis blieb. Hätte sich da mal das Kabel gelöst, hätte die eine oder andere Kauleiste dran glauben können. DROPDEAD auf so’ner Bühne ist halt an sich schon ein Statement, und bei dieser Art von Musik spielt, äh, die Musik ja ohnehin eher eine untergeordnete Rolle. Ich betrank mich weiter, genoss meine Kippe vor der Tür und war neugierig, wie NAPALM DEATH anno 2023 live klingen würden.
Nach dem sehr unbehauenen „Scum“-Debüt hatten sich die Grindcore-Pioniere eine ganze Weile gen Deathgrind orientiert, womit sie nach, nun ja, Death Metal eben klangen, was ich persönlich trotz des einen oder anderen „Hits“ als nicht sonderlich aufregend empfand. Das DEAD-KENNEDYS-Cover „Nazi Punx Fuck Off“ im ND-Stil ist natürlich klasse, eine richtige Liebe zur Band entwickelte sich meinerseits aber nie – eher Respekt davor, wie sie unermüdlich ihr Ding durchzieht, ohne auszuwimpen, vor Frontmann und Texter Barneys klugen Interviews in der Musikpresse und davor, bis heute Haltung zu zeigen, ohne sich für die Musikindustrie zu verbiegen. Den Sound im Gruenspan empfand ich als überraschend wenig metallisch, als wolle man eben gerade nicht mehr zu sehr nach Deathgrind klingen. Der nicht zu altern scheinende Barney zuckte permanent hyperaktiv zappelnd über die Bühne und keifte ins Mikro, ein durchaus beeindruckender Anblick. Vor der Bühne ging’s rund, hinterm Pit konnte man sich im Gedrängel hingegen kaum noch bewegen. Der schlauchartige Saal erschwert zudem den Blick auf die Bühne. Was da von derselben bzw. aus der P.A. drückte, war für meine Ohren mal zwingender, mal beliebiger, wobei zugegebenermaßen irgendwann auch meine Aufmerksamkeit nachließ. Ich war ständig entweder in Schnacks verwickelt oder mit Bierholen und Klogängen beschäftigt, wozu NAPALM DEATH den Soundtrack lärmten. Zwischenzeitlich richtete ich’s mir rechts vor der Bühne ein, wo ich zumindest bessere Sicht hatte. Ich erinnere mich ans BAD-BRAINS-Cover „Don’t Need It”, daran, dass bischn Zeug vom Debüt gespielt wurde (u.a. das Prog-Grind-Epos „You Suffer“), hatte aber mittlerweile offenbar auch etwas an den Ohren, denn ausgerechnet „Nazi Punx Fuck Off“, schlicht als „second cover song“ angekündigt, erkannte ich gar nicht. WTF?! Wurde anscheinend Zeit für mich, dass das Konzert endete, was dann auch nicht mehr lange dauerte. Der Abend fand im Semtex seinen Ausklang, wo ich mich u.a. darüber freute, dass es nicht so drängelig voll war.
Fazit: Ist auch durch dieses Konzert nicht so ganz meine Mucke geworden, ein interessanter Abriss war’s aber allemal – und meine Prognose, dort viele großartige Menschen zu treffen, die ich zum Teil länger nicht mehr gesehen hatte, hatte sich bewahrheitet. Allein schon dafür hatte es sich gelohnt, nicht zuletzt deshalb noch mal Küsschen an Kai für die Karte!
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