Zu US-Comiczeichner Frank Millers ersten erfolgreichen Arbeiten gehört seine revolutionäre Adaption des Batman-Stoffs, die als „The Dark Knight Returns“ im Jahre 1986, ursprünglich in vier Bänden, veröffentlicht wurde und eingedeutscht o.g. Titel trägt. Die deutsche Fassung erschien erstmals 1989 und liegt mittlerweile in mehreren verschiedenen Auflagen vor. Meine ist der 2017 im Panini-Comics-Verlag erschienene, 228 Seiten starke Hardcover-Band, der neben Millers und Jansons von Varley kolorierten Zeichnungen die überarbeitete Übersetzung Steve Kups‘ und Jürgen Zahns enthält. Erweitert wurde diese Ausgabe um eine Einleitung Jürgen Zahns, ein ausführliches Vorwort Millers, ein Interview Brian Azzarellos mit Miller aus dem Jahre 2015, Millers erstes Exposé, alternative Coverbilder, Skizzen und ein Nachwort Christian Endres‘. Volles Programm also, für seine 25,- EUR bekommt man einen ordentlichen Gegenwert.

Um den stagnierenden Verkäufen der DC-Comics entgegenzuwirken, entschied man sich seinerzeit zu einem im DC-Multiversum mutigen, radikalen Schritt: Batman war deutlich gealtert und befand sich in einem selbstauferlegten Vorruhestand, Superman hatte sich unlängst enttarnt und diente nun dem US-Präsidenten und der bzw. die später hinzustoßende Robin ist weiblich. Potzblitz, das hatte es zuvor nicht gegeben. Wann immer die Reihe bisher einen Reboot erhalten hatte, war Batman wieder ein topfitter, moralisch über jeden Zweifel erhabener junger Mann, an Supis Geheimidentität wurde nicht gekratzt, Robin war stets ein Junge – und sollten die vielen verschiedenen Zeichner und Autoren doch einmal erzählerisch miteinander kollidiert sein und Widersprüche produziert haben, wurde das Problem gelöst, indem man einen der Handlungsstränge schlicht zu einem parallel auf einer weiteren Erde des Multiversums stattfindenden erklärte.

Dieser Batman oder vielmehr dieser 55-jährige Bruce Wayne ist unter Millers Federkiel nun jemand, der in den 1980ern desillusioniert von Batman in der dritten Person spricht und, noch immer mit Butler Alfred auf seinem Anwesen am Rande Gotham Citys lebend, seine doppelte Identität wie eine gespaltene Persönlichkeit behandelt – im Prinzip ähnlich wie bei ehemaligen Gegenspielern à la Harvey „Two-Face“ Dent. Diesem hat er eine plastische Operation finanziert, um seine Resozialisierung zu unterstützen. Als Batman trat er lange nicht mehr in Erscheinung, die Stadt wird mittlerweile von einer brutalen Gang, die sich „Die Mutanten“ nennt, in Atem gehalten; Gotham wird stärker von Kriminalität erschüttert als je zuvor. Diese gibt letztlich den Ausschlag dafür, dass er wieder als Batman auftritt; zeitgleich tritt Harvey Dent wieder auf den Plan und droht, die Twin Towers (!) dem Erdboden gleichzumachen. Batman bereitet sich auf den Kampf gegen den Mutantenführer vor und findet in Carrie Kelly ein Mädchen, das er zum neuen Robin ausbildet.

Doch die öffentliche Wahrnehmung hat sich geändert: Es findet eine öffentlich geführte Debatte über die Legitimität der Batman’schen Selbstjustiz statt. Der US-Präsident beauftragt gar Superman damit, Batman aufzuhalten. Und tatsächlich hat sich eine Gruppierung gebildet, die sich „Batmans Söhne“ nennt und mit unverhältnismäßig brutalen Mitteln gegen Kleinkriminelle vorgeht. Batmans alter Erzfeind, der Joker, wiederum wird vom naiven Psychologen Dr. Bartholomew Wolper als geheilt erachtet, ohne zu ahnen, dass Batmans Rückkehr auch dessen schwerstkriminelles, psychopathisches Wesen reaktiviert. Schafft Batman die Psychopathen, die er bekämpft, im Endeffekt also selbst? Oder muss er als Sündenbock einer sich verändert habenden Gesellschaft und eines Politik- und Mediensystems herhalten, in dem das Pochen auf Prinzipien wichtiger geworden ist als Menschenleben, in dem sich die Verhältnismäßigkeiten vollkommen verzerrt haben? Als aus dem Kalten Krieg zwischen den Systemen ein heißer wird, muss Superman eingreifen und versuchen, die tödlichen Folgen der aggressiven US-Außenpolitik einzudämmen…

Frank Miller zieht mit „Die Rückkehr des dunklen Ritters“ sämtliche Register, unter Atomkrieg und dem Tod des Jokers macht er’s nicht. Die Vorgeschichte(n) Batmans integriert er meisterhaft in die Erzählung und entwirft ein psychologisch (das besondere Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Joker und Batman) und gesellschaftlich komplexes Szenario, das die Realität der 1980er auf- und überzeichnet auf die Spitze treibt und in Teilen den Desillusionen der 1990er vorweggreift. Miller ersetzt konventionelle Comic-Panels durch Fernsehapparate: Große Teile der Geschichte werden in Form von Nachrichtensendungen und Talkshows erzählt, die die Debatten bestimmen und anheizen – und sogar Serienmördern wie dem Joker ein Forum bieten, zum Sprachrohr seines behandelnden Psychologen und schließlich seiner selbst werden. Miller führt vor Augen, wie damals, in den Prä-World-Wide-Web-Zeiten, die Außenwelt wahrgenommen und konsumiert wurde: Übers TV-Gerät, das als kleiner, streng umrahmter Kasten in schematisch exakt angeordneten Panel-Grids in seinen Zeichnungen eine gewisse Form von Klaustrophobie erzeugt. „Die Rückkehr des dunklen Ritters“ ist auch ein abstrahiertes Porträt der Generation TV. Als Batmans Fürsprecherin tritt mit einer ebenfalls gealterten, dick gewordenen Lana Lang eine weitere altbekannte Figur auf, was beweist, wie vertraut Miller mit dem Batman-Kosmos ist.

Zunächst einmal bekommen der sensationsjournalistische Debattenstil des medialen Overkills und Supermans plumper Patriotismus ihr Fett weg, später dann Ronald Reagan, der den Kalten Krieg für Ablenkungsmanöver von US-immanenten Missständen instrumentalisiert und letztlich gar einen Atomschlag provoziert. Miller & Co. illustrieren anschaulich dessen Folgen und lassen die USA in einem nuklearen Winter versinken. Batman tut sich mit Oliver „Green Arrow“ Queen zusammen, der ihn in seinem finalen Kampf unterstützt, welcher weitere Tode bekannter Figuren fordert und am Ende einen neuen Status Quo schafft, der mit einigen Tabus in Bezug auf die Batman-Reihe bricht. Miller konnte sich also so richtig austoben und bekam ungewöhnlich viele Freiheiten für dieses Projekt, das erzählerisch dem Neo-Noir ebenso verhaftet ist wie apokalyptischer Dystopie, Medien- und Institutionskritik, der Darstellung von Menschen in Extremsituationen und – ja, auch: etwas Humor, und zwar in seiner sarkastischen Ausrichtung. Dass all diese Ingredienzien auch dramaturgisch derart adäquat ineinandergreifen, dürfte eine der größten Herausforderungen gewesen sein. Abstriche muss man jedoch beim Realismus in Kauf nehmen (da wird in Band 2 beispielsweise von einem Maschinengewehrfeuer lediglich der Geiselnehmer getroffen, nicht aber das Kind), generell geht der Actionanteil häufig zu Ungunsten des Realismus – allen körperlichen Wehwehchen des Bat-Seniors zum Trotz.

Demgegenüber steht Millers etwas kritzeliger und stellenweise regelrecht unübersichtlicher Zeichenstil, bisweilen wirken die Zeichnungen gar regelrecht plump. Das ist gerade für die Freunde und Freundinnen der ’70er/’80er-Ära gewöhnungsbedürftig, sieht nach ungebundenem, sich seine Freiheiten herausnehmendem Independent-Stil aus, kann aber bis zum Schluss nicht ganz zur erzählerischen Qualität aufschließen. Nichtsdestotrotz stand „Die Rückkehr des dunklen Ritters“ seinerzeit für eine neue Comic-Ästhetik und machte das Medium nachhaltig für ein erwachsenes Publikum interessanter. Schade nur, dass Two-Face so bald überhaupt nicht mehr erwähnt wird – so rund „Die Rückkehr des dunklen Ritters“ als in sich abgeschlossene Graphic Novel auch erscheinen mag, es wirkt, als habe man das gute alte Doppelgesicht glatt vergessen.