DARK ANGEL, ‘80er-Jahre-US-Thrash-Größe aus der zweiten Reihe hinter den ganz Großen, sind wieder am Start, wenn auch leider ohne den mittlerweile verstorbenen Original-Gitarristen Jim Durkin, und unternahmen kurz vor Veröffentlichung ihres neuen Albums einen Abstecher in den Kronensaal des Billstedter Kulturpalasts (nachdem sie zuvor fürs wesentlich kleinere Bambi galore im selben Gebäude angekündigt worden waren), u.a. um ihr brutalstes Werk, den Klassiker „Darkness Descends“ aus dem Jahre 1986, in voller Länge zu kredenzen. Für Durkin ist nun Drummer Gene Hoglands Ehefrau Laura Christine an einer der beiden Gitarren dabei, und als Sänger fungiert nach wie vor Ron Rinehart, der seit der 1987er Langrille „Leave Scars“ diese Position innehat. Mit über 30 Öcken Eintritt kein Pappenstiel, aber das war’s mir dann doch wert.
Den Einheizer machten die indischen Heavy-/Thrash-Metaller KRYPTOS, die nun auch schon seit 1998 mitmischen und seither sieben Alben auf dem Buckel haben. Diese konnten mich auf volle Albumdistanz zwar nie 100%ig überzeugen, dennoch hat sich im Laufe der Zeit einiges Songmaterial angesammelt, das ich verdammt gerne höre. Als das Quartett pünktlich um 20:00 Uhr anfing, war der Saal noch nicht sonderlich üppig gefüllt, was sich im Laufe des Sets aber ändern sollte. Der Sound war von Beginn an gut und der häufig sich eher im Midtempo-Bereich bewegende Heavy/Thrash-Stil sorgte in Kombination mit der bunten Lightshow und reichlich Nebel für Atmosphäre. Am besten gefällt mir die Band aber, wenn sie ihr Tempo variiert und deutlicher Richtung flottem Thrash tendiert. Sänger/Gitarrist Nolan hat ‘ne geil giftige Stimme und nahm sich zwischendurch die Zeit, seine Band vorzustellen, die das Publikum mit jedem Song mehr auf ihre Seite zog. Die Konsequenz waren „KRYPTOS, KRYPTOS!“-Rufe aus dem Publikum nach einer halben Stunde. Mit „Cold Blood“ und „Afterburner“ entdeckte ich dann auch zwei meiner Lieblingssongs im Set, wobei letzterer mit Mitsinginstruktionen einherging – das „Watch out!“ sollte doch bitte kräftig mitgebrüllt werden, was auch gut funktionierte. Mein persönlicher Höhepunkt dieses Gigs, der nach 50 Minuten endete und für den die Band gut abgefeiert wurde – sie hatte sich ihr Publikum redlich erspielt. Etwas gewöhnungsbedürftig war lediglich der Anblick des Schlagzeugs, das am rechten Bühnenrand aufgebaut werden musste, da es nicht vors schon in vollem Umfang bereitstehende, ausladende DARK-ANGEL-Kit passte.
- Kryptos
Nach relativ kurzer Umbaupause stiegen DARK ANGEL für mich überraschend mit „Time Does Not Heal“ ein, dem (geilen) Titelstück des bis dato letzten, melodischeren Albums aus dem Jahre 1991. Leider übertönten die Drums alle anderen Instrumente und auch den Gesang. Es folgten Nummern des „Time Does Not Heal“-Vorgängers „Leave Scars“ und auch ein, zwei Stücke des bevorstehenden Albums, wobei der Sound immer besser wurde – recht bald passte alles, wenngleich man den Gesang für meinen Geschmack gern generell etwas dominanter in den Vordergrund hätte mischen dürfen. KRYPTOS-Mitglieder mischten sich ins Publikum, die Bude war längst gut voll und alle warteten auf die „Darkness Descends“-Vollbedienung. Wie würde diese mit Rinehart am Mikro klingen, der auf jenem Album ja noch gar nicht zu hören war? Nun, Rinehart war superagil, eine Rampensau vor dem Herrn, trug ‘nen schnieken Irokesenschnitt, ließ sich sein Alter nicht anmerken (ganz im Gegenteil) – und war stimmlich variabel und fit genug, um die Songs in seiner Mischung aus echtem Gesang, Shouting und ein bisschen Growling sowie gelegentlichen Kopfstimmenausflügen auf seine eigene Weise respektvoll zu interpretieren und überzeugend rüberzubringen. Der gesamten Band gelang es, mit diesem dem verstorbenen Durkin gewidmeten Set authentische Spielfreude und Energie wie ein ganzes Kraftwerk aufs Publikum zu übertragen, das mittlerweile freidrehte und seinem Bewegungsdrang freien Lauf ließ. Welch brachiales Gebretter in Höchstgeschwindigkeit, welch herrliches Geholze, das einem die Rübe abschraubte! Das ausgepowerte Publikum schrie gar nicht erst nach einer Zugabe, es hatte alles bekommen, was es brauchte. Da bin ich doch direkt mal aufs neue Album gespannt.
- Dark Angel