Die friedliche Revolution in der DDR und die Wende waren bemerkenswert, was daraus schließlich wurde hingegen eine Farce – so weit, so bekannt. Der Rostocker Fotograf Siegfried Wittenburg war seinerzeit mittendrin und hat so viel wie möglich mit seiner Kamera festgehalten. Somit kann er auf ein beträchtliches Fotoarchiv aus der Zeit des Umbruchs in der Stadt an der Ostseeküste zurückgreifen, das er u.a. für dieses Buch öffnete. Wittenburg brachte es im Selbstverlag im Jahre 2009 heraus, und es macht äußerlich einiges her: Die rund 80 Seiten bestehen aus festem Kartonpapier und stecken im festen Einband zwischen zwei stabilen Deckeln. Großflächige Schwarzweißfotos werden von Erlebnisberichten 14 verschiedener damals Beteiligter ergänzt, das Layout ist luftig und zum Lesen einladend. Große wie kleine Bilder sind jeweils mit Orts- und Jahresangaben versehen, der Großteil stammt – logisch – aus dem Jahre 1989.

Die Texte vermengen überlieferte jüngere deutsche Zeitgeschichte mit subjektiven Erlebnisberichten – und sind der Schwachpunkt dieses Bands. Einer der Autoren ist Joachim Gauck, Pfaffe und Bundespräsident a.D., dessen generell antisozialistische Haltung auch in den Berichten der anderen Verfasserinnen und Verfasser durchschimmert. So lassen diese auch keinerlei kritische Distanz erkennen, weder zu Gauck, den sie meist bei seinem Spitznamen „Jochen“ nennen, noch zu den Folgen des Beitritts der DDR zum Staatsgebiet der BRD. Man feiert sich in erster Linie selbst und möchte das alles natürlich als Mahnung und Lehre für jüngere Generationen verstanden wissen, wie Wittenburg in seinem zweiseitigen Nachwort sinngemäß schreibt.

Dafür sind die (ein paar Tippfehler aufweisenden, vermutlich also unlektorierten) Texte jedoch zu subjektiv, einseitig und vermitteln zu wenig geschichtliches oder politisches Hintergrundwissen. Im Kapitel um die Grenzöffnung am 9. November 1989 beispielsweise werden Egon Krenz und seine Rolle dabei mit keiner Silbe erwähnt, dafür jedoch eine komplette Seite für ein Foto einer Anti-Krenz-Karikatur aufgewandt. Mit Verlaub, aber das mutet schon etwas geschichtsvergessen und tendenziös an.

Wittenburgs Fotos sind wichtige Zeitdokumente eines Staats im Umbruch, der in der weiteren Konsequenz zu seinem Niedergang führte, und somit sehens-, ausstellens- und druckenswert. Zum Lesen würde ich (nicht nur) jüngeren Generationen jedoch andere Lektüre nahelegen.