Der erste Novemberabend des Jahres trommelte alle Metal-Affinen, die Halloween überlebt hatten, mit einem fünf Bands starken Paket für arbeitnehmerfreundliche 20 Öcken zusammen und begann dementsprechend bereits um 20:00 Uhr, was wir nicht ganz geschafft hatten und somit nur noch den letzten Song der Kieler GRAVEHAMMER vernahmen, eine kompetent interpretierte Coverversion des BATHORY-Klassikers „Sacrifice“. Ansonsten hätten sie Death Metal gespielt, wie ich mir berichten ließ. Ich wertete das einfach mal als guten Einstieg in den Abend, der mich im Anschluss mit dem schwedischen Quartett INSANE positiv überraschte: Die 2009 gegründete Band hat nach zwei EPs und einer Split-Scheibe 2017 ihre erste Langrille „Evil“ mit schick-schäbigem Cover veröffentlicht und geht ähnlich unbedarft wie an ihre Namens- und Titelwahl (es gibt üffzig andere Bands selben Namens und mit „Evil“ gewinnt man ganz sicher keinen Innovationspreis) an ihren Sound heran. Von der Bühne schallte nämlich erfrischend unbekümmerter, ungestümer Oldschool-Thrash-Metal mit fieser Black-Thrash-Kante und postapokalyptischem Hall auf der garstigen Stimme. Der ließ schnell das etwas nervige Intro aus der Konserve vergessen und einen umso mehr über die Popperfrise des Sängers/Klampfers wundern. Freude bereitete auch der gern mal richtige Melodien einfließen lassende, grimassierende Bassist. War musikalisch genau mein Ding, sodass ich die Gelegenheit beim Schopfe packte und die LP einsackte, wofür ich sogar noch einen Aufnäher geschenkt bekam.
Die Spanier FRENZY existieren erst seit 2014, auf eine EP 2016 folgte 2019 das Debütalbum „Blind Justice“. Inhaltlich hat man sich ganz Superhelden-Comics verschrieben, spielt mit deren Ästhetik und bietet am Merch-Stand sogar ein eigenes Comicheft feil. Eigentlich war der GAU für ihre Tour eingetreten: Beide Gitarristen mussten kurzfristig absagen. Wie ein Metal-Superheld eilte jedoch Teufelskerl Johnny Lorca herbei, zog sich in einer Telefonzelle sein ihm Supergitarrenkräfte verleihendes Tiermusterhemd über und bot an, sich in nur drei Tagen das Set draufzuschaffen und parallel zu Verpflichtungen bei HITTEN die Comic-Nerds zu unterstützen. Anfänglich schien jedoch noch irgendein Superschurke seine Finger im Spiel zu haben, denn nach einem kurzen Intro-Playback gab seine Gitarre nur ein Knarzen über die P.A. von sich. Unbeeindruckt spielte die Band weiter, während die Techniker zunächst rätselten, um nach dem zweiten Song aber sämtliche Soundprobleme endgültig in den Griff bekommen zu haben. Der sehr laute, dominante und technisch beeindruckende Kopfgesang des seine Kräfte vermutlich von seinem magischen Vollbart erhaltenden Sängers war mir zunächst zu jodelig, aber mit der Zeit gewöhnte ich mich an ihn und je mehr er in den Gesamtsound mit nun ja vernehmbarer Gitarre eingelassen wurde, desto besser klang er. Er passte ohnehin gut zum Amalgam aus klassischem Heavy Metal und starken US-Metal-Einflüssen, das mit dem vierten Stück sogar eine schöne Speed-Nummer ausspuckte, um sich dann wahnsinnigerweise an DOKKENs „Dream Warriors“ aus dem „A Nightmare on Elm Street III“-Soundtrack zu versuchen. Da brauchste schon ‘nen arschtighten Groove und musst verdammt hoch mit der Stimme kommen, um das nicht zu versauen. Das gelang jedoch durchaus passabel, vermutlich bezog Bassist Choco seine Superkraft aus seinen Blitzleggins. Mit „Save Me“ folgte der Song vom Promo-Video-Clip, der mit einem schön eingängigen Refrain und gerade zum Ende hin fantastischem Gitarrenspiel ausgestattet wurde, bevor ein weiterer Speedster das Ende eines Auftritts zwischen manch Metal-Großtat und etwas kitschigem Pathos einläutete, der mich mehr als nur einmal an meine Kindheit in den ‘80ern erinnerte. Sänger Anthony kündigte an, beizeiten mit zwei Klampfen wiederkommen zu wollen, während Johnny sich bereits in Verhandlungen befindet, auf der nächsten IRON-MAIDEN-Tour alle drei Gitarristen zu ersetzen…
HITTEN, Johnnys eigentliche Band, kamen ohne Intro aus, gönnten sich dafür aber einen Line-Check. Wie FRENZY kommt man aus Spanien und spielt seit 2011 auf mittlerweile drei Langdrehern und einer EP rostfreien Edelstahl mit Speed-Ausflügen, von dessen Qualitäten ich mich auf dem letztjährigen Headbangers Open Air überzeugen konnte. In nun komplett voller Bude machte die Band mit den offenen Haaren und Hemden von vornherein ordentlich Rabatz und sorgte für ausgelassene Stimmung. Wer sich derart beeindruckend wie die beiden Gitarristen die Soli untereinander aufteilt, einen geilen Twin-Lead nach dem anderen fiedelt und sich sogar fette Twin-Soli aus den Rippen leiert, darf dann auch posen wie die ganz Großen. Tat man dies gerade nicht, rannte man auf der kleinen Bühne hin und her, wodurch der Gig sehr bewegungsreich, geradezu wuselig anmutete. Zwischendurch verschwanden beide Gitarreros sogar im Publikum, wo sie von zahlreichen Bangern freudig in Empfang genommen wurden. Ein separater Slot für ein Gitarrensoloduell der beiden ging nahtlos in den nächsten Song über. Die Lässigkeit, mit der hier hochkarätiger, flotter Metal, der stilistisch irgendwo zwischen RIOT und ENFORCER anzusiedeln ist, dargereicht wird, ist mehr als beeindruckend und macht HITTEN zweifelsohne zu einer der zurzeit besten Livebands auf diesem Sektor, HITTEN sind die bandgewordene Spielfreude und zelebrieren vollendet veredeltes Spitzenmetall. Da nahm auch der Letzte allein schon aus Respekt die Hände aus den Hosentaschen, zu Forderungen nach Zugaben ließ sich unverständlicherweise dennoch niemand hinreißen. Nichtsdestotrotz dürfte hier wirklich jeder auf seine Kosten gekommen sein, möglicherweise sogar die Vollbedienung erfahren haben, nach der nichts mehr ging.
Anders kann ich es mir kaum erklären, dass sich die Reihen zu den schwedischen SCREAMER etwas lichteten. Die einzige Band des Aufgebots, die bereits im vergangenen Jahrzehnt existierte – man fand 2009 zusammen –, blickt neben einer EP auf bereits vier Alben zurück. Ende 2013 hatte ich sie schon mal im Bambi live gesehen und meinen Spaß, seitdem hatten sich unsere Wege nicht mehr gekreuzt. Die Becken indes hängt der Punk am Schlagzeug noch immer rekordverdächtig hoch, außerdem erweiterte er das Drumkit um eine zweite Bassdrum. Auf ein sehr atmosphärisches eingespieltes Intro und den Opener folgte sogleich mit „Demon Rider“ mein bisheriger persönlicher Hit der Band, bevor es mit dem neuen Song „Shadow Hunter“ weiterging. Das jüngste, hier betourte Album „Highway of Heroes“ hatte ich vorab noch nicht gehört. Natürlich war das Set mit mehreren neuen Nummern gespickt, so auch dem Titelsong, der sich als astreiner Mitgröler entpuppte – wie überhaupt das ganze Album sich als das bisher stärkste der Band herausstellte. SCREAMER galvanisieren ihren klassischen Sound mit Twinguitars, ballernden Double-Bassdrums und eingängigen Refrains, was grob zusammengefasst das Bandkonzept zu sein scheint, wobei mir die Refrains gerade in der Vergangenheit mitunter etwas zu bemüht in Passform gegossen wurden und nicht alle zündeten. Die Hitdichte war diesmal jedoch relativ hoch. Dass man hingegen „Screamer“ gar nicht spielte, wunderte mich, hielt ich jene Nummer doch für so etwas wie ihren Signature Tune. Die Rufe nach Zugaben wurden leider ignoriert. Alles in allem war’s aber ein ebenfalls sehr unterhaltsamer Gig, dem beizuwohnen und dabei paar Bierchen zu zischen echt Laune machte und mich motivierte, mich mal in Ruhe musikalisch auf den „Highway of Heroes“ zu begeben. Und der kann auf jeden Fall mehr als der Trampelpfad of Trottels oder so.
Das war’s dann auch fürs Erste aus dem Bambi, in dessen großem Bruder, dem angrenzenden Kulturpalast, am 23.11. das „True Thrash Fest“ lockt, auf das ich mich schon lange freue wie Bolle und von dem ich natürlich ebenfalls berichten werde. Bis dahin aber zehre ich von diesem äußerst gelungenen Abend, der übrigens unter dem vollmundigen Motto „Shock & Adrenaline over Hamburg“ stand – kein Wunder also, dass wir nicht sofort in die Koje fanden, sondern uns im Café Treibeis noch bei ein paar Absackern erholen mussten, wozu the one and only DJ Kernseife den Soundtrack lieferte.
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