„Schneller, härter, konzerter!“

Wir hatten schon im Skorbut gespielt, im Kraken, im Menschenzoo und nun auch im Semtex. Dabei handelte es sich um den immer selben laden, der alle paar Jährchen Namen und Betreiber wechselt, aber glücklicherweise bisher immer eine feste Adresse für Punk und Artverwandtes auf dem Kiez blieb. An eben diesem Ort sah ich vor zweieinhalb Jahren erstmals und endlich THE IDIOTS aus Dortmund, eine der dienstältesten deutschen Punkbands und fester Bestandteil meiner persönlichen musikalischen Punk-Sozialisation. Das war definitiv einer der Konzerthöhepunkte jenes Jahres. Mittlerweile hat die Band um Frontmann Sir Hannes das neue Album „Schweineköter“ am Start und betourt es ausgiebig – und in Hamburg durften wir die Vorturner machen!

An Equipment befand sich bereits fast alles vor Ort, sodass wir diesmal keine überdimensionierten Lautsprecher aus unserem Proberaum im sechsten Stock zu wuchten brauchen – das war schon mal äußerst angenehm. An fester Nahrung servierte man ein spitzenmäßiges Seitan-Gulasch ganz nach meinem Geschmack. Norman machte ‘nen 1A-Soundcheck mit den IDIOTS und anschließend mit uns, woraufhin wir noch auf ein Gezapftes bei Hermann im Osbourne einkehrten und herumalberten. Nach unserer Rückkehr gegen 21:45 Uhr scheuchte man uns sofort auf die Bühne. Da wir es leider in den letzten Wochen vorm Gig nicht mehr geschafft hatten, alle gemeinsam zu proben (irgendjemand fehlte immer), verschoben wir die Live-Präsentation eines generalüberholten Songs und spielten dasselbe Set unserer Mini-Tour mit THE NILZ aus dem Frühjahr. Während des Soundchecks hatte mein Gesang auf dem Weg von der Kehle in die P.A. irgendwo einen Wackelkontakt erlitten, weshalb das Kabel ausgewechselt worden war. Während unseres zweiten Songs „Brigitte Bordeaux“ stellte sich heraus, dass mitnichten das Kabel, sondern das Mikro schuld war. Nachdem auch das ausgetauscht worden war, gab’s glücklicherweise höchstens noch selbst verursachte Probleme wie ein paar wenige Verspiele oder die obligatorischen Nachstimmpausen, ansonsten flutschte der Gig gut durch. Die Bude war mehr als ordentlich gefüllt, vorne brachten wir nach der technischen Panne ein paar Leute zum Tanzen und konnten uns auf einen stilsicher in ein 1323-Shirt gewandeten Herrn verlassen, der fast jede unserer Darbietungen mit „Da geht noch was!“ oder „Schneller! Lauter! Härter!“ in unterschiedlichen Variationen kommentierte – und tat er es mal nicht, fragten wir ihn nach seiner Einschätzung, bevor wir weiterspielten. Kurioserweise stand unmittelbar neben diesem Partyboy ein Pokerface, das uns den gesamten Gig über skeptisch beäugte, ansonsten aber keine Miene verzog und sich keinen Millimeter bewegte. Welch Kontrast! Da unsere Monitorbox ihre Belastungsgrenze erreicht hatte und ich mich nur ziemlich leise hörte, bin ich dann und wann wieder in den Gegenanbrüllmodus verfallen, Spaß gemacht hat’s aber allemal und anschließend wat verkauft ham‘ wir auch.

„Semtex, Bier lauter!“

Im Vorfeld so gar nicht auf dem Schirm hatte ich die SCUMFUCK OUTLAWS, die die gesamte Tour mit den IDIOTS bestreiten, aber bis kurz vor Ultimo gar nicht in der Konzertankündigung genannt worden waren. Die aus Lünen/Dortmund/Bochum stammende fünfköpfige Band existiert bereits seit 2006 und zockt ‘ne ziemlich wuchtige Mischung aus Scumpunk/-rock à la ANTISEEN und Konsorten und aggressiver Hardcore-Kante – auf einem technisch beachtlichen Niveau. Ok, ist man nicht tatsächlich ein fertiger Südstaatenzottel, läuft diese Art von Musik Gefahr, aufgesetzt und gekünstelt statt authentisch zu wirken. Aber auch ohne mit Kot um sich werfen oder sich nackt in Reißzwecken zu wälzen konnten SCUMFUCK OUTLAWS kräftig auf die Kacke hauen und klasse Entertainment bieten, dem ich nicht vollständig und schon gar nicht konzentriert beiwohnen konnte, der aber schwer Laune machte und vor allem dazu einlud, den Gig mit reichlich Bier zu begießen. Würde ich mir auch noch mal gezielter und aufmerksamer anschauen.

Als THE IDIOTS loslegten, war ich längst komplett durcheuphorisiert und erwartungsfroh betrunken. Während Sir Hannes & Co. seinerzeit eine Art um die Hits des Comeback-Albums erweitertes Best-of-Set spielten, legten sie nun selbstbewusst den Fokus auf das neue Album „Schweineköter“. Wenn ich nicht irre, waren „Verseucht“ und „Fleischwolf“ vom „Amok“-Album weiterhin dabei, ansonsten noch ein paar alte Schoten vom Schlage „Der Idiot“, „Der S04 und der BVB“, „Tage ohne Alkohol“ und „EDEKA“. Die Stimmung war prächtig, ich schwang vor der Bühne nicht nur das Bein, sondern den ganzen Körper und brüllte lauthals mit, was mir an Texten geläufig war und die Stimmbänder noch hergaben. Sir Hannes trug mal Sonnenbrille und Plastiktüte überm Kopf, mal behängte er sich mit Wurst oder wanderte durchs Publikum. Fragt nicht nach Details, aber es ging wohl nicht ganz so chaotisch rund wie damals, und auch die Merch-Dame in Nonnenkluft blieb diesmal ohne Bühneneinsatz – doch auch mit dem neuen Album sind THE IDIOTS live eine absolute Macht um einen in aller Punkrock-Würde gereiften Frontmann, die eine unheimlich unterhaltsame, musikalisch wie optisch abwechslungsreiche Show bietet und aus einem breiten Repertoire an Hits schöpfen kann. Ich war jedenfalls sehr zufrieden mit allem, hab’s ordentlich krachen lassen und bedanke mich an dieser Stelle noch mal bei allen, die sich uns reingezogen haben, beim Semtex-Kulturkollektiv, beiden Bands und natürlich Flo für die Schnappschüsse unseres Gigs!