Wie hier bereits vermerkt, bekamen wir die Möglichkeit, aufgrund des kurzfristigen Ausfalls der SPARTANICS einen Tag nach unserem ersten Auftritt in neuer BOLANOW-BRAWL-Besetzung einen zweiten Gig an der Grenze zu Dänemark dranzuhängen, also die von uns besungene „Two Day Session“ draus zu machen. Kurzentschlossen sagten wir zu und machten uns am frühen Samstagnachmittag auf den Weg nach Flensburg – ein Teil im Auto, ein Teil per Bahn (die sogar pünktlich war). Das Volksbad ist eine richtig geile Location, in der verschiedenste Veranstaltungen stattfinden und in die sich die Skinhead Crew Flensburg mehrmals im Jahr für ihre „Kleinstadtwahnsinn“-Konzertreihe einmietet. Witzigerweise hatte unser Gitarrist Christian Teile der Crew erst eine Woche vorher in Bad Oldesloe auf einem Konzert getroffen, wo man über ein mögliches Konzert ins Gespräch kam – das dann unverhofft rasch stattfand. PR-mäßig waren die auch auf zack, die Online-Flyer wurden rasch aktualisiert.

Wie tags zuvor im Bambi brauchten wir auch hier nur das Nötigste mitzubringen, was die Anreise sehr entspannte, und auch hier erwartete uns eine richtig fette Anlage mit sogar vier Monitorboxen am vorderen Bühnenrand. Backstage hatte man mehr als üppig für uns aufgefahren – ein riesiges Buffet, das nie und nimmer komplett verzehrt wurde, und Bier in zig Sorten, darunter sogar das ostdeutsche Kult-Arbeiterbier Sternburg Export, das die Thüringer OI!STURM ASOZIAL sich gewünscht und die Veranstalter tatsächlich kistenweise herangekarrt hatten, nachdem sie es im Bad Oldesloer Netto-Markt ausfindig machen hatten können. Der Soundcheck fand unter professionellen, entspannten Bedingungen statt und so bekamen auch wir einen amtlichen Sound zusammengemischt. Und auch hier waren Monitorboxen im Einsatz, die einfach ihren Dienst taten, ohne herumzuzicken oder nervige Rückkopplungen zu erzeugen. Ein Traum!

Anschließend gab’s lecker Mampf, wobei ich – und mein Umfeld – vom Aioli noch gefühlt drei Tage etwas hatten. Respekt! Inklusive ‘ner zweiten Koffeindosis und Konterbier half das, meinen leichten Kater vom Vortag zu bekämpfen. Mit dem Einlass füllte sich die Bude rasch und wir fingen pünktlich um 21:00 Uhr an. Unser Set war identisch zum Vorabend, der uns hier und da noch etwas in den Knochen steckte. Meine Sorge, dass meine mit aufeinanderfolgenden Gigs keinerlei Routine aufweisende Stimme versagen könnte, erwies sich aber als unbegründet. Dummerweise hatte sich Christian seine Klampfe am Vortag geschrottet, weshalb er auf ein völlig ungestimmtes Ersatzexemplar zurückgriff, dessen Saiten er nach jedem zweiten Song in Panik vor schiefen Tönen komplett durchstimmte. Das nahm etwas den Fluss aus unserer Darbietung, die Zwangspausen überbrückten wir mit dem üblichen debilen, alkoholgeschwängerten Gesabbel. Das Publikum meinte es nichtsdestotrotz gut mit uns. Vor der Bühne waren stets ein paar Leute am Tanzen und die Flucht ergriff niemand. Zwei Viertel der COCK-UPS, mit denen wir am Vorabend gespielt hatten, waren sogar eigens nach Flensburg nachgereist, um uns noch mal zu sehen. Völlig bekloppt, aber geil – herzliche Grüße! Der OI!STURM-Drummer hatte uns freundlicherweise sein Getränkehalterstativ zur Verfügung gestellt, sodass ich diesmal nicht ständig versehentlich mein Bier umtrat oder mit dem Mikrokabel zu Fall brachte. Feuchte Kehle, aber trockene Bühne! So’n Ding will ich jetzt immer. Den ganzen Abend wurden übrigens professionelle Fotos geschossen, die aber anscheinend erst noch entwickelt werden. Gibt aber ein, zwei Livevideos:

Die HEROES 2 NONE stammen aus dem dänischen Aarhus und setzen sich offenbar aus (ehemaligen) Mitgliedern dänischer Oi!-/Streetpunk-Bands wie LAST SEEN LAUGHING, THE GUV’NORS (mit denen wir mal in Kiel gespielt hatten) und THE OUTFIT zusammen, sind Teils etwas älteren Semesters und zocken ‘ne unterhaltsame, gut in Ohren und Beine gehenden Mischung aus klassischem Oi!-Punk, Punkrock, aber auch Pubrock mit durchgehend englischsprachigen Texten. Die Band hat ‘ne verdammt sympathische Ausstrahlung und kam bestens an. Anfänglich sprang der Bassist ins Publikum, um kurz mitzupogen, woraufhin sich die Tanzfläche immer stärker füllte und die Band gebührend abgefeiert wurde, während ich zwischen Merchstand, Schmauchen vor der Tür, Bier holen und -wegbringen mäanderte, also nicht den ganzen Gig auf die Band fixiert verfolgte. Auch von diesem existieren Videos:

Mehr als am Vortag sah ich aber vom Headliner Oi!STURM ASOZIAL, allein schon aufgrund der wesentlich breiteren Fläche vor der größeren Bühne.  Das Quartett packte die gröbere Kelle aus und zockte sich durch seine Trinker- und Szenehymnen und musikgewordenen Mittelfinger an Gesellschaft, Spießer und Faschos. Die Band hat die Kraft der zwei Gitarren, sechs Basssaiten, sechs Sternikästen und acht Eier – und sorgte für eine vor der Bühne im Vergleich zu Hamburg nicht ganz so körperliche, harte, sich dafür über mehr Reihen erstreckende Ekstase. Ich erinnerte mich daran, am nächsten Tag gar nicht so viel vorzuhaben, und gab mir nun auch wider jede Vernunft die Kante, indem ich ihnen das Export wegsoff und mich irgendwann vor der Bühne den einen oder anderen Refrain mitskandierend wiederfand. Songs wie „Spinnennetz“, „Erzähl mir was“ oder auch das besonders prollige „Drecksau“ setzten sich als hartnäckige Ohrwürmer fest, gecovert wurden zeitlose Hits wie „74.000“ der GEWOHNHEITSTRINKER und „Filmriss“ von KNOCHENFABRIK, und immer mal wieder lockerte die Posaune den aggressiven, rauen Oi!-Punk-Sound mit seinem heiseren Gesang und den kräftigen Chören auf. In den vorderen Reihen spritze man euphorisiert mit Bier, die Stimmung war auf ihrem Höhepunkt und total mitreißend. Gegen Ende befanden sich noch zwei Leute mehr auf der Bühne, weil einer von ihnen Geburtstag hatte und mitsingen sollte oder so… Kriege ich nicht mehr 100%ig zusammen.

Irgendwann verschwimmen dann meine Erinnerungen und ohne Christians wesentlich bessere Hälfte Sandy, die einen Teil von uns völlig selbstlos nach Hause und mich sogar bis vor die Haustür brachte, wäre ich mit meiner Oi!STURM-LP unterm Arm wohl nicht mehr nach Hause gekommen. El Christian und Don Raoul hingegen schlugen sich noch die Nacht in Flensburg um die Ohren. Ach ja, und Christian nickte alles ab, sogar den Arsch vom OI!STURM-Drummer im Takt zur Reggaemusik (kleiner Insider) 😉 Sonntag lagen zwei feucht-fröhliche Konzertabende hinter uns, die uns angefixt haben. An beiden hat man uns überaus freundlich empfangen und aufgenommen, es hat uns an nichts gemangelt! Im Bericht vom Vortag schrieb ich ja bereits, dass mich OI!STURM ASOZIAL an den Sound des Oi!-Revivals in den ‘90ern erinnern. In Flensburg kamen stilecht die zwischenzeitlich ja fast ausgestorben gewähnten bunten aufgestellten Iros und Domestosjacken hinzu – und, und das ist wahrscheinlich das Schönste: gar nicht so wenig Jungvolk. Von der so oft beschworenen Überalterung der Szene war hier nicht viel zu sehen.

Danke an die Skinhead Crew Flensburg für die leidenschaftliche, liebevolle Organisation, den Volkshaus e.V., Sandy und Sheila, Oi!STURM ASOZIAL und HEROES 2 NONE sowie alle Konzertbesucherinnen und -besuchern – das hat geflenst!