Kai Le Rei-Motherfucker kommt endlich unter die Haube, was natürlich Anlass für ‘ne zünftige Party in Form eines Junggesellenabschieds ist! So richtig organisiert war diesbzgl. aber nix; jemandem, der auf dem Kiez wohnt, braucht man natürlich gar nicht erst mit schwachsinnigen Verkleidungen, Einheitslook und Kurzen-Bauchladen zu kommen, und von uns hatte da selbstredend auch niemand Bock drauf. Fest stand letztlich nur, dass wir abends in die Lobusch torkeln würden, um an der „RD-Rock-Warm-up-Party“ mit vier Livebands teilzunehmen – und dass wir vorher im Osborne Fußi gucken und beginnen würden, uns volllaufen zu lassen. Böse Zungen könnten nun behaupten, wir würden schlicht das Gleiche wie jedes Wochenende tun, doch das stimmt ja schon lange nicht mehr. Seriosität ist unser zweiter Vorname geworden, Verantwortungsbewusstsein unser dritter, Kräutertee und Mineralwasser haben Schnaps und Bier den Rang abgelaufen. Bis zu diesem Tag…

Kai, schlau wie ein Fuchs, hatte ein paar Tage zuvor bereits geahnt, dass wir etwas ausgeheckt hatten und saß längst mit ‘ner Pulle Bier auf seinem Balkon, als die Dres. Tentakel und Martin sowie meine Wenigkeit bei ihm eintrudelten und sich die ersten Vasen aufrissen. Zu viert ging’s erst mal in den Silbersack, wo Betreiber Dominik ‘ne Runde springen ließ – danke, Alter! Im Osborne verfolgten wir mehr oder weniger den Bundesliga-Spieltag, erwartungsgemäß sah Kai seine Schalker verlieren – wenn auch spektakulär in allerletzter Minute. Doch seine Laune konnte das nicht vermiesen, waren doch mittlerweile nicht nur Martin Crackmeier und Eisenkarl, sondern auch sein Trainer, Pepe aus’m Pott, als Überraschungsgast hinzugestoßen. Die nicht ganz so glorreichen Sieben waren somit komplett. Nach dem Abpfiff verweilte man noch etwas im Osborne, um anschließend einen Abstecher in den Park Fiction mit Bier vom Kiosk zu wagen, wo wir auf weitere bekannte Gesichter stießen. Ein Blick auf die Uhr offenbarte schließlich, dass die Zeit drückte. Aus dem angedachten Spaziergang vom Kiez nach Altona mit Zwischenhalt in diversen Pinten wurde eine Bahnfahrt mit Druck auf der Blase und ein kurzer Besuch des Möllers. Deniz schräg gegenüber kredenzte Wegzehrung für jeden Geschmack inklusive köstlichem Veggie-Döner; unweit auf dem Gaußplatz öffnete man kurz das El Dorado, um unsere Truppe vor dem Austrocknen zu bewahren. Als wir schließlich in der altehrwürdigen Lobusch aufschlugen, mussten wir feststellen, dass man dort pünktlich wie die Maurer angefangen hatte, sodass wir nur noch die letzten beiden THEM-FALLS-Songs mitbekamen, drückenden Sludge-Metal mit kehligem Gesang und düster-doomigem Sound.

NUISANCE OF MAJORITY? Nie gehört vorher, Asche auf mein Haupt. Die Kieler sind nämlich schon arschlange am Start und spielen einen modern klingenden Mix aus schleppendem, schwerem Hardcore, Doom, Düsterpunk und treibenden Speed-Attacken. Ein Berg von einem Shouter füllte den Raum vor der Bühne aus, growlte, röchelte und brüllte, konterkariert vom melodischen, punk’n‘rolligen Gesang des Gitarristen im ZEKE-Shirt. Das war alles nicht nur technisch durchaus beeindruckend, sondern hatte auch ordentlich Wumms. Sehr geil auch der Song „Fuck Club 88“ gegen den bekackten Naziladen in Neumünster.

Zwischen dem NOM-Gig und dem des KAMIKAZE KLANs lagen diverse Getränkerunden, unsere Hirne schalteten langsam aber sicher auf Tiefflug, meine Tanzlust stieg analog dazu. Der KKK-Sound bot einen schönen Kontrast zu NOM, die Jungs sind klasse, wie jeder weiß, und Frontsau George sowieso immer motiviert bis in die Haarspitzen. Die Songs des Debütalbums entfalteten ihren rockigen Streetpunk-Glanz, der allen ernsten Themen zum Trotz eine positive Lebenseinstellung vermittelt. Carpe diem und nimm verdammt noch mal nicht alles so furchtbar wichtig. Fast alle Klansmen haben Äonen an Jahren in verschiedenen grandiosen Bands hinter sich; dass sie’s mit frischem Material noch mal wissen wollen und sich leidenschaftlich hinter ihre aktuelle Band klemmen, ist überaus begrüßenswert. George positionierte sich samt Mikroständer vor der Bühne und gab die letzte Distanz zum Publikum auf, als er sich des Metallgelöts entledigte. „Durch die Hose atmen“ avancierte an diesem Abend zu meinem Lieblingssong. Also alles prima – aber kann es sein, dass das Set bischn kurz war? Und kann es sein, dass wir uns darüber auch noch unterhalten haben? Langsam wird’s kritisch mit der Erinnerung…

Unbestritten aber ist, dass MØRDER, die mich vor einiger Zeit in der Roten Flora sehr positiv überrascht hatten, auch heute wieder volles Pfund ablieferten und kräftig aufs Mett klopften. Bester, derber Neo-Crust voller Aggression und Atmosphäre. Die Besetzung der drei Herren (einer davon im zweiten ZEKE-Shirt des Abends) und zwei Damen erlaubt splitterige Gitarrenbretter, auf die Shouterin Anna eindrucksvoll growlt und keift. Das schepperte und krachte alles so schön und tight, dass ich mich zusammen mit einer Handvoll anderer Connaisseure grobmotorisch zuckend vor der Bühne wiederfand. Perfekter musikalischer Abschluss eines Abends, der daraufhin spontan bis tief in die Nacht bzw. gar bis in die frühen Morgenstunden ausgedehnt wurde…

So musste das Café Treibeis noch den Besuch unserer sich langsam dezimierenden Gruppe über sich ergehen lassen, im Anschluss – so weit lassen sich die Ereignisse noch rekonstruieren – starteten Kai und ich noch per Taxi auf den Kiez durch. Möglicherweise täuschte ich an, Kai nach Hause zu bringen, möglicherweise täuschte er an, nach Hause zu wollen. Wie dem auch sei: Stattdessen verschlug es uns noch entweder ins Nordlicht oder ins Onkel Otto, vielleicht auch beides. Man sagt ja, alles, was nach 2:00 Uhr passiere, sei verzichtbarer Schwachsinn. Das stimmt natürlich und ist nicht zuletzt die Schuld solcher Kapeiken wie uns. Jedenfalls weiß ich mittlerweile, weshalb sich immer alle schwören, lediglich einmal im Leben zu heiraten – mehr solcher Junggesellenabschiede sind schlicht nicht zumutbar. Fazit: Eine harte Party zarter Jungs, Kai darf dann jetzt auch heiraten. In ein paar Tagen ist’s soweit und ich wünsche Jana und ihm hier schon mal alles Liebe und Gute!