Mein erster Eintrag hier seit Langem – Covid-19 sei Dank. Aber irgendwie muss es ja weitergehen. Das dachten sich auch die Organisatorinnen und Organisatoren der „Solidary Punk Rock Days“, die vom 6 bis 9. August ein Programm unter Berücksichtigung der Corona-Auflagen auf die Beine gestellt hatten. Ich hatte keine Karten und eigentlich auch keine Teilnahme geplant, auf Kai Motherfuckers Anruf hin verschlug es mich am frühen Samstagabend dann aber doch auf den Lattenplatz vorm Knust, wo man auch außerhalb des eingezäunten Gebiets, in dem kleine Grüppchen an Bierzeltgarnituren platzgenommen hatten, Blicke auf die kleine Bühne bzw. den Bildschirm, auf dem das Spektakel übertragen wurde, erhaschen und sich den Sound als Hintergrundbeschallung zu ein, zwei Wochenendbierchen geben konnte. Die Bremer Funpunks DIE MIMMIS machten den Anfang und coverten u.a. SLIMEs „A.C.A.B.“ mit deutschem Text, gefolgt von Hamburgs dienstältester Punkband: Die RAZORS zockten ihren ersten Gig mit ihrem neuen Gitarristen Stoffel von YACØPSÆ, der den ausgestiegenen Witte ersetzt. Stoffel schrubbte sich absolut souverän durchs gewohnt hitgespickte Set und die ganze Band freute sich ebenso sichtlich über den Gig wie das Publikum, soweit ich das von außen beobachten konnte. Das abschließende WONK-UNIT-Akustikset schenkten wir uns aber.
„Nicht links, nicht rechts, nur Gestell“
Das erste Konzert, an dem ich wieder als zahlender Gast teilnahm, wurde schließlich der ARRESTED-DENIAL-Freiluftauftritt auf dem Parkplatz des Monkeys Music Clubs, für den Madame und ich uns rechtzeitig Karten des auf 80 Exemplare begrenzten Kontingents sichern hatten können – bei anderen Monkeys-Veranstaltungen dieser Art waren wir bisher leer ausgegangen, mit Spontaneität kommt man in diesen Zeiten nicht mehr weit. Das Spektakel war Teil der „SOS – SAVE OUR SOUNDS“-Solidaritätskampagne, die Gäste nahmen an weit genug auseinandergestellten Tischen platz und Getränke konnten von dort aus direkt beim Personal geordert werden. Pogo, Circle Pit und Wall of Death entfielen, leider auch die avisierte Vorgruppe LAST LINE OF DEFENSE, da ansonsten die Veranstaltung so lange gedauert hätte, dass sich irgendwelche Nachbarinnen und Nachbarn in ihrer Abendruhe gestört gefühlt hätten…
Doch erfreulicherweise bedeutete dieser Gig nicht nur endlich mal wieder Livemucke, sondern auch ein Wiedersehen mit vielen Bekannten, die man aufgrund der ansonsten brachliegenden Konzertsituation schon länger nicht mehr gesehen hatte. Die Zeit bis zum Beginn verging also wie im Fluge. Da die Bassposition bei ARRESTED DENIAL nach wie vor vakant ist, war kurzerhand Martin Shitler am Viersaiter eingesprungen, der seinen Job sehr ordentlich verrichtete und zum heiteren Sidekick Valentins avancierte. Letzterer begrüßte den Gaußplatz, zählte 22.000 Leute und konstatierte: „Bei uns tanzt eh nie jemand, wir sind viel zu langsam!“. Für die Band war’s also wie immer. Sie bekam einen schön knackigen, dreckigen Sound gemischt, der lediglich bei Martins Background-Gesang etwas schwächelte – welcher aber ohnehin eher schräg klang. Mit viel Humor spielte man sich durch ein kurzweiliges Set und kommunizierte anekdotenreich mit den sich zwischenzeitlich auf einem angrenzenden Dach eingefundenen Gaußplatzbewohner(inne)n und -freund(inn)en. Neben dem TOCOTRONIC-Cover „Die Welt kann mich nicht mehr verstehen“ schmetterte man auch die Hardcore-Nummer „Welcome“ von HATECLUB, für welche Eloi von LAST LINE OF DEFENSE, der trotz der Absage erschienen war, das Mikro übernahm – und davon überrascht wurde, dass das Stück plötzlich in den Klassiker „Hate The State“ seiner eigenen Band überging. „Wir sind die SMEGMA des Hardcore!“, gab Valentin anschließend zu verstehen, sodass in diesem Zuge gewissermaßen auch einer dritten Band Tribut gezollt wurde. Martin wirkte im Konzertverlauf zunehmend derangiert, kam aber auch immer mehr aus sich heraus und machte sich u.a. über Valentins Mundharmonikagestell lustig, das für einen Song des Sets zum Einsatz kam. Und als Valentin sah, dass sich Ex-Bassist Timo zwischenzeitlich unters Publikum gemischt hatte, bat er ihn spontan zum ROXETTE-Medley aus „Dressed For Success“ und „Sleeping In My Car“ auf die Bühne. Klasse Schlusspunkt eines Gigs mit hohem Unterhaltungsfaktor, der bei idealen Wetterbedingungen, Musik von DJ Fozzy und Monkeys Red vom Fass noch angenehm ausklang. Danach ging’s erst mal zwei Wochen in den Urlaub, weshalb ich erst jetzt dazu kam, meiner selbstauferlegten Chronistenpflicht nachzukommen.
Bleibt zu hoffen, dass wir uns in nicht allzu ferner Zukunft mit einem Lächeln an den Ausnahmezustand, der zu dieser Art der Konzertimprovisation zwang, erinnern werden, weil er längst wieder der Vergangenheit angehören wird – wenngleich ich diesbezüglich doch arge Zweifel habe…
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