Nachdem der gute Hannes und meine Wenigkeit letztes Jahr festgestellt hatten, am gleichen Tag Geburtstag zu haben, hatte er eine fette, quasi gemeinsame Geburtstagssause im Gängeviertel anberaumt, bei der ich mit DMF aufgetreten war. Das schrie nach einer Wiederholung und nach einigen Terminfindungsschwierigkeiten konnten wir uns auf den 21.07., ’ne knappe Woche nach unserem eigentlichen Ehrentag, einigen. Neben DMF sollten UPPER CRUST wieder mit dabei sein und als Headliner eine auswärtige Band fungieren: Die für ihre Cover-Shows berüchtigten SPITTIN’ BONES aus Chemnitz sollten ihren ersten HH-Gig bestreiten. Soweit der Plan…
Wenige Wochen zuvor eröffnete uns Eisenkarl, dass er leider nicht spielen könne, da sich mit Arbeit/Urlaub/Kita/bla kurzfristig etwas verschoben habe. Das war höhere Gewalt. Um unseren Gig zu retten, sahen wir uns nach einem Ersatzbassisten um. Erinnerungen an vergeigte Gigs wie damals in Berlin wurden wach. In Pulvertoastmann Holler fanden wir jedoch schnell eine kompetente und motivierte Vertretung und schoben zusätzliche Proben ein, wann immer wir alle gemeinsam Zeit hatten. Dafür durften wir auch mehrmals auf den HAMBURGER-ABSCHAUM-Probebus ausweichen, herzlichen Dank noch mal an dieser Stelle! Letztendlich bekamen wir auf diese Weise zehn Songs zusammen, mussten unser Set also etwas zurechtstutzen. Ein paar Tage vorher ließ Hannes verlautbaren, dass die Renovierungsarbeiten der Gängeviertel-Druckerei nicht rechtzeitig abgeschlossen worden seien, weshalb wir auf den Fabrique-Keller ausweichen müssten. Ok, kein Ding. Mittwoch auf der Demo verspürte ich dann plötzlich so ein leichtes Kribbeln im Hals, obwohl gar kein Tränengas abgefeuert worden war. Donnerstag war dann klar, dass ich mir einen aufgesackt hatte, der Hals schmerzte und das Gehuste ging los. Ok, dass ich mir vor irgendwie „wichtigen“ Gigs irgendwas einfange, daran habe ich mich fast schon gewöhnt. So schlimm wie diesmal war’s allerdings noch nie. Ein weiterer Motherfucker machte den Kohl dann noch fett, indem er sein freitägliches Erscheinen aufgrund diverser geballt gekommener beruflicher und privater Widrigkeiten infragestellte und die Generalprobe sowieso flachfiel. Alter!
Glücklicherweise gelang es Freitag trotzdem, die Bande zusammenzutrommeln. Ungewöhnlich früh schlich ich mich von der Maloche weg und traf mich mit den Jungs im Probebunker, um zumindest noch die letzten etwas herausfordernderen Songs zu versauen, wie es sich für eine Generalprobe gehört. Dort wusste Dr. Tentakel zu berichten, dass er sich seine Gliedmaßen verknotet habe, also ebenfalls gesundheitlich angeschlagen sei. Er biss jedoch ebenso die Zähne zusammen wie ich und ich gurgelte mit Whiskey (um die Bakterien abzutöten), inhalierte Locabiosol, schluckte den Fenchelhonig gefühlt literweise und ließ mir Kamillosan mitbringen, um halbwegs bei Stimme zu sein, wenn’s darauf ankommt. Wir waren uns einig: Neben Holler auch noch einen Ersatz-Gitarristen, -Drummer und -Brüllaffen anzuheuern, war keine Option.
UPPER CRUST waren so freundlich, unser Zeug mitzunehmen, der Keller wirkte leer gar nicht mehr so klein, zu Essen gab’s Nudelsalat mit Tofu und/oder Würstchen, die SPITTIN’ BONES waren relativ gut durchgekommen sowie umgängliche Zeitgenossen und das Premium-Pils kühlte den Hals. Läuft. Tentakel schraubte das Kit zusammen und fuhr noch mal nach Hause, um seine Joggingbuchs zu holen. Als er zurück war, führten wir den Soundcheck mit den beiden Technikern durch, die uns ungewöhnlich lange in die Pflicht nahmen, sodass wir Gefahr liefen, uns währenddessen bereits auszupowern – wie sich später herausstellen sollte, hatte sich das jedoch gelohnt. Und das Beruhigendste: Meine Stimme schien mitzumachen. Die Bude füllte sich und kurz nach halb Elf ging’s mit „Pogromstimmung“ los. Lief. Womit ich im Vorfeld gar nicht gerechnet hatte: Wir hatten sogar Monitore! Einer stand direkt vor mir und war ein ganz schöner Klotz. Ich lief und sprang mal links, mal rechts um das Ding herum, einmal stolperte ich fast darüber und musste lachen. Nicht nur darüber gestolpert, sondern richtiggehend mit Anlauf und Gebrüll abgehoben ist eine bischn doller alkoholisierte Dame, die sich zu Hollers Füßen zwischen seinem Bass-Equipment wiederfand und dieses kurzzeitig außer Gefecht setzte. Stagediving in die falsche Richtung, sozusagen. 😀 Unser einziges echtes Liebeslied „Ghettoromantik“ setzte den nominellen Schlusspunkt, bis wir uns dazu breitschlagen ließen, noch mal „Elbdisharmonie“ durchzupeitschen, das dann auch wieder hübsch mitgebrüllt wurde. War ein geiler Gig bei überraschend gutem Sound und so richtig verdaddelt hatten wir uns gar nicht. Selbst die Nummern, die wir jüngst im Proberaum vergurkt hatten, flutschten. Tentakel hatte durch-, meine Stimme standgehalten und Holler seine Hausaufgaben gemacht. Nochmals riesengroßen Motherfuckers-Dank – mit diesem Teufelskerl kann man Kriege gewinnen!
Nun konnte ich mich endlich beruhigt zurückzulehnen und die Party genießen. UPPER CRUST krachten wie üblich splitternd ins Gebälk und rissen ein derbes Hardcore-Punk-Brett herunter. Mein Lieblingssong „Hypochonder“ zog mir mal wieder den Scheitel gerade und angesichts meines Medikamenten-Doping-Overkills und des guten Ausgangs musste ich grinsen. Als besondere Überraschung für Hannes und mich hatte man SLAYERs „Raining Blood“ einstudiert und mit dem Signature-Song „Upper Crust“ kombiniert, was unsere Nackenmuskulatur zusätzlich stimulierte. Geil! Lars vertrümmerte seine Schießbude, als beginge er Krafttraining und Basser Jörg ging wieder ab wie’n Zäpfchen, sodass ihm sogar eine Basssaite (!) riss. Ein göttliches Getrümmer, dem Wahnsinn nahe.
Das Trio SPITTIN’ BONES hatte im Vorfeld angedroht, 45 Songs zu spielen. Ganz so viele wurden es dann wohl nicht, aber das Set konnte sich in jedem Falle hören lassen: „Kriege machen Menschen“ von SCHLEIMKEIM war der Startschuss für eine Show mit überproportionalem SCHLEIMKEIM-Cover-Anteil, ein paar wenigen eigenen Songs und vielem, vornehmlich HC-punkigem Geballer von G.B.H. über MINOR THREAT und BLACK FLAG bis hin zu THE EXPLOITED und zahlreichen anderen Klassikern, was meine letzten Kräfte aktivierte. Ein Teil des Publikums ging gut mit, andere wiederum wirkten nach UPPER CRUST bereits ausgelaugt oder waren längst volltrunken. Ey Hamburg, was geht?! 😀 So richtig nüchtern war ich natürlich auch nicht mehr und nach meinem vergeigten SCHLEIMKEIM-ins-Mikro-sing-Einsatz gelobe ich, mich nicht mehr so schnell darüber lustig zu machen, wenn anderen Ähnliches passiert… SPITTIN’ BONES würde ich mir alsbald gern noch mal reinziehen und ich hoffe, dass das nicht der letzte Hamburg-Abstecher der Chemnitzer war. Kommt bald zurück!
Das war’s, die Schlacht war geschlagen. Mittlerweile war’s 3:00 Uhr oder so und am – wie wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wussten – vorerst letzten warmen und trockenen Tag (bzw. der dazugehörigen Nacht) lutschte ich noch paar Absacker leer und machte diesmal nicht die Nacht zum Tag, da wir uns verpflichtet hatten, bereits um 12:00 Uhr den ganzen Technik-Ranz wieder abzuholen.
Unabhängig davon, wie viele eigentlich ihre Zusage gegeben Habenden ihren Arsch nicht hochbekommen hatten, war’s ’ne mehr als würdige Party im lauschigen Fabrique-Keller mit geilen Bands und ebensolchen Leuten und mir ist ein Stein vom Herzen gefallen, dass letztlich alles so gut gelaufen ist. Danke an alle, die dabei waren, an Headbanger Hannes, an die grandiosen Gängeviertel-Techniker, das Thekenteam und alle anderen Helfer vom Einlasser bis zum Besenschwinger, das Gängeviertel sowieso und the one and only Holler Pulvertoastmann!
Nachdem das Equipment zurück im Bunker war und der Himmel bis auf Weiteres seine Schleusen geöffnet hatte, hing ich richtig inne Seile und mein grippaler Infekt oder was auch immer das für’n Scheiß war, brach sich bahn. Nix ging mehr. Zwei Tage, also das gesamte weitere Wochenende, hab’ ich durchgehustet und -geröchelt und mich Montag paar Tage krankschreiben lassen. Arschlecken!
P.S.: Danke auch an Flo, die wacker versucht hat, im allgemeinen Chaos ein paar Schnappschüsse unseres Gigs hinzubekommen!
P.P.S.: Außerdem danke an Jana – nicht nur fürs Fahren 😉
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