Heidi und Christian haben geheiratet! Und direkt vom Standesamt ging’s ins Reinbeker Jugendzentrum, um dieses einschneidende Ereignis zünftig zu feiern. Schon früh wurden wir gefragt, ob wir mit BOLANOW BRAWL dort aufspielen wollten und sagten selbstverständlich zu. Zusammen mit drei oder vier anderen Bands sollte der Gig über die Bühne gehen, doch je näher der Termin rückte, desto stärker wurde das geplante Line-up durchgeschüttelt, rotierte munter das Band-Karussell: Die Oi!-Punks und -Skins von IN VINO VERITAS sahen sich gezwungen, ihren Auftritt wegen Querelen mit dem VIOLENT-INSTINCT-Drummer abzusagen. Evtl. sollten die Kolumbianer von INFESTO, die gerade in Deutschland weilten, noch vor ihrem Gig in der Lobusch spontan für ein paar Songs einspringen, was letztlich leider nicht klappte. KAOS KABELJAU kamen ins Gespräch, was jedoch bis zuletzt auf der Kippe stand, allein schon, weil man sich kurz zuvor von seinem Sänger getrennt hatte. Usw. usf. – die Zeichen standen auf Überraschungs-Line-up und selbst unser Gig auf der Kippe, da Lead-Gitarrist Ole auf Montage in Brasilien festhing und aufgrund eines Helikopterpiloten-Streiks nicht rechtzeitig nach Deutschland zurückkam. Kurzerhand hatten wir aber beschlossen, einfach auf die zweite Gitarre zu verzichten und schneller, lauter und dreckiger unser Set durchzuziehen – allerdings auch noch ungeprobt, weil die Urlaubssaison ausgebrochen war… Am Juz angekommen wurde, nachdem der zickige und unterkühlte Grill endlich lief, nicht nur für reichlich Freibier, sondern auch für Speisen gesorgt und nach gar nicht allzu langer Zeit betraten dann auch KAOS KABELJAU die Bretter, tatsächlich ohne ihren Sänger, also nur noch als Trio, wobei man sich den Gesang aufteilte. Dem deutschsprachigen Hardcore-Punk der Kiemenkaoten schadete das nicht unbedingt, allgemein wirkten die Songs etwas kompakter als zuletzt und war ein Fortschritt erkennbar, der der Band gut zu Gesicht stand. Das Fehlen des Sängers geht allerdings zu Ungunsten des Charismas der Band – mal schauen, wie sich das weiterentwickeln wird. Der Opener zu recht früher Stunde zu sein, ist natürlich immer eine etwas undankbare Aufgabe, aber man erntete Applaus und zog sich sehr achtbar aus der Affäre!
Dann schlug die Stunde der Wahrheit und wir fanden uns zum Soundcheck auf der Bühne ein. Ein paar technische Probleme wurden schnell gelöst und uns ein glaube ich ganz guter Sound zurechtgezimmert. Der Alkoholisierungsgrad unserer Band hatte jedoch einen neuen Rekord aufgestellt, zumindest, was die Zeit auf der Bühne betrifft. Bis auf einen neuen Coversong zogen wir das komplette Set durch, das dann doch recht dankbar aufgenommen wurde, da kam was vom Publikum zurück (und es war kein faules Obst!). Die Luft war noch gut und unverbraucht, meine Texte saßen souverän und dass Oles Gitarre fehlte, hörten wir natürlich an allen Ecken und Enden, störte das in Ermangelung von erhältlichen Aufnahmen nicht sonderlich mit dem Material vertraute Publikum aber natürlich weitaus weniger als uns. Wir machten schlicht das Beste aus der Situation und hatten viel Spaß dabei, laberten so viel Mist wie nie zuvor auf der Bühne und überspielten die etwas widrigen Umstände mit Grottenhumor. Christian an der einzig verbliebenen Gitarre sang zwischenzeitlich sogar ein Solo – hört man auch nicht alle Tage. Wie gesagt war der Funke übergesprungen und führte dazu, dass Heirats-Christian die Bühne besetzte und eine Zugabe forderte, als wir schon längst wieder am Einpacken waren. Also doch noch einmal „Total Escalation“ herausgepeitscht und Schluss!
Die Herren YACØPSAE, seit Jahr und Tag eine Hamburger Legende, wenn es um Klangerruptionen der heftigsten Sorte geht, waren nun an der Reihe und die orakelige Ansage, gleich den Laden leerzuspielen, sollte sich unverständlicherweise ein Stück weit bewahrheiten. Tatsächlich war das folgende Soundgewitter dem einen oder anderen anscheinend zu derbe, so dass sie sich lieber bei bestem Wetter vor der Tür tummelten. Auch unser Drummer Raoul versicherte mir noch mit Bolanow-geschwängertem Blick, dass Power Violence sein „Lieblings-Violence“ wäre – und ward anschließend nicht mehr gesehen. YACØPSAE begannen mit einem schleppenden Stück und ließen die tiefstgestimmten Instrumente röhren, beim pfeilschnellen Grindgedonner hatte ich dann durchaus meine Freude. Zugegeben, so richtig tanzbar ist das dann weniger, aber nach relativ kurzer Zeit (20 Minuten?) hatte der Spuk (?) auch schon wieder ein Ende und THE MORTIS aus Meppen, die mir nun so gar nichts sagten, legten los – und wie! Die Band machte einen sehr erfahrenen Eindruck und begann mit einigen Songs, die mich ein wenig an die flotteren älteren BACK-SABBATH-Songs mit ’ner Punknote erinnerten, was schon sehr ohrenschmeichelnd klang. Doch man hatte glatt noch ein Ass im Ärmel, tauschte kurzerhand die Bassgitarre gegen einen Kontrabass aus und änderte den Stil zugunsten hymnischen Punk’n’Rolls mit gewisser MISFITS-Horrorpunk-Kante, ohne Glenn Danzig & Co. stumpf zu kopieren. Das überraschte, denn manch einer hätte sicherlich eher mit Rocka- oder Psychobilly gerechnet. Mir hat der Stil außerordentlich gut gemundet und dem Rest der Anwesenden ebenfalls, wodurch der Abend seinen ersten echten Höhepunkt erreichte.
Währenddessen flossen auch die Erfrischungsgetränke in Strömen und VIOLENT INSTINCT um die charismatische Sängerin Aga und mit einem neuen Bassisten für die ausgeschiedene Viersaiterin hatten leichtes Spiel, den Ball aufzunehmen und zu verwandeln. 1A-Streetpunk mit intelligenten deutschen Texten, Genre-Klischees weitestgehend außen vor lassend und ebenso druckvoll wie leidenschaftlich vorgetragen. Der Sound war auch klasse und eingestreute Oi!-Klassiker wie „Watch Your Back“ und „Solidarity“ luden zum kollektiven Mitgrölen ein, während Aga immer wieder das Mikro ins Publikum reichte. BOLANOW-BRAWL-Bassist Stulle und ich feierten die Band gnadenlos ab und gaben uns den Rest. In meiner Erinnerung verließen wir nach dem Schlussakkord brav den Ort des Geschehens und traten die Heimreise an, doch Pustekuchen, wie mir meine glücklicherweise stets die Übersicht bewahrende Perle von Freundin am nächsten Tag eröffnete: Nach VIOLENT INSTINCT wurde noch fleißig weitergefeiert, bis Stulle und ich uns sogar noch einen waschechten Bolanow-Brawl lieferten – Authentizität ist eben alles!
Alles in allem war’s ’ne überaus gelungene Party bei und mit fitten Leuten in einem coolen Laden und mir bleibt nur, mich bei den Roses zu bedanken! Klar, ein paar mehr Leute hätten von mir aus ruhig noch reingepasst, aber dafür war’s eben ’ne Privatparty, die im Vorfeld nicht an die große Glocke gehängt wurde. Dass wir auch auf deren nächster Hochzeit spielen würden, verkneif ich mir an dieser Stelle aber aus gutem Grunde. 😉

Am ersten August-Tag des Jahres ergab sich endlich einmal wieder die Gelegenheit, die grandiosen LEFTÖVER CRACK live zu beäugen und zu belauschen, jene US-Skacore-/Anarcho-Punk-Band, die seinerzeit aus den nicht minder genialen CHOKING VICTIM hervorging und meines Erachtens mal locker zu den besten derzeit existierenden Punkbands zählt! Ihr ureigener Sound, der so meilenweit entfernt ist von locker-flockigem Neo-Ska wie nur irgendwas und sich stattdessen als messerscharfe Mixtur aus aggressivem Hardcore-Punk mit Offbeat-Einlagen, nihilistischer Anarcho-Attitüde und wuchtigen, beinahe blackmetallischen Riffs mit entsprechendem Kreischgesang entpuppt, spielt in der obersten Liga und fischt dank seiner Eingängigkeit trotz der gebotenen Urgewalt in breitgefächerten Fan-Kreisen. Kein Wunder, dass das Hafenklang mal wieder rappelvoll war, als zunächst die Briten von ANTI-VIGILANTE den musikalischen Teil des Abends eröffneten und eher klassischen Skacore (sofern es so etwas gibt) mit trompetespielendem Sänger boten. Das war als Opener vollkommen ok, zumal sich der Sänger äußerst aktiv zeigte und die Band einen sehr spielfreudigen Eindruck machte. Jedoch kein Vergleich zu LEFTÖVER CRACK, die in der aktuellen Besetzung ohne den ausgeschiedenen Gitarristen Ezra die Bühne betraten, als das Klima im Hafenklang bereits so aufgeheizt war, dass einem nur vom friedfertigen Stehen am Rand schon der Schweiß den Körper heruntertriefte. Stza hockte sich zunächst mit Rücken zum Publikum hin, mischte sich in aller Ruhe ein alkoholisches Getränk zusammen, während die Band bereits spielte und das Publikum steilging. Nach einiger Zeit wandte auch er sich dem Publikum zu und schrie ganz in alter Form in hasserfüllten Songs seine Wut über all die Scheiße auf der Welt heraus, woraufhin es natürlich gar kein Halten mehr gab. Es ging tierisch rund und die bestens aufeinander abgestimmte Band peitschte eine Anti-Hymne nach der anderen in den gierigen Mob. Stza kümmerte sich zwischenzeitlich immer wieder um seine Drinks, erzählte auch mal ein paar humorvolle Anekdoten – LöC sind eben keinesfalls eine verbissene, ernsthafte Polit-Band – und ärgerte einen der beiden Gitarristen, der derweil so lange unter einem der vielen Leuchtstrahler an der Decke ächzte, bis das Ding irgendwann kurzerhand weggedreht wurde. Die Jungs kamen sehr sympathisch rüber, überhaupt nicht wie drogensüchtige Vollfreaks, als die sie nicht selten offensichtlich angesehen werden, und lieferten eine 1A-Darbietung, an der es nun wirklich so überhaupt gar nichts zu mäkeln gab. Gut, ein Thema für sich ist natürlich die Setlist, doch da hat man es als Band, die ungelogen fast NUR Hits vorzuweisen hat, naturgemäß nicht leicht. Ich war mit der Songauswahl hochzufrieden und freute mich besonders, dass auch relativ viel altes CHOKING-VICTIM-Material berücksichtigt wurde. Gänsehaut verursachte z.B. „Infested“, das sich seinerzeit nicht einmal auf dem einzigen regulären Album der Vorgängerband befand. Stza war offensichtlich auch sehr angetan von den Publikumsreaktionen und stürzte sich mitsamt Mikro während eines Songs in bzw. auf die Meute zum Crowdsurfen und sang dabei unbeirrt weiter – find ich ja ehrlich gesagt immer beeindruckend, so was. Mit Zugaben wurde auch nicht gegeizt, der „Crack Rock Steady“ fand mit Unterstützung vom ANTI-VIGILANTE-Sänger statt, was verdammt gut kam. Und ich glaube, hinterher waren sich ausnahmslos alle einig, dass das ein verdammt geiler Gig einer verdammt geilen Band war! Die könnte ich mir locker alle paar Wochen angucken, der apokalyptische und doch voller Ohrwürmer steckende, verdammt abwechslungsreiche Sound der Straßen- und Häuserkampf-erprobten, Zensur- und Auftrittsverbot-geplagten nihilistischen Freidenker macht süchtig – wie Crack!
Ca. zweieinhalb Jahre nach meinem letzten Besuch eines Konzerts der schwingenden Euter (wie die Zeit vergeht…) hatte ich wieder richtig Bock auf diese doch recht eigenständige US-Streetpunk-Band, vor allem dann, wenn sie in meiner Stammkneipe, dem Hamburger Skorbut an der Reeperbahn, zocken. Wie üblich verzögerte sich der Beginn etwas, doch als es losging, war reichlich Publikum anwesend – eine Band wie die UTTERS zieht eben auch mitten in der Woche genug interessiertes Volk an. Die sich gerade auf Tour befindende Band, genauer: ihr Sänger machte zunächst einen etwas bocklosen Eindruck, aber das ist wohl schlicht die zur Show gehörende, gespielt uninteressierte, arrogante Art, der man nicht zu viel Bedeutung beimessen sollte, wenngleich er mit seinem Pennerbart durchaus bischn abgewrackt aussah. Zu Beginn gab’s dann auch gleich gröbere Probleme mit den Mikros, doch man kümmerte sich jeweils sofort darum und die Band ließ sich davon nicht beeindrucken, dafür ist sie mittlerweile viel zu abgewichst. Nach wenigen Songs zum Warmwerden gab’s dann auch für manch einen inkl. meiner kein Halten mehr und man legte eine kesse Sohle aufs Parkett der engen Kneipe. Zugegeben, die letzten beiden Alben habe ich noch gar nicht gehört, besonders übers letzte Werk hört man nicht nur Gutes. Ich bin ja sogar der Meinung, dass sich auch auf den älteren Alben manch „Filler“ befand und es davon auch welche in die Live-Sets schafften, was mich nie zu einem bedingungslosen Abfeierer der UTTERS machte. Und so erklang auch diesmal manch eher lahmer Song vermutlich von der aktuellen Platte, den ich zumindest beim erstmaligen Livehören nicht allzu prickelnd fand. Dafür war bei den über jeden Zweifel erhabenen Klassikern aber umso mehr los und das ganze Ding machte richtig Laune! Der Sänger sang sich bisweilen herrlich in Rage und zeterte seine Texte mit geballter Faust und auf der Stelle stehend ins Mikro. Auf die Songs mit starken Folkeinflüssen verzichtete man leider komplett, was vermutlich einer dafür benötigten anderen Instrumentierung geschuldet war. Am Ende gab’s noch einen zünftigen Zugabenblock und das war’s dann – ein sehr unterhaltsames, gut gespieltes und vor allem freucht-fröhliches Konzert vor sympathischem Publikum war vorbei, das sich in jedem Fall gelohnt hat, ob nur für beinharte Fans der Band oder für diejenigen, die einfach Bock auf bischn authentischen Streetpunk hatten. Die anschließende Reise gen Schleswig-Holstein in verschwitztem, verschmutztem und angetrunkenem Zustand mit öffentlichen Verkehrsmitteln erwies sich hingegen als kleine Odyssee und nach eigentlich zu wenigen Stunden Schlaf saß ich schon wieder auf Arbeit, aber that’s Working Class Rock’n’Roll – fuck you! (ächz…)
An einem verdammt heißen Juli-Tag stieg das alljährliche antirassistische Fußballturnier auf dem Sportplatz vorm Ahrensburger Jugendzentrum Juki 42, im Anschluss daran sollte wie üblich ein Konzert im Inneren des Juz stattfinden. GANG CONTROL aus Schweden sowie die aktuellen Hamburger Streetpunk-Senkrechtstarter ARRESTED DENIAL standen schon länger als Bands fest und als True-Rebel-Alex im Juni fragte, ob wir mit BOLANOW BRAWL nicht ebenfalls dort spielen wollten, zögerten wir nicht lange und sagten zu. Was hatte ich nicht früher, als Alex noch vornehmlich in Ahrensburg seine Konzerte veranstaltete, für geile Partys dort gefeiert, welch geniale Bands dort erleben dürfen! Auch das letztjährige Antira-Konzert war mir noch in sehr guter Erinnerung und so freute ich mich derbe darauf, auch selbst einmal jene legendäre Bühne beackern zu dürfen! Am späteren Nachmittag trafen wir ein, sahen eine Menge bekannter Gesichter und bekamen noch den Schluss des Turniers mit. Um das Juki 42 waren Getränke- und Essensstände aufgebaut worden, zu geringen Preisen war für das leibliche Wohl gesorgt. Bühnenaufbau sowie Sound- und Linecheck gingen angenehm flott über die Bühne und unsere Ansprechpartner vor Ort zauberten uns rasch einen amtlichen Bühnensound zurecht. Die Schweden waren für nur zwei Gigs in Deutschland, am Tag zuvor bereits in Flensburg gewesen und mussten direkt nach ihrem Auftritt die Heimreise antreten. So ergab sich, dass wir zuerst, dann GANG CONTROL und am Schluss ARRESTED DENIAL spielen sollten. Damit alle problemlos noch eine Bahn in die Stadt bekommen können und um möglichst viele Leute vom Turnier noch zum Konzert zu locken, sollte der Gig recht früh beginnen. Doch als wir gegen ich glaube 19:30 Uhr die Bühne betraten, kann man nun nicht sagen, dass sich sonderlich viele Sportsfreunde für uns interessiert hätten. Gut 20 Leute werden es gewesen sein, die mit Anwesenheit glänzten, als wir unser zehn Songs umfassendes Set zum Besten gaben, das sich ziemlich gut anfühlte, spieltechnisch war alles im Lot und auch textlich/gesanglich zeigten sich bei mir keine Unsicherheiten. Der Beginn einer positiven Art von Routine? Jedenfalls machte der Auftritt Laune, den Anwesenden gefiel’s, es wurden sogar Mitsingversuche unternommen und mit Bier gespritzt. Alright! Doch anstatt dass nach uns als Nachzügler-Vorband nun ein paar mehr Leute die lumpigen 5 Taler löhnen und sich die schwedischen Gäste reinziehen, tat sich diesbzgl. nichts und GANG CONTROL spielten vor dem selben versprengten Haufen. Tja, wer sich die aus welchen Gründen auch immer hat entgehen lassen, hat definitiv etwas verpasst, denn GANG CONTROL spielten eine wilde Mischung aus Hardcore-Punk mit Offbeat-Einlagen, hart und schäbbig, immer wieder an Bands wie CHOKING VICTIM bzw. LEFTÖVER CRACK erinnernd. Die zotteligen Skandinavier kamen zudem sehr sympathisch rüber, das Gesamtpaket stimmte und wir hatten unseren Spaß. Einziger Wermutstropfen war der Sound VOR der Bühne, der nicht sonderlich differenziert klang… Was sich nach der Abreise der Schweden während des ARRESTED-DENIAL-Gigs allerdings für ein Bild bot, spottet eigentlich jeder Beschreibung: Nahezu JEDER zahlende Gast, der nicht mit einer der Bands gekommen war, war mittlerweile verschwunden, obwohl es noch immer für ein Punk-Konzert verhältnismäßig früh am Abend war. Da steht nun also eine Band auf der Bühne, die bereits zwei Alben draußen, überall positive Kritiken eingefahren und gerade erfolgreich eine Serbien-Tour absolviert hat, und niemanden interessiert’s?! Was war da los? Kann es einen größeren Beweis für eine offensichtliche Übersättigung eines verwöhnten Publikums geben, das Gigs wie diesen einer Band diesen Kalibers einfach links liegen lässt? Ich bin entsetzt! Tapfer spielten sich ARRESTED DENIAL durch ihr Set und ließen sich von weniger als einer Handvoll Leute, die mit dem Material recht gut vertraut waren, feiern, machten souverän gute Miene zum seltsamen Spiel. Der Sound war mittlerweile leider nur noch ein einziger Matsch, aber das änderte jetzt auch nicht mehr viel. Fazit: Ein schöner Abend unter fitten Leuten, aber vom Ahrensburger Publikum bin ich enttäuscht.
Wenn die Jungs von IRON MAIDEN wieder in der Stadt sind, beginne ich zu kreischen wie die Weiber anno ’64 zur Beatlemania und muss da natürlich hin. Im Gegensatz zur Tour zum aktuellen Album „The Final Frontier“ vor zwei Jahren konnte ich diesmal auch Karten für den Innenraum ergattern – und das Schöne daran, wenn man sich für so’n Konzert so dermaßen in Unkosten stürzt, ist, dass man die Karten im Vorverkauf etliche Monate vorher erstehen muss, so dass der Ärger darüber am Tag des Konzerts längst vergessen ist, sich im Idealfall gar ein neues Budget für zwei, drei Bierchen und ‘ne Pommes gebildet hat. So war es dann auch an besagtem Mittwoch, als ich mit meiner Süßen, die die Karte von mir zum Julfest bekommen hatte, pünktlich und voller Vorfreude die Reise in jene entlegene Gegend Hamburgs antrat. Es war der wohl bis dato heißeste Tag des Jahres, trotzdem quetschten wir uns in Stellingen angekommen in den Shuttle-Bus. Schließlich wollten wir nun doch so schnell wie möglich an den Ort, der heute Abend zur Kultstätte der MAIDEN-Mania werden sollte, um dort in entspannter Atmosphäre ein paar Aufwärmbierchen zu kippen und möglicherweise das eine oder andere bekannte Gesicht zu erspähen. Wie erwartet lief vor der Halle mehr oder weniger geschmackvoll ausgewählte Musik und war der überwiegende Anteil der Besuch in MAIDEN-Shirts gehüllt, ob das junge Twen-Mädchen oder der ergraute Altrocker. Ja, noch immer ziehen Maiden mit ihrer zeitlosen Musik Fans fast jeder Altersklasse an, wachsen immer wieder neue Fangenerationen nach. Tatsächlich trafen wir auf den berüchtigten Wacken-Jimmy sowie auf SCHLOIDERGANG-Alex; andere, von deren Anwesenheit ich wusste, waren in den 12.000 geschmackssicheren Menschen allerdings nicht auszumachen. Viele waren mittlerweile auch reingegangen, um sich die Vorband VOODOO SIX anzusehen. Ich hatte vorher mal reingehört, sie in die „langweiliger Rock“-Schublade gepackt und dankend verzichtet. Pünktlich zur Umbaupause begehrten dann jedoch auch wir Einlass. Bei meinem dritten Besuch dieser Kommerzhalle also erstmals ein Stehplatz im Innenraum. Was ich vorher gar nicht wusste: Unten wird quasi für alles gesorgt, die Stehplätze haben einen großen eigenen Bereich mit Toiletten (bemerkenswert: immer sauber!) und Gastronomie, es besteht also keinerlei Veranlassung mehr, die Treppen zum Sitzplatzpöbel heraufzulatschen. Leider schafften wir es nicht mehr ganz nach vorne, der Bereich zwischen Bühne und Wellenbrecher wurde noch einmal extra bewacht und sein Kontingent war bereits erschöpft. Also kurz hinterm Wellenbrecher postiert und gespannt der Dinge geharrt, die da kommen mögen: Nämlich nichts Geringeres als die Wiederauflage der seinerzeit als „Maiden England“ auf VHS und Tonträger veröffentlichten Tour zu meinem Lieblingsalbum „Seventh Son of a Seventh Son“ aus dem Jahre 1988!
Ich rechne heutzutage ja mit vielem, aber dass die Allgäuer Punks von BRUTAL VERSCHIMMELT, die 1983 eine Platte auf Rock-O-Rama veröffentlicht hatten und danach wieder in der Versenkung verschwanden, noch mal live auftreten würden, hatte wohl nicht nur ich nicht auf dem Zettel. Höhnie aus Peine hat kürzlich das Album, das einen gewissen Kult-Status genießt, neu aufgelegt und die Jungs prompt auf sein alljährlich Open-Air-Festival eingeladen, und nur einen Tag später kamen sie dann erstmals (!) nach Hamburg, um im Gängeviertel zu spielen. Ich war sehr zeitig vor Ort und beobachtete, wie sich der sympathische Laden nach und nach ordentlich füllte. Eintritt gab’s gegen Spende, Getränke auch und irgendwann zu dann doch schon recht fortgeschrittener Stunde (etwas unglücklich auf ’nem Sonntag) eröffneten dann SYSTEMFEHLA aus Hannover den Abend. In klassischer Trio-Besetzung gab’s recht druckvollen deutschsprachigen Punkrock mit Texten, die das, ich sag mal „typische Deutschpunk-Themenspektrum“ abdeckten. Die Jungs waren verdammt fit an den Instrumenten und spielten sehr souverän ihr Set durch, allerdings fehlte es mit der Zeit dem Gesang doch etwas an Dreck und Aggressivität. Am Ende gab’s ’ne unvermeidliche Coverversion von „Für immer Punk“, und, sorry, das Original klingt da doch besser. Zu Beginn des Auftritts kam übrigens einer der BRUTAL VERSCHIMMELten kurz auf die Bühne und wies darauf hin, dass deren Konzert gefilmt werden würde – keine schlechte Idee, denn als die Truppe die Bühne betrat und sich vorstellte, ging ihr Gig unter einem Jubelschrei los – und, verdammt, das klang ja wirklich fast original wie auf der LP! Der alterglatzköpfige, etwas korpulentere Sänger hat seine Stimme in all den Jahren null verloren, sein leicht hoher, frecher Pöbel-Gesang war unverkennbar der von BRUTAL VERSCHIMMELT! Die Saitenfraktion war voll auf der Höhe, besonders derjenige, der zuvor aufs Filmen hingewiesen hatte, hat sich auch äußerlich ziemlich gut gehalten. An der Schießbude nahm der Sänger/Bassist von SYSTEMFEHLA platz, ansonsten war’s die Originalbesetzung von damals. Doppelbelastung also für den Träger roter Dreadlocks, die er ausfallfrei meisterte – Respekt! Nun wurden glaub ich alle Hits (und Semi-Hits ;)) des Albums abgefeuert, „Stumpfer Fischkopf“ (sehr passend in Hamburg), „Hey Man“, „Fette Kinder“, „Keine Freiheit“, „Sechs Millionen“… und natürlich „Panzer“, das der Sänger auf seinem Saxophon begleitete. Genial! Vor der Bühne tobte ein zünftiger Pogomob und feierte die Band verdientermaßen ab, dahinter standen etliche Interessierte unterschiedlichster Altersstufen, unterschiedlichsten Aussehens und unterschiedlichster Alkoholisierungsgrade… ich hielt mich zurück und beobachte das Treiben von der Seite aus und war ganz fasziniert, wie da mehrere ältere Herren spielfreudig und sich verausgabend auf der Bühne abgingen, als wären sie nie weg gewesen. Sogar ein neues Stück hatten sie dabei, das sich nahtlos einreihte. Als eigentlich alle Songs gespielt waren, wollte man die Band nicht gehen lassen und so gab’s mehrere Zugaben, Songwiederholungen, noch mal „Stumpfer Fischkopf“ und noch mal „Panzer“ und dies und das… Ich krieg’s nicht mehr ganz genau zusammen, aber die Show ging verdammt lange, man ließ sich nicht lumpen. Da kann man nun echt nur den Hut vor ziehen. BRUTAL VERSCHIMMELT ist es gelungen, ihre uralten Punk-Kamellen authentisch runterzuholzen, ohne dass es in irgendeiner Weise peinlich gewirkt hätte! Ganz im Gegenteil: Die Selbstverständlichkeit, mit der sie ihren Stiefel durchzogen und vollkommen darauf schissen, ob es gerade 1983 oder 30 Jahre später war, war verdammt cool! Einziges Problem war das Gesangsmikro, das einigen Lautstärkeschwankungen unterlag, evtl. wurde da mit fortschreitender Spielzeit und damit einhergehender weniger Puste für den Sänger einfach zu wenig nachjustiert. Der Stimmung tat das keinen Abbruch, der Sound der Band klingt heutzutage wie ’ne Mischung aus Uralt-D-HC-Punk und Retro-Rotzepunk à la SHOCKS und Konsorten und wirkt damit schon wieder erfrischend, jedenfalls kein Stück altbacken. Gegen Ende leerte es sich nach und nach, viele mussten vermutlich am nächsten Tag arbeiten und deshalb den Heimweg antreten, aber ich blieb bis zum Schluss und bin mir sicher, ein verdammt noch mal ganz besonderes Konzert erlebt zu haben! Punk streift man eben NICHT mit dem Erwachsenwerden ab und BRUTAL VERSCHIMMELT sind einer von unzähligen Beweisen!
Der alljährliche ZAPPACUP auf dem Hamburger Gaußplatz, jenes berüchtigte Gratis-Punk-Open-Air, das den Wagenplatz hinter der Fabrik in eine große subkulturelle Partymeile verwandelt, war bereits seit Donnerstag in Gange. Donnerstag hätte ich mir gern die Kollegen von PROJEKT PULVERTOASTMANN angeschaut, die zusammen mit einer Handvoll weiterer Bands, die anscheinend gar alle nicht auf dem Flyer standen, die Sause in der Platzkneipe „El Dorado“ eröffneten. Leider ließ sich das mit meinen Arbeitszeiten nicht vereinbaren. Freitag gönnte ich mir ‘ne Auszeit, denn ich wollte Samstag fit sein, schließlich sollte ich mit den DISILLUSIONED MOTHERFUCKERS auf der Bühne stehen. Doch, oh Graus: Samstagmittag klingelt das Telefon, Drummer Chrischan ist dran und berichtet von einem durch einen Sturz in Glasscherben defekten Arm, der im Krankenhaus behandelt werden musste und somit außer Betrieb war. Schöne Scheiße, den Gig konnten wir also vergessen. Selbstredend ging’s bei sonnigem, aber unbeständigem Wetter (ein urplötzlich tobendes Unwetter verhinderte meine pünktliche Anreise) trotzdem gen Gaußplatz, wobei ich den Opener KACKREIZ leider verpasst habe. Doch die folgenden Bands auf der Freiluftbühne vermochten unsere Laune ein wenig zu steigern: SEASICK spielten Grindcore, der immer wieder mit unvermittelten, witzigen Falsettgesangseinlagen aufgelockert wurde. Die Band bestand nur aus drei Leuten, auf den Bass verzichtete man komplett. Klang heftig und gut, nutzte sich aber irgendwann dann doch bischn ab. Hat wohl seinen Grund, dass Platten dieser Musikrichtung oft nicht über 20 Minuten hinausgehen. INSTABIL aus der Schweiz spielten eine nicht uninteressante Mischung aus Street- und Hardcore-Punk auf deutsch mit heiserem Sänger und zwei Gitarren, deren Sound leider etwas komisch war. Kein schlechter Gig, den ich aber nicht komplett konzentriert verfolgte, da mich manch Klönschnack ablenkte. Die CITY RATS aus Israel, die quasi ihren Zweitwohnsitz auf dem Gauß haben, so oft, wie die dort spielen, waren dann von der ersten bis zur letzten Sekunde schlicht perfekt. Klasse Sound, aggressiver Hardcore-Anarcho-Chaos-Schießmichtot-Punk, der zum kollektiven Durchdrehen einlud (der Pöbel kam tatsächlich gut in Bewegung), den Altona-93-Song natürlich auch im Gepäck. Die CITY RATS arbeiten gerade an einer neuen Platte, auf die man sich ganz bestimmt freuen darf. STOOKER (nicht „Stuka“, wie ich zunächst verstand) aus Norwegen besiegelten dann den musikalischen Teil des Abends mit einem Coverset oberster Kajüte. Man begann mit einem Song der DAMNED, weiter ging’s mit den RAMONES, über Sex PISTOLS (sehr geschmackvoll gewählt: „Seventeen“), SHAM 69 (ausgelutscht: „If the Kids are United“), JOHNNY THUNDERS („Born to Lose“), THE STOOGES („Now I Wanna Be Your Dog“), DEAD BOYS („Sonic Reducer“), ANTI-NOWHERE LEAGUE („So What?!“), GG ALLIN („Bite It, You Scum“) und MOTÖRHEAD („Iron Fist“) sowie dem HC-Punk-Kracher „All Fascists Are Bastards“, den ich keiner Band zuordnen konnte. Schönes Ding, Top-Stimmung, ich bewegte mich noch bischn mehr als bei den CITY RATS, vermisste aber schmerzlich ein THE-CLASH-Cover – wat ‘ne Lücke, bitte zum nächsten Mal füllen! Das einzige, was mir unnötig erschien, war das Provozieren von „Zugabe!“-Rufen durch ständiges verfrühtes Verlassen der Bühne. So neigte sich ein Abend dem Ende, aus dem ich trotz allem das Beste gemacht hatte. Netterweise drückte uns Mitorganisator Wurzel dennoch den Freibierstempel auf. Die Atmosphäre war entspannt, die Leute gut drauf, das Angebot an Speisen und Getränken toll und zu verdammt fairen Preisen zu haben, selbst das Wetter spielte mit und es regnete erst wieder NACH STOOKER, sprich: alles spitzenmäßig. Da selbst auf der Bühne zu stehen, wär schon ‘n Traum gewesen, aber es hat nicht sollen sein…
Nach der Hafenklang-True-Rebel-Bolanow-Sause am Tag zuvor erst um 15:15 Uhr in desolatem Zustand aus der Koje gekrochen, ging es am späten Nachmittag Richtung Elbinsel, wo ich mir erstmals den (mittlerweile schon dritten) ELB-TSUNAMI anschauen wollte. Ja, in Wilhelmsburg wird einem mittlerweile auch in Sachen Subkultur einiges geboten, einer der Höhepunkte dürfte das kostenlose Open-Air-Festival ELB-TSUNAMI sein, das gleich neun Bands aus Hamburg und Umgebung zu bieten hatte. Leider kamen wir zu spät auf das asphaltierte Gelände in Bahnhofsnähe, um noch YARD BOMB zu sehen, dafür bauten gerade UPPER CRUST auf. Bierchen 1,50 EUR, da kannste nix sagen, was zu essen gab’s auch, meine Süße und ich hielten uns erst mal an ’ne Cola. Da lief zwar einiges an Volk herum, doch vermutlich hatten die ungünstigen Wetterverhältnisse und der Regen, den wir zum Glück verpasst hatten, sowie manch Kater dem einen oder anderen die Lust vermiest, hier aufzulaufen. Ich wollte mir das aber keinesfalls entgehen lassen und tat auch gut daran, denn UPPER CRUST, die ich zum zweiten Mal sehen durfte und die zwei Dritteln aus STAHLSCHWESTERn bestehen, versetzten mich erneut mit ihrem sehr eigenständigen Hardcore-/Metal-/Crossover-Punk in Verzückung. Hammerharter Nacken- und Knochenbrecher-Sound mit eigenwilligen deutschen Texten, gesanglich darf jeder mal ran, wobei den Hauptteil Gitarrist Tommy übernimmt, Drummer Lars spielt einen ultrafiesen, technisch verdammt versierten Beat und der Bassist malträtiert sein Instrument und verleiht der Energie der Musik mit wilden Körperzuckungen und -windungen Ausdruck. Mir schienen einzelne Songs diesmal länger und ausgefeilter, als habe man sich mehr Zeit für ausgiebiges Geriffe genommen. Geile Scheiße, könnte ich mir direkt noch einmal reinziehen und ich hoffe, man teilt die Bühne in absehbarer Zeit mal miteinander!
Das Hamburger TRUE-REBEL-Imperium blies zum Zehnjährigen und hatte sich BOLANOW BRAWL geladen, die Party zu eröffnen. Unser dritter Gig, diesmal im altehrwürdigen Hafenklang, wo ich schon unzählige großartige Konzerte gesehen hatte und nun erstmals dort selbst auf der Bühne stehen sollte. Also in der Firma auf pünktlichen Feierabend bestanden und direkt zum Hafenklang, um pünktlich um 18:00 Uhr dort zu sein. Die meisten Bandkollegen war schon seit ’ner knappen Stunde da, damit das ganze Equipment rechtzeitig vor Ort sein konnte. Dann hieß es aber erst mal entspannt der Dinge harren, die da kommen, und vorsichtig am ersten Bierchen nippen. Ehrlich gesagt ging mir ja doch so’n bischn die Flatter, erst der dritte Auftritt, direkt im Hafenklang, einer DER Adressen in Sachen Punkrock in Norddeutschland – und dann auch noch zusammen mit den in ihren jeweiligen Subgenres zur absoluten Spitze gehörenden Bands THE DETECTORS, ABSTURTZ und KNOCHENFABRIK. Die DETECTORS aus Neumünster waren als einzige weitere Band schon vor Ort und nahmen mit uns die köstliche vegane Bandverpflegung ein. Bald danach ging’s an den Soundcheck. Ich war noch ungewohnt heiser von der DISILLUSIONED-MOTHERFUCKERS-Probe am Vortag und meine Befürchtungen bestätigten sich: Beim Mic-Check bekam ich kaum einen geraden Ton heraus, so schnell, wie die Stimme kurz da war, war sie auch wieder weg. Umso froher war ich über den ausgiebigen Soundcheck, denn so konnte ich mich bischn warmsingen. Nachdem der Sound stand, trudelten nach und nach die ersten Leute ein, u.a. SMALL-TOWN-Timo, der uns unseren druckfrischen Bühnenbanner überreichte – fuck yeah!!! Die Rede war stets von einem knappen Zeitplan, pünktlich um halb neun sollten wir für unser halbstündiges, also um ein paar Songs gekürztes, Set auf die Bühne. Da man in Hamburg allerdings kaum jemanden überreden kann, am Wochenende bereits um 20:30 Uhr ein Punkkonzert aufzusuchen, sah es hinsichtlich zahlender Gäste noch eher mau aus. War dann aber doch kein Problem, das Ganze ’ne Viertelstune nach hinten zu verschieben und siehe da: Es fand sich tatsächlich eine erfreuliche Menge Interessierter potentieller Eskalateure ein. Also Abfahrt! Die ersten beiden Songs rausgerotzt, irgendwelche Ansagen improvisiert, ekstatisch gezuckt, Bierchen gezischt und unsere alkoholgeschwängerten Weisen weiter zum Besten gegeben. Dass unser Bühnensound gerade in Bezug auf die Gesänge nun doch irgendwie anders klang als zuvor, hatte ich zunächst uns bzw. mir selbst zugeschrieben, auf die Idee, um mehr Lautstärke zu bitten, kam ich im BOLANOW-Rausch gar, dafür geriet ich in meinem Gezappel immer wieder mit Stulles Bass aneinander, der sich ungewohnterweise rechts von mir platziert hatte – bis wir ’ne Zwangspause zwecks Nachstimmung einlegen mussten. Zwischendurch wurde wieder schön durcheinandergeplappert und der Bolanow-Verschnitt, ’ne Wodka-Blutorange-Mische, ins Publikum gereicht. Vor „Where Is My Hope“, dem vorläufig letzten Song, hatte ich das Publikum noch erfolgreich ein wenig angestachelt, was mit ein paar tanzenden Gestalten vor der Bühne gedankt wurde. Als Zugabe gab’s „Fame“ und auf dem Höhepunkt der Stimmung war dann auch schon wieder Schluss: Kurz, aber schmerzhaft. Ein langhaariger Eskalateur fand lobende Worte und bat um die Setlist als Andenken – klasse, so was merkt man sich als junge Band, die noch ganz am Anfang steht. Als persönliches Fazit glaube ich, dass musikalisch das alles Hand und Fuß hatte und gröbere Patzer ausblieben, meine Gesangleistung empfand ich zuletzt in der Honigfabrik aber als stärker. Wie dem auch sei, wir hatten den Pflichtteil hinter uns gebracht und der Adrenalinpegel sollte noch für de Rest des Abends reichen. Die DETECTORS wurden sich noch eher „in Ruhe“ angeschaut, wobei diese aber einen genialen Gig hinlegten, großartiger, flotter, engagierter Streetpunk, der direkt in die Beine geht, wenn ich auch den einen oder anderen älteren Hit vermisste – vermutlich der knappen Spielzeit geschuldet. Schade, dass auch keine Zugabe mehr drin war, denn diesen Herren hätte ich locker noch ’ne Weile länger lauschen können! Was ABSTURTZ dann ablieferten, möchte ich so’n bischn als konsequente Fortführung und Herüberrettung des angemetalten „Deutschpunks“ der ’90er bezeichnen, den diese auf ein hohes Qualitätsniveau hievten und nur zu dritt deftig die Puppen tanzen ließen. Die zwischenzeitliche FREI.WILD-Abwatschung fand viel wohlwollenden Widerhall und die drei Norddeutschen bewiesen mir mal wieder, weshalb ich Konzerte, die mehrere deutlich unterschiedliche Spielarten des Punks berücksichtigen, so sehr schätze – die Abwechslung macht’s! Das Backstage-Bier floss literweise, manch einer, Berichterstatter keinesfalls ausgenommen, wies mittlerweile eine amtliche Breitseite auf – optimale Voraussetzungen also, um einen KNOCHENFABRIK-Gig in vollen Zügen genießen zu können! Das knackig gefüllte Hafenklang verwandelte sich in einen pogotanzenden und Claus’ Texte lauthals mitgrölenden Hexenkessel und ich stürzte mich mitten hinein – wie sehr, zeigte mir erst der folgende Tag, an dem sich manch Knochen und Muskel bemerkbar machte und die eine oder andere Schramme und Abschürfung vom vorausgegangenen Abend zeugte. Mittlerweile übertrieben hatte es dann auch die alkoholisierte Dame auf Krücken, die bei den DETECTORS damit begann, in unregelmäßigen Abständen mitten im Set egal welcher Band die Bühne zu erklimmen und ihrem Mitteilungsbedürfnis freien Lauf zu lassen. Als ihre Freundin sie irgendwann entnervt von der Bühne zog, gab’s sogar gegenseitig Haue, vollständig eskaliert ist die Situation aber nicht. Unfassbar aber der Typ, der von meiner Freundin Nadine dabei beobachtet wurde, wie er in der Kabine eines Damenklos auf der Kloschüssel stand und in die angrenzende Kabine herüberspannte – eben bis Nadine eingriff. Alter, geht’s noch?! Alles in allem war‘s aber mal wieder der absolute Wahnsinn, der mit der KNOFA aber noch nicht sein Ende gefunden hatte: Anschließend geriet unser Gitarrist Christian draußen noch in eine Prügelei mit schmierigen Yuppie-Affen und per Taxi ging’s auf ’nen Absacker ins Skorbut – wo mich erstmals der Schlaf übermannte. Wie üblich war es meine tapfere Lady, die mich sicher nach Hause brachte. Welch ein Abend! Es war uns eine Ehre und wir bedanken uns bei allen, die zum Gelingen beigetragen haben und natürlich ganz besonders bei TRUE-REBEL-Alex für die Einladung! „Bolanow Braaawl!!!“ und Prost!