Der Berliner Illustrator, Comiczeichner und Maler Guido Sieber debütierte mit seinem ersten Comicalbum „Aus lauter Liebe“ innerhalb der Thurner „Edition Kunst der Comics“, wo es im Jahre 1991 als großformatiger, rund 60-seitiger Hardcover-Band erschien.

Obschon Sieber seine Figuren als Karikaturen zeichnet, verbietet sich im Prinzip die Genrebezeichnung Funny. In seinen von einzelnen Parodien und Persiflagen, vor allem auf Werbung und populäre Comicfiguren, flankierten, anarcho-misanthropischen Kurzgeschichten setzt er durch die Überbetonung äußerlicher wie innerlicher menschlicher Makel stark auf den Ekeleffekt. Seine Figuren sehen allesamt wie unförmige Zombies aus, sind stumpfsinnig und roh, triebgesteuert und verkommen. Ihre Zwischenmenschlichkeit ist verloren und egoistisch, ihre Sexualität pervers und abtörnend. Positiv konnotierte Begriffe wie Geselligkeit oder Liebe führt Sieber in seinen Zeichnungen ad absurdum, Moral und Selbstlosigkeit sind genauso abwesend wie klassische Heldinnen oder Helden. Diese wären zwischen all den Ausscheidungen und verwarzten Geschlechtsorganen auch fehl am Platze.

Selbstironisch rechtfertigt sich Sieber, der sich, um anonym zu bleiben, mit über den Kopf gezogener Papiertüte selbst zeichnet, eingangs dafür, kommt aber zur Konklusion: „[Meine Comics] sind nicht häßlicher oder perverser als das Leben selbst!“ Die Panel-Grids folgen nur selten festen Strukturen, scheinen sich vielmehr in einem übergeordneten Chaos ihren Platz zu suchen. Die Handletterung erfolgt in große Versalien, auf Seitenzahlen wurde verzichtet. Dafür sind die Seiten sehr farbenfroh gestaltet, fassen sich auf ihrem matten Qualitätspapier gut an und riechen auch nach 30 Jahren noch gut.

„Aus lauter Liebe“ ist eine fiese Kombination in die Magengrube, ohne auf Melodramatik oder Betroffenheit zu setzen. Vielmehr regieren zu Papier gebrachte Abscheu vor der Gesellschaft, schwarzer Humor und eine nicht ungefähre Aggressivität, mit der sich Sieber zu wehren scheint, sodass sein Comic wie das Ventil eines letztlich an der Realität verzweifelnden, sensiblen Künstlers mit zu guter Beobachtungsgabe wirkt.

Bevor er sich hauptsächlich der Malerei verschrieb, erschienen in den 1990ern offenbar sieben Comicbände Siebers. Selbstredend müssen die nach und nach alle her – so abstoßend sie auch sein mögen.