(www.jugendkulturen.de)
Und ein weiteres Buch über Subkulturen, ein weiteres Buch über Skinheads… derer Autorin El-Nawab bereits zwei verfasst hat, die ich beide nicht kenne. Über Rocka-/Psychobillies hat sie auch schon was veröffentlicht und ich frage mich ehrlich gesagt, ob es nicht langweilig wird, immer wieder über das gleiche zu schreiben und worin die großen inhaltlichen Unterschiede bestehen sollen…? In jedem Fall kommt dieser ca. 370 Seiten starke Schmöker mit festem Einband und hochwertigem Papier ziemlich edel daher, was sich allerdings auch im Preis von 28,- Talern niederschlägt. Außerdem enthält der Band viele Fotografien, wobei die Skinheads mit z. T. verdammt üblen „Gürtel+Hosenträger“-Fotos etc. am Schlechtesten wegkommen. Zum Inhaltlichen: Erstmal gilt es, sich durch die vor wissenschaftlichen Fachtermini und Fußnoten nur so strotzende Einleitung zu boxen, die mich beinahe dazu veranlasst hätte, das Buch zur Seite zu legen und nicht mehr anzurühren. Eigentlich kann man sich den Part aber auch getrost sparen und damit einsteigen, worum es eigentlich geht: Aus allen drei Subkulturen wurden jeweils zehn (oder so) Angehörige (aus Deutschland, wohlgemerkt) durch die Autorin, die mehrfach betont, sich selbst auch aus privatem Interesse seit etlichen Jahren in subkulturellen Kreisen zu bewegen, befragt, um einen Gesamteindruck von ihnen und damit von der jeweiligen Szene zu gewinnen. Die Fragen und Antworten werden allerdings eher selten direkt wiedergegeben als mehr in ein durch die Autorin möglichst neutral gehaltenes Profil des jeweiligen Interviewpartners umgeschrieben, das anschließend durch die Autorin kommentiert und bewertet wird. Dies ist zwar einerseits, wie El-Nawab auch ganz richtig feststellte, die einzige vernünftige Möglichkeit, einen wirklich authentischen Einblick in Subkulturen zu bekommen, bietet andererseits dennoch die Möglichkeit der Manipulation durch tendenziöse und/oder provokante Fragestellungen, die die Gespräche in eine bestimmte Richtung lenken sollen oder durch die persönliche Gewichtung der Antworten durch die Autorin beim Erstellen der Profile der Befragten – was ich El-Nawab aber nicht unterstelle. Die Skinheads erzählen mal mehr, mal weniger Schwachsinn, ziemlich durchwachsen, das Ganze. Für die anschließende Bewertung sind diese zehn Befragten aber einfach zu wenig (repräsentativ). Dafür ist die Szene viel zu breitgefächert, als dass sie durch die Autorin nach zehn Gesprächen mit deutschen Skinheads und der Angabe lächerlich weniger, stellenweise falsch zitierter Songtexte beurteilt werden könnte. So werden die sozial- und gesellschaftskritischen Texte vieler Oi!-Bands komplett ausgeklammert, Hardcore findet so gut wie gar nicht Erwähnung etc. pp. Erwartungsgemäß werden den Skinheads auch am wenigsten Seiten im Buch zur Verfügung gestellt. Stattdessen wieder das heutzutage moderne Geseiere über den angeblichen Sexismus in der Szene und die „homo-erotischen“ Anhaltspunkte, bla bla bla… Die nicht-rechte Skinhead-Szene ist, so wie ich sie wahrnehme, besonders verglichen mit dem, was anschließend die Knochenlutscher und Schmalzlocken vom Stapel lassen, zwar „prollig“, aber nicht unbedingt sexistisch ausgerichtet. Wenn überhaupt kommt es durch den gewaltigen Männerüberschuss zu einem „umgekehrtem Sexismus“, d. h., die Mädels werden besonders hofiert etc. Dass es nichts mit Sexismus zu tun hat, über Sex zu singen (und das auch noch häufig selbstironisch) oder sich nicht künstlich „unmännlich“ zu geben, werden einige vermutlich nie kapieren. Übrigens: Nicht „American History X“ wurde in s/w gedreht, sondern „Oi! Warning“. Aber ich will nicht kleinlich werden. Die Gothics, denen der größte Teil des Buches gewidmet wurde, bestätigen viele meiner Vorurteile durch ihre Begeisterung für irgendwelchen Esoterik-Quatsch und andere Hippiescheiße, ihre Oberflächlichkeit in Bezug auf Klamotten und Styling und ihre zum Teil ausgeprägte Weltfremdheit. Trotzdem sind auch hier fitte Leute mit vernünftigen Aussagen und Einstellungen vertreten; halt ebenfalls recht durchwachsen. Großen Wert legte El-Nawab offensichtlich auf die Konfrontation der Interviewten mit rechtsradikalen Einflüssen und Tendenzen in der Szene, wobei die Antworten oft sehr gleichgültig ausfielen. Dafür hat sie selbst umso mehr Hintergrundinformationen diesbzgl. in das Buch eingearbeitet, da ihr die weit verbreitete Ignoranz sehr zu schaffen zu machen scheint. Die Rockabillies schießen letztendlich allerdings den Vogel ab: Verklärter Retro-Kult und spießig hoch zehn, sofern die meisten der Profile repräsentativ für die Szene sein sollten. Keine Ahnung, was das alles noch mit der ursprünglichen Rebellion der Jugendlichen in den 50ern zu tun haben soll. Dies erkennt allerdings auch die Autorin und benennt diese Widersprüchlichkeit. Vor lauter Geilheit auf das Thema „Sexismus“ vergisst die Autorin allerdings, angemessen auf einige verdammt bedenkliche Aussagen zum Thema Militär und Zweiter Weltkrieg einzugehen. Alles in allem fällt beim Lesen des Buches auf, dass die meisten Befragten nicht mal halb so rebellisch und anders sind, wie sie es entweder vorgeben zu sein (sofern sie sich überhaupt als „Rebellen“ sehen) oder wie sie von außen betrachtet werden, sobald es um (gesamtgesellschaftlichte) Themen geht, die den eng gesteckten subkulturellen Rahmen übersteigen. Inwieweit dieses Werk tatsächlich als ernstzunehmende Studie taugt, vermag ich nicht zu beurteilen. Positiv hervorheben möchte ich allerdings, dass die Autorin verdammt gut den Stellenwert der Medien und deren Wechselwirkung mit der jeweiligen Subkultur, insbesondere der der Skinheads, in Bezug auf ihre Entwicklung herausgearbeitet und formuliert hat. Rein formell gibt’s neben der Einleitung in schlimmstem Fachchinesisch ein paar – trotz aller Fußnoten, haha – nicht erläuterte szenetypische Begriffe und die nicht immer gewahrte Form in Hinsicht die typographische Darstellung von Eigennamen etc. zu kritisieren. Den Skinhead-Part empfand ich als überflüssig, die anderen beiden interessant über (Vor)Urteile bestätigend bis desillusionierend. Günni
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