dödelhaie + asimatrix @menschenzoo, hamburg, 20160220

Ein historisches Ereignis: In ihrem gefühlt 100-jährigen Bestehen hatten die Duisburger DÖDELHAIE noch kein einziges verdammtes Mal in Hamburg gespielt, weshalb auch immer – das weiß wohl niemand so genau. Am 20.02.2016 sollte sich dies endlich ändern, denn die Haie schwammen sämtliche verdreckten Flüsse vom Ruhrpott bis in die Elbe herunter und strandeten schließlich im Menschenzoo, der eigens in ein großes Aquarium verwandelt wurde. Eigentlich sollte das für meine kleine Krawallcombo DISILLUSIONED MOTHERFUCKERS darüber hinaus ebenfalls ein besonderes Ereignis werden, denn nach unserer Schrumpfung auf Quartettgröße wollten wir live mit Eisenkarl am Bass debütieren. Doch Pustekuchen, wieder einmal schlug das Verletzungspech erbarmungslos zu wie ein japanischer Walfänger, denn unser Drummer hatte sich eine seiner Tentakeln so fies verknotet, dass an einen Gig nicht mehr zu denken war. Das war extrem ärgerlich, umso erfreulicher jedoch, dass superkurzfristig Ersatz in Form der erst seit Kurzem existierenden HH-Punk-Combo ASIMATRIX gefunden wurde.

Die Band um Frontfrau Juli spielt eine recht eigenständige Mischung aus HC-Punk und Ska-Core, die so richtig schön giftig und gemein klingt, wenn Juli kratzig ins Mikro shoutet und die Vers-Enden extra dreckig fauchrotzt. Der Sound hat eine interessante düstere Schlagseite und unterstützt wird die agile, sich ständig in Bewegung befindende Sängerin vornehmlich vom Gitarristen, der ab und an kräftig und grimassierend mitbrüllen darf. Während der gelegentlichen hektischen Ska-Core-Eruptionen springt Juli gern ins Publikum und fordert es rempelnd zum Tanzen auf, was den Pöbel vor der Bühne weiter aus der Reserve lockte. Ich war überrascht vom bereits ziemlich tighten Zusammenspiel der Band, was sicherlich nicht zuletzt am zotteligen Drummer lag, der sich eine ulkige Brille für den Gig aufgesetzt hatte. Die deutschsprachigen Songs wurden um eine mir anscheinend unbekannte (oder arg verfremdete) Coverversion erweitert und unterm Strich war’s ein absolut respektabler Auftritt, der mir richtig gut reinlief. Sehe ich mir gern beizeiten wieder an und wäre auf jeden Fall auch was für ‘nen gemeinsamen Gig mit uns, wenn Dr. Tentakel wieder genesen ist!

Dann also endlich der geschichtsträchtige Augenblick: Der Große Graue live in Hamburg in der proppevollen Spelunke, die DÖDELHAIE fletschten ihre Zahnreihen, Hai-Alarm im Menschenzoo! Begleitet von Konfettikanonen aus dem Publikum führte der „immer gut gelaunte Sänger, Bassist und Berufspunk“ (wie ich ihn einst in einer Plattenkritik beschrieb) Andy Kulosa am halslosen Viersaiter und mit den berüchtigten, immer länger werdenden, aber unbedingt dazugehörenden, fast schon kabarettistischen Ansagen durch ein Killerhai-Set, das sich natürlich in erster Linie aus den so richtig punkpartytauglichen Stücken zusammensetzte. Düsterere, nachdenklichere Songs (z.B. vom sträflich unterbewerteten „Mitternacht“-Album) wurden ebenso ausgespart wie Uralt-Kracher à la „Meine kleine Welt“ oder „Feinde“, dafür gab’s Kultsongs wie den Opener „Heute Nacht“, „Weiter gehn“, das von Monty Python entlehnte „Holzfällerlied“, „Gerechtigkeit“, „Radieschen auf Frischkäse“ usw., ferner die Revolutions-Hymnen „Die letzte Schlacht“ von TON STEINE SCHERBEN und das eingedeutschte „Solidarity“ der ANGELIC UPSTARTS (von der kultigen „Oi! It’s Deutschpunk“-EP). Letzteres sang eine Dame namens Eva mit, die zuvor bereits das auf dem „Cats“-Musical-Hit „Memory“ basierende „Memmen“ bestens interpretiert hatte.

Die Stimmung war prächtig, vor der Bühne ging’s gut ab, der teilweise von weiter weg angereiste Pöbel legte sich gut ins Zeug. Die DÖDELHAIE sind ja im Prinzip ‘ne typische ‘90er-Deutschpunk-Band, wenn es so was überhaupt gibt. Einerseits haben viele Jünglinge sie damals bestimmt auch durch ihre rege Teilnahme an diversen weit verbreiteten Punk-Samplern kennengelernt, andererseits ist diese Stilbezeichnung szeneintern ja bisweilen eine Art Schimpfwort. Die DÖDELHAIE mit ihrer (oft missverstandenen?) Selbstironie, Andys Rufgesang und den gern mal in Metal-Gefilden inkl. doppelten Gitarren-Leads wildernden Klampfen gehören für mich aber eindeutig zu den Guten, und zwar gerade wegen dieser Zutaten. Das wiederum liegt neben meiner Schwäche für IRON MAIDEN und Co. vor allem auch daran, dass man überaus fit an den Instrumenten ist und die Gitarristen klasse Melodien hervorbringen, statt irgendeinen Metal für Arme zu dilettieren. Der Sound im engen Menschenzoo war bestens, Norman hat am Mischpult ganze Arbeit geleistet. Ich schätze mal, dass die Kulosa-Brüder & Co. normalerweise durch etwas größeren Kaschemmen schwimmen, aber sie ließen sich auch nicht von immer mal wieder auf die Bühne und in die Mikros fliegenden Leuten aus dem Konzept bringen. Umgefallene oder verdrehte Mikroständer wurden von den in Bühnennähe stehenden Leuten jeweils schnell wieder in Position gebracht, das ganz normale Chaos ohne negative Auswirkungen also.

Für mich gab’s, nachdem ich lange Zeit mitsingend und fäustereckend am Rand mit einem Dauergrinsen in der Fresse gestanden hatte, auch kein Halten mehr und ich saute mich kräftig beim Tanzen ein. Leider wurde mein Zugabewunsch „Spiegelbild“ nicht erhört, stattdessen noch einmal „Heute Nacht“ gespielt. Das wäre dann auch mein einziger Kritikpunkt an diesem ansonsten durchgehend erhabenen Auftritt: So viel Spaß die Songauswahl auch gemacht hat, so bestand sie doch auch zu einem nicht unbeträchtlichen Anteil aus Coverversionen bzw. Neuinterpretationen fremder Stücke – obwohl man nun wirklich über eine Vielzahl spielenswerter eigener Songs verfügt. Von mir aus kann gern der eine oder andere ureigene DÖDELHAIE-Song zurück ins Set – vielleicht beim nächsten Mal, denn ich gehe doch davon aus, dass man jetzt, da der Bann gebrochen ist, einmal jährlich die Hansestadt an der Elbe beehren wird, oder?

Nach einem Klönschnack mit der Band im Anschluss endete dieser grandios fischige, vielen Erinnerungen an mehr oder weniger selige alte Zeiten weckende Abend, der so viel Laune gemacht hat, dass er mich unsere Absage fast vergessen ließ. Seufz…