„Hier kommt die alte Schule!“

4 PROMILLE mal wieder in Hamburg, zudem in einem der schönsten Clubs der Stadt – und ich hatte auch noch Zeit! „Support to be announced“ hieß es im Netz, eigenartigerweise auch noch zwei Tage vorher… Just fragte man uns, ob wir den Slot nicht mit DISILLUSIONED MOTHERFUCKERS ausfüllen könnten. Das wäre musikalisch zwar ‘ne eher ungewöhnliche Zusammenstellung geworden, aber, hey: Warum nicht? Kurz nachdem sich einen Tag später der Letzte von uns für den Gig freigeschaufelt hatte, war allerdings schon eine andere Combo gefunden worden: TATSAXE, eine noch junge Hamburger Band um einen Kerl namens Mark, der mir in präpandemischen Zeiten dadurch aufgefallen war, dass er mit seiner Akustikklampfe gerne mal vor Veranstaltungen im Gängeviertel herumsaß. Von der Band hatte ich vorher noch nie etwas gehört, offenbar war eine Zeitlang sogar ex-TOBSUCHT-Micha dabei. Ich war gespannt.

Gegen 21:00 Uhr traf ich ein und ließ mir erst mal ein köstliches Monkeys Red zapfen, ungefähr ‘ne Viertelstunde später legten TATSAXE in Quartettgröße los: Mark spielt Gitarre und singt, Bass und Schlagzeug gibbet natürlich auch, und, sieh mal einer an: An der zweiten Klampfe der ehemalige Sänger der klasse Wedeler AC/DC-Coverband OVERDOSE! Ihren Stil bezeichnen TATSAXE als Oi!-Punk, für meine Ohren ist der Sound aber anders, irgendwie… spezieller. Mark hat ‘ne gute, raue Stimme und geht mit ihr ab und zu auch mal in die Höhen, was dann schön punkig-dreckig klingt. Man spielte Lieder über den „Irokesen-Weihnachtsmann“, die Bulettenbräter Hesburger, die Sonne Orions, den Elbstrand und sich selbst; noch mitunter etwas holprige Ansagen Marks führten durchs Set (so was wie „Nichts gegen McDonald’s oder Burger King“ sollte man vielleicht noch mal überdenken…). Die auf Spaß gebürsteten Songs wirkten inhaltlich eher infantil und erinnerten mich an grausige Nix-Gut-Records-Zeiten; aber wenn mich nicht alles täuscht, fand sich auch der ein oder andere ernstere, persönlichere Song, der ihnen meines Erachtens besser zu Gesicht stand. Vor allem musikalisch aber war’s ‘ne abgefahrene Mischung, denn während die Rhythmussektion inkl. Marks Rhythmusgeklampfe irgendwo zwischen rudimentär und rustikal und dabei nicht immer ganz harmonisch zu Werke ging, war insbesondere der ehemalige OVERDOSE-Sänger mitunter schwer hardrockig (und sehr filigran) am Solieren, und wenn der Frontmann zu Leadgitarrenklängen ansetzte, klang das für meine stumpfen Ohren ebenfalls erstaunlich versiert. (Zwischenzeitlich legte er die Klampfe aber auch mal beiseite.) Mit diesen Sound-Elementen hat man zumindest etwas Eigenes, worauf sich aufbauen ließe. Nach diesem ersten Live-Eindruck würde ich sagen, da trafen ‘90er-D-(Fun-)Punk mit Trash- und Asi-Kante auf etwas Oi!-Prolligkeit mit Hang zum Mitgrölrefrain sowie ‘ne ordentliche Hardrock-Schlagseite, wie man sie vielleicht aus dem Streetrock-Bereich kennt. Ab dem dritten Song jedenfalls wurde von einer kleinen Gruppe gepogt, wenn auch mit zwischenzeitlichen Pausen, während der Rest inklusive des Verfassers dieser Zeilen im ordentlich gefüllten Saal irgendwie fasziniert zuschaute und versuchte, sich einen Reim auf die Band zu machen – und Szenenapplaus lieferte. Ich werde die mal im Auge behalten. 😀

Dass ich die Düsseldorfer zuletzt live gesehen hatte, war doch tatsächlich schon wieder neun (!) Jahre her, seinerzeit auf dem Hafengeburtstag… Da war Bandgründer Grüner schon raus, mittlerweile haben sie auch einen anderen Drummer und Sängerin Melly hat leider auch die Segel gestrichen. Letzteres ist besonders schade, brachte sie doch mit den von ihr gesungenen Songs stets eine ganz andere Klangfarbe mit ein und hatte sie nicht zuletzt auch immer eine tolle Bühnenpräsenz. 4 PROMILLE traten ebenfalls mit zwei Gitarren an und spielten ein Headliner-Set in entsprechender Länge, wobei ungefähr die erste Hälfte lang jüngere, oft ruhigere Songs dominierten, mit denen ich nicht so vertraut bin, man anschließend aber einen Klassiker nach dem anderen raushaute. Sänger/Gitarrist Tommes (der mittlerweile immer mehr Ähnlichkeit mit Mike Ness aufweist) führte entspannt und souverän durch den Abend, die Band hatte sichtlich Bock und war äußerst spielfreudig. Vor der Bühne war von Beginn an was los und je älter die Stücke, desto ausgelassener und größer wurde der Pogomob. Zu Trinkliedern, selbstironischen Hymnen und Gassenhauern mit mal mehr, mal weniger Szenebezug gesellte sich nachdenkliches bis melancholisches Material – insgesamt eine gut zusammengestellte Mischung bei sehr gutem Sound, zu dem das Bierchen gut die Kehle herunterlief, bis auch ich mich dann und wann auf die Tanzfläche begab. Die ältesten Stücke waren „Lokalverbot“ und „Die Jungs von nebenan“, die in all den Jahren nurmehr an Charme gewonnen haben, am allermeisten los dürfte bei „Für ‘ne Handvoll Schnaps“ und – natürlich – „Ich werd‘ mich ändern“ gewesen sein, die nun wirklich alle mitsangen. Eine Pause vor den Zugaben sparte man sich („Wozu Zeit verschwenden?“), wies stattdessen lediglich darauf hin, dass diese nun folgen. Eine äußerst gelungene Working-Class-Punk’n’Beer’n’Roll-Party, in deren Zuge mir noch mal bewusst wurde, wie viele Hits 4 PROMILLE im Köcher haben, die tatsächlich für ein abendfüllendes Set auch ohne die vornehmlich englischsprachigen von Melly gesungenen Stücke reichen. Für den alten 4-PROMILLE-Spirit fehlen ihre Stimme und ihr Auftreten in jedem Falle, doch in dieser Form darf die Band von mir aus gern noch lange weitermachen. Und ich nehme mir an dieser Stelle mal vor, mich a) etwas intensiver mit den letzten Platten zu beschäftigen und b) nicht wieder so viele Jahre bis zum nächsten Wiedersehen verstreichen zu lassen…

P.S.: Danke ans Monkeys für den Gästelistenplatz!