An diesem Wochenende hätte man sich wieder in etliche Puzzleteile zerreißen müssen, hätte man jede interessante Veranstaltung in der Hansestadt mitnehmen wollen. Mir stand der Sinn nach ‘ner überschaubareren Sause und das Störtebeker lockte mit einem Gig der lokalen NOTGEMEINSCHAFT PETER PAN zusammen mit zwei mir unbekannten Bands. Die Berliner HC-Punks SZRAMA mussten krankheitsbedingt leider absagen, als Ersatz war das Duo LASTER-KADAVER eingesprungen. Im noch einige Beinfreiheit bietenden Störte eröffnete dieses irgendwann zwischen 22:30 und 23:00 Uhr vor auffällig vielen Vokuhila-Trägern (nach mal mehr, mal weniger ironischen Schnurris offenbar der letzte szeneinterne Antimodeschrei) mit Sludge-Gedröhne ohne Bass, dafür mit Kunstnebel, tiefer Klampfe mit vielen Effekten und Loops, die weitere Instrumente überflüssig machten. Das klang wie ein überlanger Soundcheck, monoton, schleppend und vorhersehbar. Freunde dieser Musik würden jetzt vermutlich eher doomig, atmosphärisch und rustikal sagen, aber ich penn‘ bei sowat echt weg. Der Shouter/Klampfer drehte zwischendurch Kippen und legte seine Axt auch mal ganz zur Seite, um zu den Loops nur noch zu brüllen. Da Stück an Stück ohne Pausen aneinandergereiht wurde, hinterließ das Ganze den Eindruck einer einzigen Endlosnummer. Selbst der berüchtigte Erste-Reihe-Tänzer im Metal-Dayz-Shirt verharrte regungslos und als sogar die Vokuhilas irgendwann das Weite suchten, hatte die Band offenbar ihr Soll erfüllt und räumte die Bühne. Nee, Sludge und ich werden in diesem Leben keine Freunde mehr.
Bei den Bremer Krusten MONOTROP stehen die Chancen schon besser, wenngleich der Bandname in Kombination mit dem Genre erst mal wenig Gutes befürchten ließen, monotones Crust-Geschepper ist nun auch nicht gerade meine Baustelle. Doch weit gefehlt! Nach einem Intro, für das der Sänger sprichwörtlich auf die Pauke haute, sprich: an einer zusätzlichen Trommel den Drummer unterstützte, brachten MONOTROP mittels pfeilschneller Songs und ordentlich Arschtritt kräftig Leben in die Bude. Zwischen den Songs erzählte der Drummer kurz etwas zum textlichen Inhalt der Songs, wovon man beim (offenbar deutschsprachigen) Brüll- und Röchelgesang des stilechten Frontzottels dann ohnehin kein Wort verstand, der aber Energie und Aggressivität vermittelte, während sich heftige Riffs durch die Gehörgänge frästen. Crustpunk mit echten Songs inkl. Wiedererkennungseffekten, Speed und Groove, der richtigen Dosis an Abwechslung und arschviel Power. So gefällt das auch Skeptikern wie mir.
Die Stimmung war mittlerweile positiv aufgeheizt, die NOTGEMEINSCHAFT PETER PAN brauchte diese nur noch mitzunehmen. Nach den vorausgegangenen Darbietungen stellte sie sich als Pop-Band vor, was mit dem zwar wesentlich melodischeren, doch bisweilen nicht minder aggressiven und energetischen Sound der Band natürlich nicht viel zu tun hat. Im Gegenteil: Die Mischung aus feinen Melodien, ruppigerem Zeug und kämpferischer, melancholischer und wütender Stimmung stieß wie üblich auf offene Ohren und Herzen. Rechts vor Bühne übertönte der Gitarrensound leider völlig beide sich abwechselnde Gesänge, vermutlich Bühnensound-bedingt, aber ich bin ja nicht auf den Kopf gefallen und nutzte die immer noch angenehmen Platzverhältnisse, um mich einfach auf die andere Seite zu begeben und dort den einnehmenden Bassläufen des stets fröhlich vor sich hingrinsenden, aber komplett die Klappe haltenden Bassisten ebenso zu lauschen wie den leidenschaftlichen Ansagen, die Anlass für einen kleinen Zwischenfall waren: Ein auf dem Bühnenrand sitzender Punk zeigte an diesen anscheinend demonstratives Desinteresse, was einen anderen derart auf die Palme brachte, dass er diesen maßregelte. Unnötig, weil eigentlich beides panne: Die Annahme, eine Punkband sei dazu da, einen Song nach dem anderen rauszuhauen, ohne länger als fünf Sekunden etwas zu ihnen zu sagen und man deshalb genötigt sei, verächtlich auf alles zu reagieren, was die eigene Aufmerksamkeitsspanne überreizt, ist natürlich grundfalsch, zumal weder die NOTGEMEINSCHAFT noch andere ähnlich geartete D.I.Y.-Bands wirken, als würden sie sich auf ein Podest stellen und sich selbst gern einstudierten Bullshit quatschen hören, der allen längst aus den Ohren herauskommt. Genauso Quatsch ist es aber, so zu tun, als sei man auf einer ach so politischen Agitprop-Veranstaltung denn auf einem wüsten HC-Punk-Gig und für jedes Teaching to the converted höchste Aufmerksamkeit erzwingen zu wollen. Über diesen Unfug habe ich nun aber längst viel zu viel geschrieben, letztlich wirkte Gitarrist/Sänger Stemmen beruhigend auf die Situation ein, die wohl schnell geklärt war. Als die Band schließlich erstmals von ihren Instrumenten ließ, wurden lauthals Zugaben gefordert, bis weitere Anti-Aging-Tipps in Form eines eingedeutschten und an hiesige Verhältnisse angepassten AGNOSTIC-FRONT-Songs sowie einer direkt ins Ohr gehenden Singalong-Hymne ausgetauscht wurden, deren Chor aus vielen Kehlen mitgesungen wurde.
Nach einem sich mir musikalisch nicht erschließenden Beginn, den ich vor allem als Kunstnebel- und Equipment-Technik-Demonstration in Erinnerung behalten werde, wurd’s der erwartete und erhoffte arschnette Abend mit guter Musik im ebenso herzlichen wie rustikalen Störtebeker-Ambiente, wo dann auch die eine oder andere Pilsette mehr geköpft wurde, als vielleicht ursprünglich „geplant“. Schönes Ding, das seinen obligatorischen Absacker im Onkel Otto fand.
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