Wir hatten etwas von Anti-G20-Prozesskosten-Solisaufen aufgeschnappt und uns auf ‘nen unspektakulären Abend am Tresen mit Musik aus der Konserve eingestellt. Als ein als fleischfressende Pflanze verkleideter Kassierer ‘nen Fünfer Eintritt verlangte und uns nicht hineinließ, ohne uns Kunstblut in die Visagen zu schmieren, wurde klar, dass wir da etwas falsch verstanden hatten. Der Laden war ebenfalls ganz im Zeichen Halloweens dekoriert und der Großteil hatte sich in entsprechende Schale geschmissen. Und wer nicht, war bzw. wurde eben angeschmiert. Im Konzertraum legte nicht nur ein mit gutem Geschmack gesegneter Vinyl-DJ auf, der sein Set mit diversen ‘80er-New-Wave/Synthie-Pop-Hits spickte, ein mit Drumkit etc. bestückter Bühnenbereich sowie ein selbstgebasteltes Glücksrad deuteten auf weitere Programmpunkte hin. Um Mitternacht wurden die Spiele schließlich eröffnet: Nach zwei „Gratis“-Tracks von FAXE POLICE – flotter HC-Punk/Oldschool-HC, der arschtrat – bat ein Moderator ans Glücksrad, das mehrere Optionen bot: FAXE POLICE spielen einen Song, Zitateraten, Schlag den Scholz, Songraten oder Karaoke. Beim Zitateraten galt es, Aussagen aus den Bereichen Politik, Philosophie u.ä. per Multiple-Choice-Verfahren richtig zuzuordnen, was bei Erfolg mit ‘nem Schnaps belohnt wurde. Die Zitate waren übrigens wohlgewählt und der Schwierigkeitsgrad nicht immer ganz profan. Bei „Schlag den Scholz“ galt es, mit Bällen eine Pappstatue des größenwahnsinnigen Hamburger Despoten vom Stuhl zu fegen, was ebenfalls in Alkoholika entlohnt wurde. Beim Songraten spielte ein Bandmitglied den Anfang eines mehr oder weniger populären Stücks über sein Smartphone an, was die meisten Teilnehmer vor keine größeren Herausforderungen stellte. Die geilste Disziplin war jedoch Karaoke: Wen es erwischt hatte, musste ein Los ziehen, das den Titel des zu singenden Songs offenbarte, welche auch alle auf der Tafel an der hinteren Bühnenwand aufgeführt worden waren. Selbst singen musste man nicht, sondern konnte jemanden aus dem Publikum auswählen, der Bock und den Text halbwegs drauf hatte. Ob GANG GREENs „Alcohol“, „California über alles“ vonne DEAD KENNEDYS, KIM WILDEs „Kids in America“, POISON IDEA – „Plastic Bomb“, BLACK FLAG – „Nervous Breakdown“ oder DEAD BOYS – „Sonic Reducer“ – die Band spielte die Songs jeweils live und fast nie wurden Sängerin oder Sänger alleingelassen, sondern konnten sich auf ‘nen kräftig mitsingenden Mob verlassen. Daraus entwuchs manch eigenwillige Interpretation und je später die Nacht, desto lockerer wurden die Leute und desto chaotischer wurde die Veranstaltung, die vom Moderator durch subtile Eingriffe am Glücksrad dann und wann in die gewünschte Richtung gelenkt wurde. Gegen Ende war dann immer noch „Breaking The Law“ von good old JUDAS PRIEST übrig; nachdem ich mir genügend Mut angetrunken hatte, ergriff ich die Chance und versuchte mich als Aushilfs-Halford. Hat derbe Laune gemacht, ganz wie die komplette, mit viel Liebe zum Detail gestaltete Sause, auf die ich so gar nicht vorbereitet war, die mich aber auch im Nachhinein noch breit grinsen lässt. Bleibt zu hoffen, dass auch für die G20-Repressionsopfer reichlich Rubel zusammenkamen – schließlich konnten längst nicht alle dieses Jahr derart ausgelassen Halloween feiern.
- Faxe Police
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