Der Hamburger Hafengeburtstag mit seinen zahlreichen Bühnen wurde dieses Jahr feiertagsbedingt gleich vier Tage lang gefeiert, von Donnerstag bis Sonntag. Ich hatte erst ab Samstagnachmittag wirklich Zeit dafür, weshalb ich viele sehens- und hörenswerte Gigs von z.B. FAST SLUTS, S.O.S., PLASTIC PROPAGANDA und VIOLENT INSTINCT verpasste, aber auch den ersten Abend des alternativ „Affengeburtstag“ getauften Programms auf der Onkel-Otto-Bühne am Störtebeker außerhalb des städtisch abgesegneten Teils ohne mich stattfinden lassen musste. Samstag aber sollte ich dort selbst mit BOLANOW BRAWL auf der Bühne stehen und freute mich auf mein erstes Open Air überhaupt mit dieser Band! Der ursprüngliche Plan, zwischen 16:00 und 18:00 Uhr Soundchecks mit allen Bands durchzuführen, wurde über Bord geworfen, so dass wir noch reichlich Zeit bis zum Beginn um 19:00 Uhr hatten, dem Bühnenaufbau beiwohnen, die ersten Bierchen pitschen und uns schließlich übers Buffet hermachen konnten (oder auch vergeblich zu versuchen, Bolanow zu besorgen oder, wie Stulle, einen Parkplatz zu finden…). Das Wetter lud zum gemütlichen Rumgammeln ein, denn es dürfte der bisher heißeste Tag des Jahres gewesen sein – keine Spur vom Schmuddelwetter manch vergangenen Hafengeburtstags. Viele Freunde und Bekannte waren auch längst vor Ort, was neben dem starken Besucherandrang meine Nervosität beflügelte. Die Spielreihenfolge die Bands untereinander ausmachen zu lassen, fiel dem sich als gut funktionierend herausstellenden Konzept der Organisatoren zum Opfer, die lokale Band – in diesem Falle uns – jeweils als zweite zocken zu lassen. Pünktlich, nachdem ich mir die schmackhafte Nudelpfanne mit Seitan, Salat und Brot reingepfiffen (und nur dafür auf den weltbesten Veggie-Döner, den es stets zum Hafengeburtstag an der Hafenstraße gibt, verzichtet) hatte, begannen LUCKY MALICE aus Norwegen. Das Riot-Grrrl-Trio machte mit seinem vornehmlich englisch gesungenen, rauen und doch melodischen, ziemlich eigenständigen Punk gut Alarm und überzeugte mit viel Spielfreude und Gesang, der dann und wann in überraschend hohe Regionen vorstieß. Eine der Damen sprang zwischenzeitlich von der Bühne ins Publikum; gegen Ende schraubte die Bassistin ihr Mikro hoch und schmetterte eine klasse Version von MOTÖRHEADs „Ace of Spades“. Klasse Bühnenshow eines ebensolchen Gigs, der die Stimmung gut anheizte. Die Mädels haben gerade ihre Split-LP mit DANGER!MAN herausgebracht und beehren Hamburg bereits zum Gaußfest am 11.06. wieder!
- Lucky Malice
Nun waren wir an der Reihe. Zum Umbau auf der Bühne gesellte sich Janas und Kais kleine Rampensau und Stuntgirl Pia, die zuvor bereits diversen Zuschauern eine Seifenblasendusche verpasst hatte und nun Mikros und Drums auf ihre Funktionstüchtigkeit hin testete. Die recht hohe Bühne bot einen prima Überblick über die Meute und, ja, die war wirklich zahlreich erschienen. Mit unserer in Rotenburg erfolgreich erprobten neuen Setlist sorgten wir als einzige Streetpunk-Band des Abends dann für weiteren melodischen Stoff, der offenbar gut ankam, das Publikum zeigte sich begeisterungsfähig, in Teilen auch bewegungsfreudig und so wurd’s auch für uns ’ne äußerst angenehme Nummer, meines Wissens ohne großartige Verspieler oder sonstige Ausfälle. Ich genoss sehr den Umstand, endlich mal wieder ’ne Monitorbox zu haben, statt versuchen zu müssen, über die P.A. irgendetwas mitzuhören. Zwischen den Songs allerdings das übliche Chaos; wann immer ich ’ne Idee für ’ne Ansage hatte, brüllten die mitteilungsfreudigen Kollegen dazwischen oder zählten schon die nächste Nummer an und wenn ich mir gewünscht hätte, dass sie ihrem etwas eigenen Humor freien Lauf lassen, blieben sie stumm wie ein Fisch zwischen zwei Brötchenhälften. Das machen die mit Absicht und ich werde mich irgendwann grausam rächen! Obwohl einige sie gefordert hatten, gab’s keine Zugaben, denn der Zeitplan hing eh schon wieder hinterher, davon abgesehen hatten wir unser Pulver komplett verschossen und keine „Hits“ aufbewahrt, um die wir uns erst lange bitten hätten lassen.
Nach der Pflicht kam die Kür, was bedeutete, unaufgeregt die weiteren Bands verfolgen oder sich weiter auf dem Hafengeburtstag umsehen zu können. Die Holländer FLEAS AND LICE besorgten es der Hardcore-Punk-Fraktion nun mit ebensolchem, wie gehabt ordentlich scheppernd und mit männlich-weiblichem Wechselgesang. Die sind mittlerweile schon so lange dabei, dass sie niemandem mehr etwas beweisen müssen und wüteten sich gewohnt souverän durch ihr Set. Das hab’ ich allerdings nicht komplett verfolgt, sondern bin zwischendurch runter zur Jolly-Roger-Bühne, um genau in die wenig spannende Umbaupause einer Ska-Punk-Band zu geraten. Als ich das nächste Bier weg hatte und der Trompeter noch immer sein Instrument stimmte, bin ich wieder hoch, Shakehands hier, Klönschnack da und schon standen JUNTA aus Dänemark auf der Bühne. Das Trio hat bisher ein Demotape und ’ne EP-MC draußen und zockt ungezügelten, energischen Hardcore-Punk, der mich ein bisschen an alten Finnen-Punk erinnert. Die in Landessprache vorgetragenen Songs duldeten kein Durchatmen und auf Dauer war’s mir dann ehrlich gesagt zu monoton. Der Gitarrist und Sänger in Personalunion war aber mit vollem Enthusiasmus bei der Sache und seine Energie wirkte anscheinend auf Teile des Publikums durchaus ansteckend.
- Fleas and Lice
- Junta
Mit HOMBRE MALO als letzter Band war dann noch einmal Norwegen vertreten. Tiefergestimmten Sludge vernahmen meine Ohren und das ist nun leider so gar nicht meins, da kann der Shouter noch so viel herumbrüllen. Ich befürchtete das Schlimmste, doch plötzlich gab die Band Gas und war dazu arschtight, so dass es doch noch durchaus hörbar wurde. Der Stil entpuppte sich als Bastard aus Sludge, brutalem Geknüppel und bisweilen noisigen Einlagen, der nicht gerade eingängig, aber in seiner Härte und Konsequenz durchaus beeindruckend war. Groovigere Parts lockerten die Songs auf und ich glaube, in dem, was HOMBRE MALO machen, sind sie ziemlich gut. Der Shouter brüllte um sein Leben und die wuchtigen Drums sorgten für den passenden Beat zum musikalischen Massaker. In all seiner völligen Übertreibung irgendwie faszinierend und noch mal ein derbes Brett zum Abschluss, wenn auch in Sachen Songstruktur schwer nachvollziehbar und nicht gerade tanzbar.
- Hombre Malo
Danke an Coyote und Co. für diese geile Gelegenheit, den Hafengeburtstag zu beschallen, an die nette Crew, die ’nen klasse Job gemacht hat und natürlich alle, die dem Spektakel beigewohnt haben! Hat arschviel Spaß gemacht und uns sehr gefreut! Ein kleiner Wermutstropfen sind lediglich die anscheinend vermehrten Taschendiebstähle, die diesmal auch vor den Besuchern der Onkel-Otto-Bühne keinen Halt gemacht haben, von denen wir aber glücklicherweise nicht betroffen waren. Die Nacht hielt noch so manches Kuriosum für uns bereit und wurde von mir kurzerhand durchgemacht, weshalb ich am Sonntag leider viel zu erledigt war, um doch noch der Jolly-Roger-Bühne einen Besuch abzustatten und mir beispielsweise SLIME zu geben, deren Gig die Pfeifen von der Alternative für Deppen (AfD) noch zu verhindern versucht hatten. Aber das ist ein anderes Thema…
P.S.: Danke auch an Katharina G. und Frank Obersheimer für die Fotos unseres Auftritts!
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