Rock’n’Rolf alias Rotten Rolf wurde 44 und feierte in Billstedts Finest rein. Coole Nummer, schließlich hatte ich ihn – damals noch zu seinen ostfriesischen Zeiten – auf seiner Party zum 30. kennengelernt. Ursprünglich waren vier Bands geplant, doch die Berliner 100000 TONNEN KRUPPSTAHL mussten leider kurzfristig absagen. Theoretisch hätte ich sogar mit einer meiner Bands einspringen können, wie man mir vor Ort mitteilte, doch Anti-Social-Media-Rolf hatte meine Telefonnummer nicht mehr… Was soll’s, schließlich waren noch drei Bands übrig und zu denen ließ sich bestens durchdrehen.
Finnland ist nicht nur für seinen dreckigen ‘80s-HC berüchtigt, sondern exportiert auch immer mal wieder feinen melodischen Stoff. So auch im Falle der drei Gentlemen von BLACK MAMBO, die mit Power-Pop/Punkrock der alten Schule, grob Richtung BUZZCOCKS und Konsorten, die Stimmung anheizten. Die grundsympathische Band sorgte bei perfektem Sound für viel Sonnenschein an diesem arschkalten Abend, nahm sich BOB MARLEYs „Redemption Song“ vor, frönte einen Song lang auch dem Offbeat, jagte einen Punkrock-Weihnachtssong durch die Anlage und wurde nicht ohne Zugabe entlassen: einer arschcoolen Version von „Do You Remember Rock’n’Roll Radio“ der RAMONES, die bewies, dass man sich mitnichten immer nur an den üblichen Standards jener Band versuchen sollte. Die gut aufgelegte Kommunikation mit dem Publikum rundete den Gig ab – makellose Live-Band!
Unter dem Namen SHEMALES betraten drei abgetakelte schwedische Schönheitsköniginnen die Bühne, die sich in ihre Fummel gezwängt hatten und schlecht rasiert waren. Mit ihrem flotten ’77-Punk stiegen trotz weiterhin glasklaren Sounds die Sleaze- und Filth-Faktoren und die Front-Diva begeisterte mit ihrem schrillen Organ. Die Drummerin hatte bisweilen mit ihrem Kit zu kämpfen, ließ sich mit ihrem Pokerface aber nichts anmerken, unterbrach ihr Spiel kurzerhand und reparierte die Schießbude, während ihre Kolleginnen Takt und Riff hielten, mit dem Publikum scherzten oder sich die Kronen richteten. Das trat alles gut Arsch und machte Laune, folgerichtig taute der Mob vor der Bühne auch immer weiter auf und das ausländische Dosenbier, das an die speziellen Trinkergäste mit dem Bierstempel für ‘nen Euro abgegeben wurde, entfaltete langsam aber sicher genauso seine Wirkung wie manch andere Spirituose, die durch die durstigen Kehlen der Partygesellschaft floss – immerhin galt es, eine Schnapszahl zu feiern. Als bester Song entpuppte sich „Time To Wake Up The Dead“, doch Schwächen waren allgemein keine auszumachen. Auch diese mir zuvor unbekannte Band überzeugte live auf ganzer Linie und hinterließ viele grinsende Gesichter.
„Ein bisschen Revolt“, stand im Netz und damit war natürlich die Metal-Reihe gemeint, die regelmäßig in der Bambi Galore stattfindet. Das bezog sich auf den Hauptact des Abends, das brasilianische Death-Thrash-Kommando TORTURE SQUAD, das sich gerade auf Tour befindet. Die hatte ich bisher so gar nicht auf dem Schirm, doch anscheinend treibt man bereits seit Anfang der 1990er sein Unwesen. Ab Mitte der 2000er konzentrierte man sich gezielter auf den europäischen Markt und hat als jüngsten Coup den immer mal wieder vakanten Vokalposten mit Mayara „Undead“ Puertas besetzt, einer jungen Dame, die growlt und röhrt, als habe sie medizinballgroße Eier. Der P.A.-Sound war weiterhin extrem differenziert, sodass sich die von TORTURE SQUAD entfesselte Apokalypse auf direktem Wege in die Gehörgänge prügelte. Brutaler, aggressiver Death-Thrash zwang zum ekstatischen Rübeschütteln, der Gitarrist entfachte manch Solo-Blitzkrieg, dass einem schwindelig wurde und der Bass mit seinem knochentrockenen Klang war so dominant in den Vordergrund gemischt, dass er zusammen mit dem Höllentrommelfeuer eine perfekte Symbiose bildete und keine Rhythmusklampfe vermissen ließ. Zahlreiche Breaks und Tempowechsel hielten das Spektakel spannend und luden zu einem noch gewissen Grad an Konzentration beim Eskalieren ein. Was TORTURE SQUAD hier an spielerischer Präzision und Variantenreichtum innerhalb eng gesteckter Genre-Grenzen bei maximaler Brutalität ablieferten, hatte mich wahrhaftig euphorisiert und nachhaltig beeindruckt. Diese Band sollte man sich merken.
Dass es all diesen geilen Scheiß für gerade mal ‘nen schlappen Heiermann auf die Löffel gab, ist aller Ehren wert und DJ Hell Toupee heizte im Anschluss die Stimmung sogar noch weiter an – „Livin‘ On A Prayer“ lässt sich halt einfach perfekt mitgrölen! Danke an Rolf für die kontrastreiche, doch immer geniale Sause und Rock’n’Roll till 88!
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