Dieses Konzert kam für mich genau zur rechten Zeit, denn gerade nach all den schlechten politischen Nachrichten in letzter Zeit stand mir (ungeachtet der Lobusch-Sause vor zwei Wochen) schon wieder verstärkt der Sinn nach einem D.I.Y.-Punk-Konzert im überschaubaren Rahmen mit Bands, die ich kenne und mag (zumal ich ewig nicht mehr in den Fanräumen des FC St. Pauli gewesen war). Vermutlich eine Mischung aus Psychohygiene, Selbstvergewisserung und nicht zuletzt natürlich dem Spaß an der Sache.
Zuvor ging’s aber noch zur schönsten Nebensache, denn Länderspielhause hin oder her: Der Hamburger Oberligist AFC kickte gegen den ETSV und sackte einen 3:1-Heimsieg ein, während ich mir Pils und Glühwein bei mittlerweile recht kühlen Novembertemperaturen munden ließ. Immer ‘ne schöne Ablenkung von der Gesamtscheiße. Zwischen 12 und 20 Talern konnte man sich dann in den Fanräumen selbst aussuchen, wie viel man an Eintritt zahlen wollte, und BULLSHIT BOY machten den Anfang. Mit denen hatten wir vor ein paar Monaten im Indra die Bühne geteilt, damals jedoch krankheitsbedingt vom Trio zum Duo zusammengeschrumpft (BULLSHIT BOY, nicht wir). Nun also mal in vollzähliger Besetzung, und das lohnte sich! Die Tieftönerin, die im Indra nicht hatte dabei sein können, zockte klasse Bassfiguren, während die Band zunächst ohne viele Ansagen recht geradlinig durchzog – beginnend mit einem Surf-Instrumental über BLONDIEs „One Way Or Another“ und eigene mal deutsch-, mal englischsprachige Stücke, stilistisch grob Richtung klassischer Punkrock mit Garage- und Pop-Anleihen. Zwischendurch überreichte Sängerin Sabine dem Konzertorganisator Micha ein Geburtstagsgeschenk, denn er wurde just an diesem Tag ein Jahr älter. Doch Sabine wurde auch selbst beschenkt: Nach dem Lied über den eklatanten Mandelhörnchenmangel auf Helgoland bekam sie ein solches Süßgebäck gereicht. Die noch junge, aber mit erfahrenen Mitgliedern von EMILS und GOTTKAISER besetzte Band hatte die Bühne bewusst kitschig mit Flamingos, aber auch bunten Aufblasbällen dekoriert, wobei letztere während des Gigs munter durch die Gegend gekickt wurden und mitunter auf den Instrumenten landeten. „Bodies“ (SEX PISTOLS) und „Identity“ (X-RAY SPEX) gab’s als Zugaben, wobei „Identity“ auch ohne Saxophon überraschend gut funktionierte. Bereits zuvor spielte man mit „Erschießen“ ein IDEAL-Cover. Machte Laune, zumal insbesondere Sabine die Spielfreude anzusehen war und sie in der zweiten Hälfte des Sets zunehmend mit dem Publikum kommunizierte. Schade nur, dass ihr Gesang fast den gesamten Gig über zu leise war, um etwas mehr von den Texten zu verstehen.
Die zweite Band mit B-Alliteration folgte auf dem Fuße: BRUTAL BESOFFEN aus Berlin ließen ein Intro vom Band abspielen, eine Art Hörspiel mit konkretem Bezug auf diesen Konzertabend, und sprudelten anschließend vor Energie regelrecht über. Der Bandname ist augenzwinkernd zu verstehen, denn ihr Sound hat nichts mit Uffta-Stumpfpunk zu tun, sondern ist eher in der Skate-/MelodiCore-Ecke zu verordnen, allerdings mit deutschen Texten. Zwischen Melodien, Geschwindigkeit und Chöre mischten sich eine aufmerken lassende, satte Leadgitarre, die mittels eines überdimensionalen Effektboards ihren Klang immer wieder changierte, superversiertes Drumming und ganz viel Gesabbel zwischen den Songs, denn die Berliner geben sich als eine Mischung aus Entertainer und Clowns, jedoch offenbar ohne, dass es sich um reinen Funpunk handeln würde. Mir war’s etwas zu viel des Schabernacks, aber vor der Bühne war nun bisschen was los. Die Band dankte es, indem sie FaKo (Fanta-Korn, auch bekannt als KGB: Korn/Gelbe Brause) ausschenkte. Der Sänger/Bassist wiederum hatte ‘nen Cognac-Schwenker (oder so) dabei, aus dem er Weißwein (oder so) nippte. Der zweite Gitarrist sprang schon mal ins Publikum und tanzte mit. Eine Ansage gab’s auf Bayrisch, einen ganzen Song wiederum fürs Geburtstagskind, nämlich ‘ne Ska-Punk-Nummer, in die sein Name integriert wurde, und als letzte Nummer wurde das Raining-Blood-Intro von SLAYER gecovert. Nicht 100%ig meins, aber in jedem Falle unterhaltsam!
KOMMANDO MARLIES um Rheinland-/Ruhrpott-Band-Tausendsassa Uwe Umbruch hatten mir seinerzeit im Menschenzoo mit ihrem deutschsprachigen Melodic-Punkrock sehr zugesagt; umso enttäuschter war ich, als sich die Band recht bald schon wieder aufgelöst hatte. Entsprechend groß war meine Freude, als sie in runderneuerter Besetzung und um eine Orgel erweitert wieder zurückkam! Vor ein paar Tagen ist ‘ne neue EP erschienen, die ich zusammen mit dem Album gleich mal eingesackt habe. Während des Soundchecks gab’s ‘nen kleinen Jägermeister-Umtrunk mit Micha und ein Geburtstagsständchen. Ein kurzes Intro aus der Konserve eröffnete den eigentlichen Gig, der mit „Mädchen aus Greifswald“ und „Tommy“ meine Lieblingsstücke ebenso enthielt wie Songs der neuen EP und bekannte Stücke wie „Eskalation ja klar“, das eingedeutschte RUTS-Cover „Computer sagt nein“, „Außer Kontrolle“, „Ein bisschen Liebe“ usw. Die Orgel steuerte ‘ne schöne weitere Klangfarbe bei, lediglich die Monitore zickten rum und behinderten anfänglich den Spielfluss etwas. Nachdem Uwe kurz die Bühne verlassen hatte, um seinen Kapodaster zu suchen (den er in der Hosentasche hatte…), spielte man mit „D-Beat Boys Don’t Cry“ sogar einen noch unveröffentlichten Song, der die berühmte THE-CURE-Melodie aufgriff. Ein wunderbarer Gig, bei dem ich gern noch ‘ne Zugabe mitgenommen hätte.
Die Lokalhelden HARBOUR REBELS verheißen live immer eine gute Party, denn da folgt ein eingängiger Singalong auf den nächsten – so natürlich auch an diesem Abend. Drummer Chris spielt dazu ‘nen astreinen Pogobeat, der sofort ins Bein geht, und der (zumindest in den vorderen Reihen) schlagzeuglastige Sound an diesem Abend trug sein Übriges dazu bei. Über die Band hab‘ ich ja nun schon öfter geschrieben, deshalb ohne jetzt in epische Ausmaße zu verfallen: Gewohnt tolle Show, bei der Sängerin Jule im Mittelpunkt steht (und dann und wann die Orgel bedient – schon die zweite beorgelte Band an diesem Abend). Deutschsprachige Stücke geben sich mit englischen die Klinke in die Hand, das Fundament ist weitestgehend schnörkelloser Oi!-Punk mit klar antifaschistischer Attitüde. Und während ich so vor mich hin tanzte und das drölfte Bierchen kippte, vergaß ich doch glatt, ein paar Fotos zu schießen. Sorry!
Obwohl mal wieder ‘ne Menge gleichzeitig los war – etliche besuchten beispielsweise lieber das FAHNENFLUCHT-Konzert im Monkeys und aus meinem engeren Freundes- und Bekanntenkreis war tatsächlich niemand da –, waren die Fanräume gut besucht und gab’s nicht viel zu meckern. Sogar ein Budget-Pils für lediglich 2,- EUR hielt das Tresenteam, das schwer auf Zack war, im Kühlschrank vor. Und mit dem unmittelbar vor den Türen stattfindenden Dom (Hamburger Kirmes der eigentlich nervigen Sorte) hatte man auch ‘ne imposante Lightshow in den Frischluftpausen… Danke ans Veranstaltungsteam und die Bands für diesen gelungenen Abend!
Schreibe einen Kommentar