Günnis Reviews

Datum: 13. Mai 2025

Wallace Wood – Sally Forth 1

„Dies ist die Geschichte der unfreiwilligen Soldatin Sally, die auf ihre Art alles tut, um das Militär zu boykottieren…
Als sie eingezogen werden soll, entschließt sich ihre Schwester Libby zu handeln, und militante Feministinnen stürmen das Pentagon.
General von Schlaff, Sallys Kommandant, sieht sich in einer sehr schwierigen Lage und befreit sich von Sally und seinem Problem schließlich, indem er sie zum Mond schießt…“

Soweit der nur in Schriftform stattfindende Prolog dieses ersten von drei „Sally Forth“-Comicalben, geschrieben und gezeichnet vom US-Amerikaner Wallace „Wally“ Wood und im Jahre 1981 veröffentlicht – hierzulande im Kölner Taschen-Verlag als 50-seitiges, vollfarbiges Softcover-Album. Es handelt sich um eine Parodie auf die in Comics beliebte Verzahnung von Science-Fiction mit Erotik, deren Vorreiterin Barbarella gewesen sein dürfte. Wie Babsi schwirrt auch Sally, ein vollbusige Blondine, im All umher. Versehentlich landet sie im Reich bösen Busarella [sic!], die sie zum Opfer ihrer Superkarnevalsorgie auserkoren hat. Sally läuft konsequent splitternackt herum, ihre Scham bleibt aber stets bedeckt. Die absurde Geschichte punktet mit wohldosiertem Humor, gelungenen Gags und zeichnerisch mit einem ansprechenden Funny-Stil, lediglich die Schattierungen in Form von Schraffuren sind gewöhnungsbedürftig. Der Seitenaufbau besteht aus dynamisch vierreihig angeordneten, aber relativ vielen Panels pro Seite, wodurch die Bilder recht klein ausfallen. Für eine 1:1-Adaption im Taschenbuchformat wäre das nix.

Nicht auszudenken, kämen kuriose Kreaturen wie mein Favorit, der „beißende Spott“, nicht mehr richtig zur Geltung. Dasselbe gilt für das marianische grüne Männchen Snorky und den kleinwüchsigen Astronaut Lt. Dal, die sich auf Rettungsmission befinden, dann aber direkt in die Fänge der Feinde Busarellas, der Wehrmacht-ähnlichen Wehrmänner, geraten. Die Handlung verbindet dies mit einer Persiflage auf Bürokratie und gerät zur bissigen Satire aufs Militär. Snorky und Dal agieren daraufhin zwischen beiden Kriegsparteien, derweil bei der US-Regierung Angst vor Feministinnen umgeht. Diese sind sexy und ziehen sich für die Demo ebenfalls aus…

Die zweite, kürzere Geschichte knüpft an die erste an, verweist eigenartigerweise aber auch auf eine, die gar nicht abgedruckt ist. Sally trägt hier immerhin Pumps. Kapitän G.Mein will mit weiteren Schurken Fort Knox ausrauben, Sally & Co. sollen dies verhindern. Dass die Schurken ebenfalls ein Nackedei haben, das genau wie Sally aussieht, ist leider ziemlich einfallslos. Sally ver- und bekleidet sich als Hausmädchen. Eingewoben ist die Superman-Verarsche „Saubermann“ inklusive einer Captain-Marvel-Parodie. Das Ende fällt idiotisch aus und was den Verlag geritten hat, den Namen der eigenen Publikation in der Vorschau auf Band 2 falsch zu schreiben („Saiiy Forth“), entzieht sich meiner Kenntnis. Ein paar Rechtschreibfehler finden sich zudem im Handgeletterten. Nicht unerwähnt lassen möchte ich auch zwei Eindeutschungen: „Der große Preis“ läuft im TV und es existiert eine Partei „Graue Panther“.

Alles in allem ein heutzutage vermutlich noch kurioser als seinerzeit anmutender, augenzwinkernder Spaß mit antimilitaristischer Aussage, wobei der zweite Teil des Albums deutlich abfällt.

10.05.2025: ANTIGEN + ALTERI auf dem Hamburger Affengeburtstag

Die Hansestadt lud mal wieder zum Hafengeburtstag; abseits des häufig egalen, häufig nervigen offiziellen Trubels und Touristenmagnetismus gab’s vor der Vokü und am Störtebeker wieder zwei Gratis-Open-Air-Subkultur-Bühnen. Aus Zeit- und Motivationsgründen war ich nur am Freitag und nur am Störtebeker zugegen, und dies zudem recht spät. Zumindest die letzten beiden Bands konnte ich mir nach der traditionellen Veggie-Döner-Zufuhr geben. Da die Running Order etwas durcheinandergewirbelt worden war, kam ich zunächst in den Genuss eines Auftritts der Kölner Crusties ALTERI, die einen fetten Bastard aus Metal-Crust, D-Beat und Grindcore ballerten. Der Gesangsmensch war permanent in Bewegung und fegte über die Bühne, als bekäme er Kilometergeld, während er die (weitestgehend unverständlichen) offenbar deutschen Texte growlte und keifte, dass es eine Art hatte. Der musikalische Abwechslungsreichtum verhinderte gekonnt etwaige Monotonie und ließ sogar die eine oder andere Gitarrenmelodie zu. War ‘ne herrlich brutale, beeindruckende Show, die nicht nur wegen der zwei Klampfen schön ins Gesicht drückte. Im Pit vor der Bühne war ordentlich was los und generell war’s gerammelt voll, weshalb ich meine Schnappschüsse von irgendwo aus dem Mittelfeld versuchte, die entsprechend scheiße aussehen. Zeitweise überwog auch schlicht der Smalltalk mit zum Teil wunderbar angeheiterten Freunden und Bekannten, wozu ALTERI den Soundtrack peitschten.

Ein bisschen schade, dass mit ANTIGEN anschließend bereits die letzte Band des ersten Tags auf der Bühne stand. Die hatte ich zuletzt 2019 in der Lobusch gesehen. Das Trio ist in Prag beheimatet, wo es die deutsche Sängerin/Bassistin Steffi einst hin verschlug. Stilistisch irgendwo zwischen Hardcore-Punk und melodischem Crust, tobte man sich durch englischsprachige, aggressive Songs, über denen Steffis wütender, rotziger Gesang lag. Vor der Bühne ging’s nun ein wenig ruhiger zu, abgefeiert wurde die Band aber natürlich dennoch zurecht und musste ein, zwei Zugaben geben. Zwischendurch gelang es Steffi immer mal wieder, Betrunkene davon abzuhalten, die Bühne zu erklimmen und ihr Mitteilungsbedürfnis durch ihr Mikro zu befriedigen. Klasse Gig, der Laune gemacht und mich noch mal auf Temperatur gebracht hat, sodass noch das eine oder andere Bierchen die Kehle runterlief, während um mich herum die Buden abbauten. Nach vielleicht ‘ner knappen Stunde war’s das dann aber dieses Jahr mit dem Hafengeburtstag für mich.

Respekt: Unabhängig von ihrem jeweiligen Zustand an diesem Abend habe ich alle, die ihr Erscheinen beim AFC-Spiel am nächsten Nachmittag angekündigt hatten, tatsächlich dort gesehen – einen sogar so, wie ich ihn vom Vorabend in Erinnerung hatte: Mit einem Bier in jeder Hand.

Danke allen, die die Punk/HC/etc.-Fahne weiterhin konsequent auf dem Hafengeburtstag hochhalten, sich den Arsch für ein Alternativprogramm aufreißen und Viertel/Wochenende somit nicht dem Tourikommerz überlassen.

Mad-Taschenbuch Nr. 41: Mad-Reporter Dave Berg durchschaut dich

Mit diesem Taschenbuch ging der New Yorker Mad-„Reporter“ Dave Berg die gewohnten 160 (unnummerierten) Schwarzweiß-Seiten lang in die fünfte Runde. Die US-Amerikaner kamen bereits im Jahre 1982 in den Genuss, die deutsche Ausgabe datiert aufs Orwell-Jahr 1984.

Erneut handelt es sich um ein- bis zweipanelige, maximal vierseitige Comics, die sich für pointierte Gags karikierend mit dem Alltag auseinandersetzen. Das erste Drittel widmet sich dem Verhalten von Kindern und Jugendlichen bzw. den Umgang Erwachsener mit ihnen. Nach wie vor schien Berg gern leichtbekleidete Mädels zu zeichnen, es war noch immer die Zeit der Hotpants. Das zweite Drittel nimmt Ehe und Erwachsensein aufs Korn, und im letzten Abschnitt geht’s ums Alter. Der Humor ist Berg-typisch ohne irgendwelche Ausreißer, was eher harmlose, aber häufig charmante, gelungene Gags bedeutet, aber auch den gewohnt geschärften Blick für Zeitgeisterscheinungen und Generationenkonflikte. Bergs halbrealistischen Zeichenstil erkennt man auf den ersten Blick als den seinigen, wenngleich die Cartoons durch weitestgehenden Verzicht auf Soundwords und über die Mimik hinausgehenden Ausdruck von Emotionen (Linien, Schweißtropfen etc.) recht trocken wirken.

Mit den Eindeutschungen eigentlich in Nordamerika spielender Inhalte ist’s immer so eine Sache. Früher wurde dies häufig gemacht, heutzutage aus guten Gründen nicht mehr. Ich muss aber zugeben, dass das Auftauchen einer „Stern“-Illustrierten und der Umstand, dass der legendäre „Rockpalast“ in der Glotze läuft, ein anheimelndes Gefühl in mir verursachten. Herbert Feuersteins sprachliche Übertragung des Berg’schen Humors ins Deutsche ist wie üblich über jeden Zweifel erhaben.

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