protector-+-pripjat-+-skulled-+-empiresfall-+-rayder-@bambi-galore,-hamburg,-20160624

„Thrash Overdose“ im Bambi mit PROTECTOR als Headliner, also nix wie hin. Da der gute Flo aber gleich fünf Bands durch den Abend peitschte, begann der Tanztee bereits so früh, dass ich RAYDER verpasste: Die Hamburger Speedster hatten ihren ersten Gig und unbestätigten Gerüchten zufolge soll der sehr ordentlich gewesen sein. Ich hoffe, ich bekomme die auch noch zu Gesicht, bevor sie sich in TWYX umbenennen. Bei den zweiten Lokalmatadoren EMPIRESFALL war ich aber rechtzeitig vor der Bühne. So konnte ich dann auch die Herren, die ich gerade erst bei den Tipsy Apes gesehen hatte, diesmal wesentlich aufmerksamer verfolgen. Der aggressive, raubeinige Thrash lief mir prima rein und wurde gebührend gefeiert. Zwar würde ich mir den einen oder anderen Refrain etwas ausgearbeiteter wünschen, aber davon unabhängig war das bei von der Örtlichkeit gewohntem Spitzensound ein für mich perfekter Einstieg in den Abend. Gegen Ende des Sets ließ man den Höhepunkt von der Leine: „Psychopath“ – welch geile Abrissbirne! Zugaben wurden gefordert und die Band hätte auch gern eine gespielt, doch Flo sah sich aufgrund des engen Zeitplans gezwungen, dem einen Riegel vorzuschieben.

Nach den üblichen Sabbelpausen an der Frischen durften die Bremer Thrasher SKULLED ran, die 2014 ihr Debüt-Album „Chaos Through Order“ veröffentlicht haben. Was aus der Konserve bisweilen etwas modern klingt, tendierte live stark in Richtung Hektiker-Crossover-Sound der ‘80er-Schule und machte trotz zeitweise etwas lichter gewordenem Publikum (Durchschnaufen nach den Lokalheroen, Kraft sammeln für die Haupt-Acts) viel Spaß. Die Band kann wat, so einiges sogar, wenn auch vielleicht noch das gewisse Etwas fehlt, der Schuss Wahnsinn, das Quäntchen Genialität…?

Wahnsinn zuhauf lieferten dann die Kölner mit ukrainischem Hintergrund PRIPJAT, die ich so gar nicht auf dem Schirm hatte. Eine spätere kurze Recherche ergab, dass ich mal ein, zwei Kritiken ihres Debüts „Sons of Tschernobyl“ gelesen, aber anscheinend nie reingehört hatte. Das rächte sich live! Die nach einer ukrainischen Geisterstadt in der Nähe Tschernobyls benannte Band drehte auf, als sei’s der letzte Gig vorm Strahlentod und hackte sich in Höchstgeschwindigkeit durch ein Inferno, das das abartig hohe Geschrei des Sängers um eine apokalyptische Hysterie ergänzte. Klar, dass das Publikum da eskalierte und die nicht zu knappe Bühnen-Action mit reichlich Matteschütteln und ‘nem kleinen Pit quittierte. Nach und nach entledigten sich Super-GAU-Citys Söhne ob der Affenhitze ihrer Kleidung, der zweite Gitarrist hatte öfter mal mit der Bühnentechnik zu kämpfen („Bühne kaputt!“), doch beides änderte nichts am permanenten Vollgas und der Hyperaktivität der Band, die ansteckend wirkte. PRIPJAT greifen den nuklearen Sound diverser ‘80er-Thrasher auf und haben als Ukrainer einen derartigen persönlichen Bezug dazu, dass es fast schon beängstigend authentisch wirkt.

Nachdem das Bambi fast einer Kernschmelze anheimgefallen war, nahm jeder die letzte Pause dankbar an – und manch einer wird sich gefragt haben, ob PROTECTOR das noch würden toppen können. Von 1986 bis 1993 versorgten die Wolfsburger das geneigte Publikum mit Brutalo-Thrash mit immer stärker hervortretender Death-Kante, bevor erst mal Schluss war. Anfang des Jahrzehnts reanimierte Original-Shouter Martin Missy die Band bzw. baute sie mit schwedischen Musikern mit Segen der übrigen Originalmitglieder neu auf und veröffentlichte seitdem zwei ordentliche Thrash-Alben. Und da ich PROTECTOR noch nie live gesehen hatte, waren sie der Hauptgrund meines Erscheinens. Mit dem superben „Xenophobia“ vom aktuellen Langdreher „Cursed and Coronated“ stieg man ein und wütete sich durch ein Set, das das neue Material ebenso berücksichtigte wie das alte Zeug, aufgelockert durch das MOTÖRHEAD-Cover „Overkill“. Missy hat’s zweifelsohne immer noch drauf und seine Mitmusikanten sind alles andere als von schlechten Eltern, so dass auch dieser im Vergleich mit PRIPJAT düsterer, schwerer wirkende Gig auf durchgehend hohem Niveau Laune machte und mit Befriedigung erfüllte. Ich freue mich ja über jede kompetente Thrash-Band, die wirklich etwas zu sagen hat – und PROTECTOR gehören definitiv dazu. Die Stimmung war auch hier bestens, der Sound nach wie vor prima, das Bier kalt und der Abend aber ausnahmsweise einmal nicht zu früh zu Ende, denn noch eine weitere Ballercombo wäre mir an diesem Abend dann tatsächlich zu viel des Guten gewesen. Danke an jede einzelne Band sowie an Flo & Co. für diese Überdosis, die ich mir mit dem größten Vergnügen gedrückt habe!