Günnis Reviews

Autor: Günni (page 1 of 105)

David E. Gehlke – Systemstörung: Die Geschichte von Noise Records

Das vom US-amerikanischen Metal-Nerd und -Journalisten David E. Gehlke geschriebene Buch „Damn The Machine“ aus dem Jahre 2017 über das legendäre Berliner Metal-Label Noise Records wurde vom Berliner Iron-Pages-Verlag lizenziert, wo es in deutscher Übersetzung durch Rock-Hard-Redakteur Andreas Schiffmann erschien. Das Taschenbuch ist rund 500 Seiten stark und enthält weshalb auch immer ein Vorwort Hansi Kürschs, der mit keiner seiner Bands (u.a. Blind Guardian) jemals auf Noise Records war. Dem Korrektorat ist da ein bisschen was durchgerutscht, was leider auch im weiteren Verlauf immer mal wieder passierte. Übersehene Tippfehler u.ä. ziehen sich durchs Buch und die englischen Anführungsstriche (auf beiden Seiten oben) irritieren. Aber es kommt ja auf den Inhalt an:

Gehlke erklärt Noise zum „Grundstein der weltweiten Metal-Szene“, was mir nicht nur etwas hochgegriffen scheint, sondern – bei allem Respekt vor Noise und den geilen Platten, die dort erschienen – schlicht Quatsch ist. Zunächst ist sein Buch eine Biographie des Label-Inhabers Karl-Ulrich Walterbach. Dieser studierte, wie wir erfahren, in Münster und Dortmund, bevor er nach Berlin zog, schlug eine Karriere als linker Terrorist ein, die jäh gestoppt wurde, landete für eineinhalb Jahre im Knast, war Hausbesetzer und Technik-Hehler. Mit Punk begann sein musikalisches Interesse und erstmals tat er etwas Sinnvolles, indem er gute Pionierarbeit im Konzert- und Labelbereich leistete (nicht minder legendär als manche Noise-Veröffentlichung sind die Punkscheiben auf Walterbachs „Aggressive Rockproduktionen“-Label). Zu diesen zählt die Compilation „Soundtracks zum Untergang“, der Gehlke respektive Schiffmann die Beteiligung einer Band namens „Hate Ahead“ andichten (S. 36). Tatsächlich enthalten sind die Bands „Hass“ und „Aheads“ – ein Fauxpas aus der Übersetzungshölle?

Die Gründung des Hamburger Punk-Labels Weird System datiert Gehlke aufs Jahr 1993, was ebenfalls verkehrt ist: 1982 wär’s gewesen. Nichtsdestotrotz liest sich der Punkteil des Buchs interessant, u.a. wenn es um Walterbachs DDR-Kontakte und die „DDR von unten“-Veröffentlichung geht. Während der Punk-Krise Mitte der 1980er wechselte Walterbach zum aufstrebenden Metal und gründete mit punkiger Attitüde, aber auch einem guten Näschen fürs Geschäft Noise Records. Über Heavy Metal und dessen damalige Akzeptanz sagt er (S. 69):

„Die selbsternannte Elite, diese intellektuellen Musikzensoren… für sie war das unerhört. Metal, so etwas konnte man nicht machen. Was sollte das überhaupt sein? Schrott. Der Lärm der Arbeiterklasse. Nichts, womit sich ein Denker abgeben würde.“

Und (ebd.):

„Die Frage, ob man Geld verdiente oder nicht, wird in der Metal-Szene nicht ideologisiert. Vielmehr heißt man Erfolg gut, wohingegen man sich im Punk kasteien musste. Mit der Zeit ging mir das echt auf die Nerven, die dauernden Rechtfertigungen, dieser unsinnige Vorwurf der Kommerzialisierung. Darum bin ich froh, es mit Metal probiert zu haben. Verdiente man Geld und zeigte es, indem man etwa einen Jaguar fuhr, steigerte das eher noch das Prestige. In der Punk-Szene ist es genau umgekehrt!“

Auf Seite 70 wird suggeriert, in den Jahren 1993 und 1997 seien zwei weitere „Soundtracks zum Untergang“-Compilations bei Walters nie offiziell aufgelöstem Punklabel erschienen. Dazu sei angemerkt, dass es sich beim dritten Teil um eine reinen Hip-Hop-Sampler handelte und Teil 4 nicht bei Aggressive Rockproduktionen, sondern bei Impact Records erschienen war.

Fortan geht es nun aber also vornehmlich um die ersten Noise-Jahre, wofür Walterbachs erste PR-Beauftragte Kunold ebenso zu Wort kommt wie seine Sekretärin Nielsen und die Vertriebswegbeaufsichtigerin Lange, sodass das Buch nicht allzu monoperspektivisch ausfällt. Der Voivod-Song „Ripping Headaches“ befindet sich allerdings auf „Rrröööaaarrr“, nicht auf „Dimension Hatröss“ – das hätte spätestens Schiffmann beim Übersetzen auffallen müssen. Interessante Einblicke bieten die Abrisse zu den US-Labels Metal Blade und Megaforce, mit denen Noise Lizenzen tauschte. Die erste richtige, eigene Labelband wurden Grave Digger. Gehlke schreibt über die ersten beiden Noise-Compilations, darunter „Death Metal“ mit dem ein Jahr später zensierten Cover, und widmet den Schweizern Celtic Frost ein eigenes Kapitel. Ain, Fischer und Priestly kommen zu Wort, wobei unklar bleibt, ob Gehlke die Statements woanders aufgeschnappt oder wirklich fürs Buch mit ihnen geredet hat. So oder so kommen lesenswerte Interna ans Licht und beide Seiten – Band wie Label – zu Wort. Gehlke findet angemessen kritische Worte zu Walterbach und dazu, wie dieser Celtic Frost behandelte.

Auf ein Kurzporträt des Cover-Künstlers Andreas Marschall folgt ein eigenes Kapitel über Grave Digger, das gerade auch wegen der Verirrung mit der kommerziell ausgerichteten Umbenennung in Digger und der anschließenden temporären Auflösung interessant ausfällt. Jedoch findet sich hier in erster Linie Walterbachs Sicht der Dinge, und an Bandkopf Chris Boltendahl lässt er kein gutes Haar. So richtig spannend wird’s im Running-Wild-Kapitel: Auf der ambitionierten US-Tour mit Celtic Frost und Voivod floppte die Hamburger Kombo und erstmals werden die Streitereien zwischen Noise und EMI erwähnt. Folgerichtig geht’s mit Helloween weiter. Die Hamburger waren Walterbachs bestes Pferd im Stall, die Briten wollten sie Walterbach wegschnappen und die Band wurde zwischen beiden Fronten regelrecht zerrieben. Leider endet das Kapitel abrupt noch vorm Götteralbum „Keeper of the Seven Keys Part 2“, jenem bis heute unerreichten Meilenstein des europäischen Power Metal. Den Song „Gorgar“ hat Gehlke falsch interpretiert, denn er handelt von Videospielsucht und hat nichts mit einem etwaigen „Monster-Fetisch“ zu tun. Erwähnen hätte er vielleicht noch können, dass Maskottchen Fangface später bei Gamma Ray wieder zu Ehren kam, jene Band, die Gitarrist Kai Hansen aus der Taufe hob, nachdem er Helloween verlassen hatte.

Unfassbar knapp ist das Rage-Kapitel ausgefallen, obwohl die Herner Band um Peter „Peavy“ Wagner satte sieben Alben bei Noise veröffentlichte. Auf Deutschlands größten Thrash-Export Kreator folgt ein kurzes Kapitel übers Kuriosum Rosy Vista, eine es damals lediglich auf eine Mini-LP gebracht habende reine Frauenband, in dem Walterbach alles andere als gut aussieht. Um die Frankfurter Alcoholic-Metaller und Bembel-Thrasher Tankard geht es bis zum Labelwechsel. Kapitel 11 dreht sich um Noise‘ Expansion gen USA und UK und damit in erster Linie ums internationale Geschäft, was es mitunter etwas schwer zu lesen macht. (Und das englische Pop-Duo heißt Erasure, nicht „Eraser“…) Bei der Aufzählung besonders angesagter E-Gitarrenbands zu Beginn der 1990er unterschlägt Gehlke doch glatt Metallica, die mit dem „Black Album“ überlebensgroß wurden (und leider vergaßen, sich anschließend aufzulösen).

Dem Streit zwischen Celtic Frost und Noise widmet Gehlke anschließend ein eigenes Kapitel, aus dem all die Ignoranz Walterbachs dieser fantastischen Band gegenüber hervorgeht. Jedoch wird auch das „Cold Lake“-Desaster detailliert geschildert, so detailliert zumindest, wie ich es zuvor noch nicht gelesen hatte. Die innovativen, von Noise veröffentlichten Tech-, Prog- und Post-Thrash-Bands Coroner, Voivod, Watchtower und Sabbat werden in einem separaten Kapitel zusammengefasst und anschließend Helloween wieder aufgegriffen, sodass auch den Ereignissen nach den „Keeper…“-Alben genügend Raum geboten wird. Eine der spannendsten Geschichten des deutschen Metal-Business, das beweist, wie viel Macht die Labels damals hatten – und wie sie sie auf dem Rücken von Bands missbrauchen konnten.

Das Ende der DDR schuf auch für Walterbach neue Märkte und Möglichkeiten. Als er vom legendären Konzert mit Noise-Bands am 04.03.1990 in der Werner-Seelenbinder-Halle erzählt und angesichts über 4.000 zahlender Gäste nicht glaubt, dass der Ort jemals zuvor derart gut besucht gewesen sei, hat er offenbar das nicht minder legendäre Depeche-Mode-Konzert vergessen, zu dem 1988 die FDJ geladen hatte und das natürlich ausverkauft war. Generell wirkt Walterbach gegenüber der ehemaligen DDR etwas arrogant.

Mittlerweile ist das Buch in den 1990ern angekommen, das für die klassischen Metal-Spielarten kein sonderlich gutes Jahrzehnt war. So geht es im weiteren Verlauf viel um Walterbachs Bestrebungen, mit den sich verändernden musikalischen Vorlieben und Marktbedingungen Schritt zu halten, womit sich einiges nachlesen lässt, was man seinerzeit vielleicht nicht mitbekommen oder schlicht ignoriert hat, weil einen das Genre nicht mehr sonderlich interessierte. Darunter finden sich einige ganz spannende eingestreute Geschichten, es geht aber auch relativ ausführlich um Noise‘ Unternehmungen und Dependancen im Ausland inklusive viel Namedropping und wer genau wann wo welchen Vertrieb für Noise übernahm oder von Noise angestellt wurde, was für mich persönlich eher semiinteressant ist. Am Ende steht der Verkauf des Labels an Sanctuary. Angemerkt sei noch, dass Timo Kotipelto erst ab 1994 bei Stratovarius sang, nicht wie auf Seite 405 behauptet bereits ab 1984.

Der letzte Abschnitt befasst sich mit Walterbachs Aktivitäten im Band-Management. Das Nachwort gehört Walterbach persönlich. Gehlkes Danksagungen, die Noise-Top-5 verschiedener Szene-Größen und eine komplette Noise-Diskographie runden das Buch ab, das trotz erwähnter Fehlerchen einen umfassenden Einblick nicht nur in die Geschichte von Noise Records, sondern auch in die Vita und den Charakter des streitbaren Karl-Ulrich Walterbachs gewährt und zahlreiche Szenestimmen zu Wort kommen lässt, die verhindern, dass es zu Walterbach-exklusiv würde. Auch als jahrzehntelanger Metal-Postillen-Leser, dem vieles bereits bekannt war, habe ich einiges Neue erfahren, vorhandenes Wissen auffrischen oder tiefer ins Detail gehen und nicht zuletzt einer über weite Strecken unterhaltsamen Lektüre über eines meiner Steckenpferde frönen können. Die vielen Fotos, seien es die Schwarzweiß-Bebilderungen im Text oder die beiden mehrseitigen Farbfotostrecken, lockern das Buch zudem angenehm auf und zeigen nicht nur Altbekanntes.

Nicht am falschen Ende zu sparen und das Manuskript vor Drucklegung einem Lektorat zu überantworten, hätte wohl die o.g. Fehler verhindert; und ein professionelles Korrektorat hätte sicherlich Tippfehler wie „Mitpreis“ (S. 88, statt „Mietpreis“) oder „Maquis“ (S. 270, statt „Marquis“) oder auch Sätze wie „Wir baten ihnen sogar von uns aus, wieder mitzumachen“ (S. 95) respektive „Du denkst, du bekommst eine große Chance, und jemand niemand sie dir“ (S. 353) ausgemerzt. Einerseits mögen das typische Erstauflagenkrankheiten sein, andererseits ist es ein bisschen schade, dass dieses als Standardwerk zu Noise Records zu bezeichnende Buch davon betroffen ist.

06.06.2025, Kulturpalast, Hamburg: DARK ANGEL + KRYPTOS

DARK ANGEL, ‘80er-Jahre-US-Thrash-Größe aus der zweiten Reihe hinter den ganz Großen, sind wieder am Start, wenn auch leider ohne den mittlerweile verstorbenen Original-Gitarristen Jim Durkin, und unternahmen kurz vor Veröffentlichung ihres neuen Albums einen Abstecher in den Kronensaal des Billstedter Kulturpalasts (nachdem sie zuvor fürs wesentlich kleinere Bambi galore im selben Gebäude angekündigt worden waren), u.a. um ihr brutalstes Werk, den Klassiker „Darkness Descends“ aus dem Jahre 1986, in voller Länge zu kredenzen. Für Durkin ist nun Drummer Gene Hoglands Ehefrau Laura Christine an einer der beiden Gitarren dabei, und als Sänger fungiert nach wie vor Ron Rinehart, der seit der 1987er Langrille „Leave Scars“ diese Position innehat. Mit über 30 Öcken Eintritt kein Pappenstiel, aber das war’s mir dann doch wert.

Den Einheizer machten die indischen Heavy-/Thrash-Metaller KRYPTOS, die nun auch schon seit 1998 mitmischen und seither sieben Alben auf dem Buckel haben. Diese konnten mich auf volle Albumdistanz zwar nie 100%ig überzeugen, dennoch hat sich im Laufe der Zeit einiges Songmaterial angesammelt, das ich verdammt gerne höre. Als das Quartett pünktlich um 20:00 Uhr anfing, war der Saal noch nicht sonderlich üppig gefüllt, was sich im Laufe des Sets aber ändern sollte. Der Sound war von Beginn an gut und der häufig sich eher im Midtempo-Bereich bewegende Heavy/Thrash-Stil sorgte in Kombination mit der bunten Lightshow und reichlich Nebel für Atmosphäre. Am besten gefällt mir die Band aber, wenn sie ihr Tempo variiert und deutlicher Richtung flottem Thrash tendiert. Sänger/Gitarrist Nolan hat ‘ne geil giftige Stimme und nahm sich zwischendurch die Zeit, seine Band vorzustellen, die das Publikum mit jedem Song mehr auf ihre Seite zog. Die Konsequenz waren „KRYPTOS, KRYPTOS!“-Rufe aus dem Publikum nach einer halben Stunde. Mit „Cold Blood“ und „Afterburner“ entdeckte ich dann auch zwei meiner Lieblingssongs im Set, wobei letzterer mit Mitsinginstruktionen einherging – das „Watch out!“ sollte doch bitte kräftig mitgebrüllt werden, was auch gut funktionierte. Mein persönlicher Höhepunkt dieses Gigs, der nach 50 Minuten endete und für den die Band gut abgefeiert wurde – sie hatte sich ihr Publikum redlich erspielt. Etwas gewöhnungsbedürftig war lediglich der Anblick des Schlagzeugs, das am rechten Bühnenrand aufgebaut werden musste, da es nicht vors schon in vollem Umfang bereitstehende, ausladende DARK-ANGEL-Kit passte.

Nach relativ kurzer Umbaupause stiegen DARK ANGEL für mich überraschend mit „Time Does Not Heal“ ein, dem (geilen) Titelstück des bis dato letzten, melodischeren Albums aus dem Jahre 1991. Leider übertönten die Drums alle anderen Instrumente und auch den Gesang. Es folgten Nummern des „Time Does Not Heal“-Vorgängers „Leave Scars“ und auch ein, zwei Stücke des bevorstehenden Albums, wobei der Sound immer besser wurde – recht bald passte alles, wenngleich man den Gesang für meinen Geschmack gern generell etwas dominanter in den Vordergrund hätte mischen dürfen. KRYPTOS-Mitglieder mischten sich ins Publikum, die Bude war längst gut voll und alle warteten auf die „Darkness Descends“-Vollbedienung. Wie würde diese mit Rinehart am Mikro klingen, der auf jenem Album ja noch gar nicht zu hören war? Nun, Rinehart war superagil, eine Rampensau vor dem Herrn, trug ‘nen schnieken Irokesenschnitt, ließ sich sein Alter nicht anmerken (ganz im Gegenteil) – und war stimmlich variabel und fit genug, um die Songs in seiner Mischung aus echtem Gesang, Shouting und ein bisschen Growling sowie gelegentlichen Kopfstimmenausflügen auf seine eigene Weise respektvoll zu interpretieren und überzeugend rüberzubringen. Der gesamten Band gelang es, mit diesem dem verstorbenen Durkin gewidmeten Set authentische Spielfreude und Energie wie ein ganzes Kraftwerk aufs Publikum zu übertragen, das mittlerweile freidrehte und seinem Bewegungsdrang freien Lauf ließ. Welch brachiales Gebretter in Höchstgeschwindigkeit, welch herrliches Geholze, das einem die Rübe abschraubte! Das ausgepowerte Publikum schrie gar nicht erst nach einer Zugabe, es hatte alles bekommen, was es brauchte. Da bin ich doch direkt mal aufs neue Album gespannt.

Jan Reiser – Sticks & Fingers: Basement Blues

Sticks & Fingers entstammen wohl ursprünglich den Jugendseiten der Süddeutschen Zeitung, für die der bayrische Zeichner und Texter Jan Reiser sie entwarf. Im Jahre 2006 erschien dann das rund 50-seitige Softcover-Album „Sticks & Fingers: Basement Blues“ im Ehapa-Verlag.

Das vollfarbige Album ist handgelettert und weist eine i.d.R. vierreihige, damit klar strukturierte, in der Anzahl dennoch dynamische Panelstruktur auf, die den Rahmen für Reisers großartigen und detailverliebten Funny-Stil bildet. Die Geschichte um zwei studierende Rock’n’Roller (Sticks: Drummer, Fingers: Gitarrist), die eine Band gründen wollen und dabei alle erdenklichen Schwierigkeiten, beginnend bei der Proberaumsuche, durchleben, spielt in München und steckt voller Referenzen auf reale Bands, Bücher, Magazine, Songzitate und Plattencover. Der Humor speist sich aus einigem Funny-typischen Slapstick, in erster Linie wird aber eine große, zusammenhängende Geschichte erzählt. In dieser fungiert Fingers auch als intradiegetische Erzählinstanz im Präteritum.

Ein paar Rock-Klischees werden repliziert und persifliert, aber auch die Kunstwelt ist Ziel einiger Gags. Apropos: Fingers malt auch Bilder – über Kopf hängend. Seine Sprechblasen wurden dabei ebenfalls auf dem Kopf stehend abgedruckt. Ein wunderbar konzipierter Klischee-Italiener mit Akzent in den Sprechblasen wird Manager der Band. Köstlich auch die Basser-Auditions, in deren Zuge in jeweils einem Panel die verschiedensten Musikrichtungen durch den Kakao gezogen werden. Auch die Münchner Schickeria kriegt ihr Fett weg, inklusive Rudolph Moshammer. Die Suche nach der sexy Bassistin Bo, die Sticks und Fingers in der Bahn über den Weg lief, wird recht breit ausgewalzt und ist Anlass für viele Gags. Leider ist Bo mit einem reichen Schnösel liiert – zumindest noch… Mit diesem im Bett zeichnet Reiser sie auch schon mal nackt.

Es folgt eine schwierige Suche nach ersten Auftrittsmöglichkeiten. Die Band nennt sich mittlerweile „The Burp“ und ist vor ihrem ersten Gig im Jugendzentrum eines Kaffs regelrecht euphorisch. Fingers‘ großes Idol ist Slash, was man ihm auch mehr als ansieht, und Sticks verknallt sich in die aus der Oberschicht stammende Bo, womit auch eine sehr klassische Liebesgeschichte mit ein paar vorsichtigen klassenkämpferischen Tendenzen Einzug hält. Immer dabei ist Kumpel Mücke, der Metallica- und AC/DC-Fan ist. Wunderbar realistisch wirkt der erste Gig ab dem Moment der Ankunft am Jugendzentrum. Auf Seite 47 hat Reiser eine Konzertszene als prima Wimmelbild gezeichnet, ein weiteres folgt drei Seiten später nach dem Umzug des Gigs in eine Villa. Das Album schließt mit einem Porträt Reisers und Aufschlüsselungen der verwendeten Songtext-Zitate.

Auf Seite 41 findet sich ein kleiner Meta-Ebenen-Gag, der einen weiteren „Sticks & Fingers“-Band suggeriert – woraus leider nichts wurde. Schade, denn „Basement Blues“ ist ein toller Jugendcomic, der nicht nur Jungs, die selbst in Amateurkapellen lärmen, Spaß machen dürfte.

Schwermetall präsentiert Band 22: Tanino Liberatore – Video Clips

Das 22. Album der „Schwermetall präsentiert“-Reihe aus dem Alpha-Verlag erschien im Jahre 1989, im Original bereits 1984. Das 64-seitige Softcover-Album gehört dem italienischen Comiczeichner Tanino Liberatore (der im Patatext auf der Rückseite seltsamerweise Gaetano mit Vornamen genannt wird) und kompiliert mehrere seiner Geschichten – sowie einige vollfarbige, ganzseitige Damenporträts.

„Eingesperrt“, die erste Geschichte dieser handgeletterten Sammlung, ist eine bitterböse, die von einem vollständig gelähmten Senior handelt, der von seiner Betreuerin und deren Freund zunächst im Spiel, dann aber immer fieser regelrecht gefoltert und misshandelt wird – und die seine Rachegedanken visualisiert… Sleaziger Horror vom Derbsten, zudem vollfarbig dargereicht.

Mit „Sax Blues“ geht’s im schwarzweißen Noir-Stil weiter: Ein Saxophonist gerät an eine Nachtclubsängerin, die sich als Femme fatale entpuppt. Zynischerweise verzichtet Liberatore auf einen negativen Ausgang für den Protagonisten, wodurch die Geschichte aber auch etwas nichtssagend wirkt – von einem Seitenhieb auf New York abgesehen.

Ebenfalls schwarzweiß ist die Science-Fiction-Story „Erde gegen Saturn“, in der die Saturnier die Erde friedlich kolonisieren wollen, doch kommunikative Missverständnisse mit Kneipengästen zur Eskalation führen. Humorig. Die Saturnier haben in ihren Sprechblasen eine eigene Sprache, die jeweilige Übersetzung ist anbei. Um die Erdlinge kennenzulernen, sehen sie sich übrigens einen Clark-Gable-Film an; einen entsprechenden Screenshot hat Liberatore in seine Zeichnung eingebettet.

Wir bleiben in der schwarzweißen Science-Fiction: „Folly Bololy“ handelt von einer dystopischen Diktatur, in der die Menschen zunehmend mit implementieren Schnittstellen zu elektrischen Geräten herumlaufen und schließlich ein Diktator gestürzt wird. „E.M.P.S.“ ist eine abermals unkolorierte sozialistische Dystopie um eine Psychiatrie, in der ein Kerl mit Superman fickt… Eine köstlich respektlose Persiflage mit zensierten Sprechblasen als Stilelement.

In Farbe präsentiert sich „Real Vision“ um eine sadistische Geiselnahme, deren Ausgang ich nicht verstanden habe. „Bitte keine Fotos“ entpuppt sich als farbiger Mystery-Thriller um ein Fotomodell, das seine Fotografen um sich versammelt und einen nach dem anderen umbringt – mit überraschender Begründung. Leider kommt die Story mit der Zählweise durcheinander. Das Album schließt mit einem Onepager um eine überraschende Geschlechtsverschleierung bei Raub und Vergewaltigung.

Der Titel irritiert mich, denn der Bezug zur Videotechnologie wird mir (abgesehen vom Clark-Gable-Film) nicht klar. Davon unabhängig handelt es sich um eine interessante, provokante Zusammenstellung für eine erwachsene Leserschaft, für die sich Liberatore unterschiedlicher Erzähl- und an den Realismus angelehnter Zeichenstile bedient und sich für Panelstruktur etc. jede Freiheit herausnimmt, die er dafür benötigt.

17.05.2025, Lobusch, Hamburg: BOCKWURSCHTBUDE + BOMBE

Ein gutes Jahr nach ihrem letzten Lobusch-Besuch kehrte die BOCKWURSCHTBUDE aus Frankfurt/Oder zurück, deren aktuelles Album „Sippenhaft“ noch immer die Wurscht vom Teller zieht. Den Anfang aber machten BOMBE aus Hamburg, die übrigens vor Kurzem ihr Material auch aufgenommen haben. Den zweiten Song musste das Quartett direkt abbrechen weil wegen irgendwas mit Kabel, ab da lief aber anscheinend alles glatt. Eines der Alleinstellungsmerkmale der Band ist die von der Sängerin gespielte Geige, die bei einigen Songs zum Einsatz kommt, ein anderes der Instrumententausch, sodass die einzige Konstante der Gitarrist ist. Nicht alltäglich ist auch die respektabel verrauchte, kratzige Stimme der Sängerin. Diejenigen der überwiegend deutschsprachigen Songs, die in recht getragenem Tempo gespielt werden, sind nicht so ganz meine musikalische Heimat, wenngleich man ihnen eine angemessen düstere Atmosphäre nicht absprechen kann. Gegen Ende übernahm die Bassistin/Drummerin den Gesang dreier Songs, die dann ganz anders klangen, nämlich nach flottem ’77-Punk, englischsprachig zudem. Das hob meine Stimmung, die beim anwesenden Volk aber generell sehr gut war, sodass lautstark Zugaben gefordert wurden. Die gab’s dann auch: Die geigende Sängerin sang „Du mieses Stück“, gefolgt von ‘ner amtlichen Pogonummer und mit „Solidarity“ (kein Upstarts-Cover) einem allerletzten Stück, für das sie dem Gitarristen dann doch noch die Klampfe wegnahm, damit dieser sich auf den Gesang konzentrieren konnte. Hat sich zu ‘nem geilen Gig entwickelt, der mir gegen Ende hin immer besser reinlief.

BOCKWURSCHTBUDE, ja seit einiger Zeit mit CHAOS-Z/FLIEHENDE-STÜRME-Andreas am Bass verstärkt, zockten ein klasse Best-of-Set vor ansehnlicher Kulisse, das sich von dem ihres letzten Besuchs ein wenig unterschied. Der Hamburger-Schule-Diss fehlte aber genauso wenig wie mein alter Favorit „5 Minuten“, lockerere Nummern gaben sich mit dem ernsteren Material der aktuellen Langrille die Klinke in die Hand und am Schluss sang Andreas den ersehnten CHAOS-Z-Klassiker „Duell der Letzten“. Vor der Bühne war man in Bewegung und auch ich kam mal wieder aus mir raus, sprang, tanzte und sang mit, so weit es mir möglich war. Die direkt ins Ohr gehenden Songs und ihr pogokompatibles Tempo luden schlichtweg dazu sein. Der Sound mit seinen zwei Klampfen machte gut Dampf, die Background-Gesänge der Rhythmusfraktion saßen. Steht ja so oder so ähnlich alles auch in meinem Bericht von vor ‘nem Jahr. Anschließend wurden noch die Kühlschränke ausgetrunken, sodass es doch wieder spät wurde. Gelungener Konzertabend im gewohnt angenehmen Lobuschambiente, zu dem ich hiermit auch meinen Senf (wegen Bockwurscht, gelle?) dazugegeben hätte.

Pierre Seron / Mittéi – Herbie Huppser und die Mikronauten, Band 5: Der Klabautermann von Kap Kaputt

Achtung, Oppa erzählt wieder vom Krieg aus den ‘80ern: Eigentlich hießen sie „Die Minimenschen“ (im Original: Les petits hommes), jene französischen Provinzbewohner, die durch Kontakt mit einem Meteoriten auf Zentimetergröße geschrumpft sind und deren Abenteuer im typisch franko-belgischen Funnystil Zeichner und Texter Pierre Seron ab den 1960ern in 49 Alben erzählte. In den 1970ern schafften sie es auch nach Deutschland, wurden sie doch als „Die Minis“ in den Fix-&-Foxi-Heften abgedruckt. Anfang der 1980er nahm sich der Bastei-Verlag ihrer an und veröffentlichte ihre Abenteuer in elf 100-seitigen Taschenbüchern unter dem herrlichen Namen „Herbie Huppser und die Mikronauten“. Für wahre Fans ist es natürlich ein Gräuel, franko-belgische Comics aufs Taschenbuchformat zusammengestaucht und dann noch bei Bastei veröffentlicht zu sehen, wo man (wie auch bei Ehapa und Condor) das Hand- durch Maschinenlettering ersetzte und immer im Verdacht stand, die Originale zu stark zu bearbeiten, teilweise Panels zu streichen usw. Im zarten Grundschulalter liebte ich all diese bunten Taschenbücher – ganz gleich aus welchem Verlag – jedoch und tue es irgendwie bis heute.

Von den Minimenschen habe ich jedoch gar keine Ahnung, denn dieses Büchlein – der fünfte Band der Bastei-Reihe – ist das einzige, das ich von ihnen besitze und gelesen habe. Als ich begann, Comics zu lesen, war diese Reihe nämlich längst wieder eingestellt. Der Zeitschriftenhändler meines Vertrauens hatte jedoch in seinem unheimlich engen, weil vollgestellten und dadurch unfassbar gemütlichen Laden (diesen Mischgeruch aus verschiedensten Papierpublikationen, losem süßen und sauren Fruchtgummi sowie frischen Tabakerzeugnissen hätte ich gern als Raumduft) in der hintersten Ecke eine kleine Second-Hand-Kiste stehen, in der sich immer mal wieder gebrauchte Comics fanden, die aufgrund ihrer stark reduzierten Preise auch für mich erschwinglich wurden bzw. zu deren Kauf ich meine Mutter überreden konnte. Besonders günstig kam mich eben dieses Taschenbuch zu stehen, denn der Einband fehlte. Da ich noch wusste, dass mir die Geschichte gefallen hatte, nahm ich ein natürlich ebenfalls antiquarisches, gleichwohl vollständiges Exemplar kürzlich bei meinem Comichändler mit, nachdem ich es dort entdeckt hatte.

Eine (vermutlich in jedem Band identische) Übersichtsseite stellt die vier, offenbar allesamt von Bastei mit neuen Namen versehenen Hauptfiguren vor, gefolgt von einer knappen zweiseitigen Einführung in die Mikronauten in Comicform. Der Hauptteil, die den alliterationsstarken Titel gebende und von Serons Kollegen Mittéi getextete Story, ist eine an Spirou & Fantasio erinnernde Abenteuer-Mystery-Gruselgeschichte um ein Geisterschiff und Skelette mit rotleuchtenden Augen – irre cool und genau das richtige für mich von Skeletor und Heavy Metal besessenen Schuljungen damals. Ich erinnere mich, mich damals tatsächlich ein kleines bisschen gegruselt zu haben. Ein Segelschiff aus einem vergangenen Jahrhundert trifft auf moderne Hochtechnologie. Das ist angenehm spannend erzählt und wird nicht vom Humor dominiert. Bastei hat eine komplette Kolorierung springen lassen (was bei damaligen Comic-Taschenbüchern nicht selbstverständlich war), die Zeichnungen sind über jeden Zweifel erhaben, die Panelstruktur ist dynamisch, aber übersichtlich, und die Seiten sind sauber durchnummeriert. Kurioserweise findet sich in der Buchmitte ein vierseitiger Rätsel- und Witzteil, der nichts mit der Reihe zu tun hat.

Ein schöner, nicht nur nostalgischer Spaß. Vielleicht drücke ich mir irgendwann noch mehr von den Minimenschen. Dieses Taschenbuch jedenfalls kann ich jetzt endlich meinem einbandlosen Exemplar zu Seite stellen.

Mad-Taschenbuch Nr. 42: Paul Coker Jr. – Mads Tierleben

„Der komplette, lehrreiche & wahnsinnige Ratgeber über den Umgang mit Haustieren“ – nach dem „Mad-Buch der Rache“ und seinen Beiträgen zu „Mads großem Müll-Buch“ war dieses im US-Original 1983, in der deutschen Bearbeitung 1984 erschienene Taschenbuch Cokers dritter Mad-Auftritt im handlichen Format.

Über 160 unnummerierte Schwarzweiß-Seiten erstreckt sich diese Parodie auf Ratgeberbücher, die ihren Humor aus der Schere zwischen dem weitestgehend seriösen Text und den dazugehörigen witzigen Karikaturen bezieht. Diese bis zu drei Zeichnungen pro Seite illustrieren den Text humoristisch und ziehen das Verhältnis zwischen Tierhalter(innen) und Tieren durch den Kakao. Da auf Panels und Sprechblasen verzichtet wird, mutet dieses Mad-Taschenbuch dann auch weniger wie ein Comic, stattdessen mehr wie eine bildlastige Satire an – beide Konzepte halten sich in der Mad-Taschenbuch-Reihe ja ungefähr die Waage. Alle sechs Kapitel von der Wahl des Tiers über dessen Unterbringung und Ernährung bis hin zur Abrichtung, Erhaltung der Gesundheit und „was man sonst noch über Haustiere wissen muss“ enthalten erwartungsgemäß viel Mad-typischen Humor und machen entsprechend Spaß.

Wallace Wood – Sally Forth 1

„Dies ist die Geschichte der unfreiwilligen Soldatin Sally, die auf ihre Art alles tut, um das Militär zu boykottieren…
Als sie eingezogen werden soll, entschließt sich ihre Schwester Libby zu handeln, und militante Feministinnen stürmen das Pentagon.
General von Schlaff, Sallys Kommandant, sieht sich in einer sehr schwierigen Lage und befreit sich von Sally und seinem Problem schließlich, indem er sie zum Mond schießt…“

Soweit der nur in Schriftform stattfindende Prolog dieses ersten von drei „Sally Forth“-Comicalben, geschrieben und gezeichnet vom US-Amerikaner Wallace „Wally“ Wood und im Jahre 1981 veröffentlicht – hierzulande im Kölner Taschen-Verlag als 50-seitiges, vollfarbiges Softcover-Album. Es handelt sich um eine Parodie auf die in Comics beliebte Verzahnung von Science-Fiction mit Erotik, deren Vorreiterin Barbarella gewesen sein dürfte. Wie Babsi schwirrt auch Sally, ein vollbusige Blondine, im All umher. Versehentlich landet sie im Reich bösen Busarella [sic!], die sie zum Opfer ihrer Superkarnevalsorgie auserkoren hat. Sally läuft konsequent splitternackt herum, ihre Scham bleibt aber stets bedeckt. Die absurde Geschichte punktet mit wohldosiertem Humor, gelungenen Gags und zeichnerisch mit einem ansprechenden Funny-Stil, lediglich die Schattierungen in Form von Schraffuren sind gewöhnungsbedürftig. Der Seitenaufbau besteht aus dynamisch vierreihig angeordneten, aber relativ vielen Panels pro Seite, wodurch die Bilder recht klein ausfallen. Für eine 1:1-Adaption im Taschenbuchformat wäre das nix.

Nicht auszudenken, kämen kuriose Kreaturen wie mein Favorit, der „beißende Spott“, nicht mehr richtig zur Geltung. Dasselbe gilt für das marianische grüne Männchen Snorky und den kleinwüchsigen Astronaut Lt. Dal, die sich auf Rettungsmission befinden, dann aber direkt in die Fänge der Feinde Busarellas, der Wehrmacht-ähnlichen Wehrmänner, geraten. Die Handlung verbindet dies mit einer Persiflage auf Bürokratie und gerät zur bissigen Satire aufs Militär. Snorky und Dal agieren daraufhin zwischen beiden Kriegsparteien, derweil bei der US-Regierung Angst vor Feministinnen umgeht. Diese sind sexy und ziehen sich für die Demo ebenfalls aus…

Die zweite, kürzere Geschichte knüpft an die erste an, verweist eigenartigerweise aber auch auf eine, die gar nicht abgedruckt ist. Sally trägt hier immerhin Pumps. Kapitän G.Mein will mit weiteren Schurken Fort Knox ausrauben, Sally & Co. sollen dies verhindern. Dass die Schurken ebenfalls ein Nackedei haben, das genau wie Sally aussieht, ist leider ziemlich einfallslos. Sally ver- und bekleidet sich als Hausmädchen. Eingewoben ist die Superman-Verarsche „Saubermann“ inklusive einer Captain-Marvel-Parodie. Das Ende fällt idiotisch aus und was den Verlag geritten hat, den Namen der eigenen Publikation in der Vorschau auf Band 2 falsch zu schreiben („Saiiy Forth“), entzieht sich meiner Kenntnis. Ein paar Rechtschreibfehler finden sich zudem im Handgeletterten. Nicht unerwähnt lassen möchte ich auch zwei Eindeutschungen: „Der große Preis“ läuft im TV und es existiert eine Partei „Graue Panther“.

Alles in allem ein heutzutage vermutlich noch kurioser als seinerzeit anmutender, augenzwinkernder Spaß mit antimilitaristischer Aussage, wobei der zweite Teil des Albums deutlich abfällt.

10.05.2025: ANTIGEN + ALTERI auf dem Hamburger Affengeburtstag

Die Hansestadt lud mal wieder zum Hafengeburtstag; abseits des häufig egalen, häufig nervigen offiziellen Trubels und Touristenmagnetismus gab’s vor der Vokü und am Störtebeker wieder zwei Gratis-Open-Air-Subkultur-Bühnen. Aus Zeit- und Motivationsgründen war ich nur am Freitag und nur am Störtebeker zugegen, und dies zudem recht spät. Zumindest die letzten beiden Bands konnte ich mir nach der traditionellen Veggie-Döner-Zufuhr geben. Da die Running Order etwas durcheinandergewirbelt worden war, kam ich zunächst in den Genuss eines Auftritts der Kölner Crusties ALTERI, die einen fetten Bastard aus Metal-Crust, D-Beat und Grindcore ballerten. Der Gesangsmensch war permanent in Bewegung und fegte über die Bühne, als bekäme er Kilometergeld, während er die (weitestgehend unverständlichen) offenbar deutschen Texte growlte und keifte, dass es eine Art hatte. Der musikalische Abwechslungsreichtum verhinderte gekonnt etwaige Monotonie und ließ sogar die eine oder andere Gitarrenmelodie zu. War ‘ne herrlich brutale, beeindruckende Show, die nicht nur wegen der zwei Klampfen schön ins Gesicht drückte. Im Pit vor der Bühne war ordentlich was los und generell war’s gerammelt voll, weshalb ich meine Schnappschüsse von irgendwo aus dem Mittelfeld versuchte, die entsprechend scheiße aussehen. Zeitweise überwog auch schlicht der Smalltalk mit zum Teil wunderbar angeheiterten Freunden und Bekannten, wozu ALTERI den Soundtrack peitschten.

Ein bisschen schade, dass mit ANTIGEN anschließend bereits die letzte Band des ersten Tags auf der Bühne stand. Die hatte ich zuletzt 2019 in der Lobusch gesehen. Das Trio ist in Prag beheimatet, wo es die deutsche Sängerin/Bassistin Steffi einst hin verschlug. Stilistisch irgendwo zwischen Hardcore-Punk und melodischem Crust, tobte man sich durch englischsprachige, aggressive Songs, über denen Steffis wütender, rotziger Gesang lag. Vor der Bühne ging’s nun ein wenig ruhiger zu, abgefeiert wurde die Band aber natürlich dennoch zurecht und musste ein, zwei Zugaben geben. Zwischendurch gelang es Steffi immer mal wieder, Betrunkene davon abzuhalten, die Bühne zu erklimmen und ihr Mitteilungsbedürfnis durch ihr Mikro zu befriedigen. Klasse Gig, der Laune gemacht und mich noch mal auf Temperatur gebracht hat, sodass noch das eine oder andere Bierchen die Kehle runterlief, während um mich herum die Buden abbauten. Nach vielleicht ‘ner knappen Stunde war’s das dann aber dieses Jahr mit dem Hafengeburtstag für mich.

Respekt: Unabhängig von ihrem jeweiligen Zustand an diesem Abend habe ich alle, die ihr Erscheinen beim AFC-Spiel am nächsten Nachmittag angekündigt hatten, tatsächlich dort gesehen – einen sogar so, wie ich ihn vom Vorabend in Erinnerung hatte: Mit einem Bier in jeder Hand.

Danke allen, die die Punk/HC/etc.-Fahne weiterhin konsequent auf dem Hafengeburtstag hochhalten, sich den Arsch für ein Alternativprogramm aufreißen und Viertel/Wochenende somit nicht dem Tourikommerz überlassen.

Mad-Taschenbuch Nr. 41: Mad-Reporter Dave Berg durchschaut dich

Mit diesem Taschenbuch ging der New Yorker Mad-„Reporter“ Dave Berg die gewohnten 160 (unnummerierten) Schwarzweiß-Seiten lang in die fünfte Runde. Die US-Amerikaner kamen bereits im Jahre 1982 in den Genuss, die deutsche Ausgabe datiert aufs Orwell-Jahr 1984.

Erneut handelt es sich um ein- bis zweipanelige, maximal vierseitige Comics, die sich für pointierte Gags karikierend mit dem Alltag auseinandersetzen. Das erste Drittel widmet sich dem Verhalten von Kindern und Jugendlichen bzw. den Umgang Erwachsener mit ihnen. Nach wie vor schien Berg gern leichtbekleidete Mädels zu zeichnen, es war noch immer die Zeit der Hotpants. Das zweite Drittel nimmt Ehe und Erwachsensein aufs Korn, und im letzten Abschnitt geht’s ums Alter. Der Humor ist Berg-typisch ohne irgendwelche Ausreißer, was eher harmlose, aber häufig charmante, gelungene Gags bedeutet, aber auch den gewohnt geschärften Blick für Zeitgeisterscheinungen und Generationenkonflikte. Bergs halbrealistischen Zeichenstil erkennt man auf den ersten Blick als den seinigen, wenngleich die Cartoons durch weitestgehenden Verzicht auf Soundwords und über die Mimik hinausgehenden Ausdruck von Emotionen (Linien, Schweißtropfen etc.) recht trocken wirken.

Mit den Eindeutschungen eigentlich in Nordamerika spielender Inhalte ist’s immer so eine Sache. Früher wurde dies häufig gemacht, heutzutage aus guten Gründen nicht mehr. Ich muss aber zugeben, dass das Auftauchen einer „Stern“-Illustrierten und der Umstand, dass der legendäre „Rockpalast“ in der Glotze läuft, ein anheimelndes Gefühl in mir verursachten. Herbert Feuersteins sprachliche Übertragung des Berg’schen Humors ins Deutsche ist wie üblich über jeden Zweifel erhaben.

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