Günnis Reviews

Autor: Günni (page 2 of 107)

04.07.2025, Goldener Salon, Hamburg: MAID OF ACE + BOLANOW BRAWL

Unser dritter Gig in neuer Besetzung fand im schönen Goldenen Salon des Hafenklangs statt, der gegenüber dem „eigentlichen“ Hafenklang den Vorteil einer breiten Fensterfront mit Aussicht auf die Elbe sowie eines Tresens, an den gelehnt man weiterhin das Treiben auf der Bühne verfolgen kann, hat. Und auf der Fläche vor der Bühne befinden sich keine Stützsäulen, die den Blick erschweren könnten. Dafür muss man auf einen Backstage-Raum verzichten. Es handelte sich um ein Frühkonzert, das bereits um 20:00 Uhr beginnen sollte, weil die Räume im Anschluss für eine andere Veranstaltung benötigt wurden. Als wir um 17:00 Uhr ankamen, waren MAID OF ACE, die die Backline stellten, gerade mit dem Bühnenaufbau beschäftigt. Kurz darauf gab’s lecker Schmackofatz; zum ohnehin bereitstehenden kalten Buffett servierte mit Thommy einer meiner Hamburger Lieblings-Bandköche ein köstliches Kartoffel-Blumenkohl-Curry auf liebevoll angerichtetem gelben Reis. MAID OF ACE sind vier Schwestern (!), die offenbar alles selbst machen, jedenfalls fuhren sie selbst und hatten keinen Roadie oder Mercher dabei. Die Bassistin fehlte aufgrund eines dringenden anderen Termin leider, dafür war eine Freundin aus L.A. kurzerhand eingeflogen gekommen, die sich ihre Bassparts innerhalb knappster Zeit draufgeschafft hatte. Wow, ok! Es wurde soundgecheckt und als alles standesgemäß klang, waren wir an der Reihe. Allzu viel Zeit blieb allerdings nicht mehr, denn der Einlass war eigentlich für 19:00 Uhr geplant und das Volk begehrte denselben. Ein, zwei falsch ins fremde Equipment eingesteckte Kabel beschleunigten den Ablauf nicht unbedingt, aber irgendwas ist ja immer. Umso schöner, dass der Soundmann cool blieb und neben der P.A. den Bühnen- und Monitorsound bestmöglich mit uns aufeinander abstimmte.

Dieser Freitag lag inmitten zahlreicher relevanter Punkkonzerte, die an den Tagen zuvor stattfanden oder kurz darauf stattfinden sollten. Dennoch bot sich uns eine beachtliche Kulisse, als wir um kurz nach acht anfingen. Der interessiert dreinschauende Haufen gab sich zwar zunächst Hamburg-typisch etwas reserviert, aber mit ein paar dummen Sprüchen lockerten wir die Stimmung auf und brachten hier und da schließlich etwas Bewegung in die Bude. Es war der Tag der Veröffentlichung unserer ersten Digital-Vorab-Single („Cliché“) aus dem am 22. August bei Smith & Miller herauskommenden Album. Jenen Song spielten wir zusammen mit elf weiteren Nummern, wobei wir beim letzten Song trotz der einen oder anderen kurzen Stimmpause seltsamerweise irgendwie out of tune klangen. Die durch die eingangs erwähnte Fensterfront scheinende Sommersonne sorgte für eine für Indoor-Konzerte ungewöhnliche Tageslichtatmosphäre, gegen die die Nebelmaschine zumindest auf der Bühne ab und zu anarbeitete. Hat Spaß gemacht, gröbere Pannen waren ausgeblieben und die Anwesenden dürften passabel für den Hauptact aufgewärmt worden sein.

MAID OF ACE haben seit ihrer Gründung Mitte der 2000er eine für ‘ne D.I.Y.-Punkband ohne Plattenlabel beachtliche Größe erreicht. Drei Alben hat man herausgebracht und ist letztes Jahr mit GREEN DAY getourt. Derzeit sind sie auf Festland-Tour, was die fleißigen Ladies schon öfter waren, aber seltsamerweise hatte ich bisher keines ihrer Konzerte besucht und mich auch erst, als sich dieser Gig anbahnte, musikalisch mit ihnen beschäftigt. Asche auf mein Haupt, denn das ist wirklich geiler Scheiß: Klangen anfänglich noch herrlich dreckige Grunge-Einflüsse in ihrem rotzig-frechen UK-Punk durch, nahmen später die Streetpunk-Einflüsse zu. In jedem Falle aber geht’s immer kräftig in die Offensive, und als so umgänglich und freundlich sich die Mädels auch erwiesen, auf der Bühne wurden sie zu den reinsten Krawallschachteln, die aggressiv riffen, ballern und kehlig Gift verspritzen. Die Songs kommen dabei meist schnell auf den Punkt und bleiben dank mehrstimmiger Chants und Shouts sowie eingängiger Refrains haften. Der Sound im mittlerweile rappelvollen und entsprechend drängeligen Goldenen Salon war geil, das Publikum feierwütig und der Gig bis auf ein Manko ganz nach meinem Geschmack: Er hätte gern noch ‘ne Viertelstunde länger sein dürfen.

Unser Basser Urko hatte am nächsten Morgen eine wichtige Prüfung und verabschiedete sich daher frühzeitig, wir anderen halfen den Maids noch beim Equipmentschleppen und zumindest zu dritt plus Freunden führten wir sie noch zum Onkel Otto, wo sie bewiesen, auch am Glas ziemlich gut zu sein. Bei lauschigen Sommertemperaturen konnte man prima draußen sitzen und sich die Bettschwere antrinken. Und während wir den Rest des Wochenende freihatten, mussten MAID OF ACE am Nachmittag schon wieder auf die Bühne des Ruhrpott-Rodeos…

War ‘ne gelungene Sause! Danke an MAID OF ACE, ans Hafenklang-Team, die Besucherinnen und Besucher und nicht zuletzt Sandy für die Schnappschüsse unseres Gigs!

Ralf Heimann / Jörg Homering-Elsner – Zentralfriedhof wie ausgestorben

„Perlen des Lokaljournalismus“ zum Dritten: Die ersten beiden Bände bescherten mir Lachanfälle, also musste auch der dritte her. Dieser wurde im Januar 2019 wie gehabt im Münchner Wilhelm-Heyne-Verlag als querformatiges, rund 200-seitiges Taschenbuch veröffentlicht und umfasst um die 200 neu eingesendeten und von Heimann sowie Homering-Elsner amüsant kommentierten Nachrichten-Schnipsel aus der deutschsprachigen lokalen Online- und Print-Journaille.

Einmal mehr geben sich missverständliche Formulierungen, sinnentstellende Schreibfehler und radebrechende Formulierungen die Klinke mit Text-Bild-Scheren oder fragwürdigen Layout-Entscheidungen in die Hand. Da fordert schon mal eine Politikerin die „Todesstrafe für Selbstmord-Attentäter“, werden „Pollenböller“ gefunden oder bittet die Stadtverwaltung „um mögliche Belästigungen“. Gefühlt diesmal etwas mehr enthalten sind tatsächliche Skurrilitäten, die die Presse schlicht aufgegriffen hat, z.B. der sich vor Blinden zeigende Exhibitionist. Leider abgenommen haben hingegen übersehene Platzhalter. Von besonderer Qualität sind erneut die Kommentare, die die Leserinnen und Leser auf den Humorgehalt der Fundstücke nicht nur stoßen, sondern ihn zuweilen potenzieren.

Auch in der dritten Runde immer noch lustig bis aberwitzig und damit eine perfekte leichte Lektüre für verschiedenste Gelegenheiten – von Bahnkurzstrecke über Strandkorb bis Klo.

20.06.2025, Monkeys Music Club, Hamburg: KNOCK OFF + RAZORS

Zugegeben, der Allerjüngste bin ich nicht mehr, und es häufen sich die Wochenenden, an denen ich mich bewusst anderen Aktivitäten als Konzertbesuchen widme – erst recht nach den allwöchentlichen beiden Krachproben mit meinen eigenen Kapellen. Doch nicht so an diesem Wochenende. Seit ich Wind von diesem Gig bekommen hatte, war meine Vorfreude von Tag zu Tag gestiegen. Das lag zum einen daran, dass ich KNOCK OFF noch nie live gesehen hatte, obwohl ich mir seinerzeit das „You Get One Life“-Vinylalbum zugelegt hatte und sie meines Wissens immer mal wieder in Hamburg vorstellig geworden waren. Der nächste Grund war, dass ich die RAZORS lange nicht mehr gesehen hatte – vermutlich, weil ich deren alljährliche Knust-Gigs „zwischen den Jahren“ regelmäßig schwänze. Zuvorderst ausschlaggebend aber war, dass mir mal wieder der Sinn nach klassischem Punkrock zwischen ’77 und ’82 stand, und zwar unprätentiös im Club.

In eben jenem dachte ich mir von so’nem großen Blonden, hey, den kennste doch…? Tatsächlich: Der Gitarrist von HEROES 2 NONE, mit denen wir kürzlich in Flensburg die Bühne geteilt hatten, war zusammen mit Freunden eigens für dieses Konzert aus Dänemark angereist. Kiek an! Hamburgs Punk-Ursuppe, die RAZORS, betraten um 21:30 Uhr die Bühne, aufgrund eines zickenden Monitors (der Klassiker!) verzögerte sich der Beginn noch um ein paar wenige Minuten. Mit Danker als Sänger und Sven an den Drums sind noch zwei Originalmitglieder des Quartetts dabei, das mit „Don’t Go“ in sein umfassendes, Klassiker des deutschen, aber englischsprachigen ’77-Punkrocks ebenso wie mal etwas streetpunkigeres, mal etwas ruppigeres Post-Reunion-Material abdeckendes Set einstieg. Vor „Come Closer“ gab Danker die Geschichte zum Besten, wie der Song entstanden sei – nämlich wegen der HEARTACHES im Vorprogramm von THE BONES im Jahre 2002 im SO36. Während „Christ Child“ verließ er die Bühne und mischte sich unters Publikum, das überwiegend auch nicht mehr zum jüngsten zählte, aber auch ohne Blutpogo sichtlich seinen Spaß hatte – nicht zuletzt an der humorigen Kommunikation mit der Band. Man kennt sich eben. Danker ist mit Mitte 60 fit wie ein Turnschuh und bestens bei Stimme, generell machte die Band einen supereingespielten und nach wie vor leidenschaftlichen Eindruck. Drums und Bass sorgten für ordentlich Wumms und Stoffel an der Klampfe, der vor ein paar Jahren von Witte übernahm, macht seine Sache offenbar mit viel Verve und Hingabe. Die Backing-Chöre saßen wie ‘ne Eins und der Sound war super – da gibbet echt mal gar nix zu meckern. An Coverversionen gab’s wie üblich das hübsch verpunkte „Heroes“ (DAVID BOWIE) und das in „You’ll Never Walk Alone“ übergehende „Because You’re Young“ (COCK SPARRER). Richtig geiler Gig, der mich euphorisiert hat und zu dem das Bier noch mal besser schmeckte.

Das britische Trio KNOCK OFF war seit Veröffentlichung seines Debütalbums 2014 ziemlich fleißig und bringt es mittlerweile auf sechs Langrillen sowie diverse EPs. War der Sound anfänglich noch UK82-beeinflusst, wurde er bald darauf immer streetpunkiger. Die, grob geschätzt, eine gute Stunde abdeckende Setlist bot ein schöne Mischung quer durch die Diskographie. Das bedeutet: Klassischer britischer Sound mit einfachen, dafür sofort zündenden Melodien, vielen Mitsingrefrains und ganz viel Attitüde inklusive dickem Mittelfinger gegen Politik und sonstige Autoritäten, die einem das Leben erschweren. „We Are Proud“ widmete man dem leider verstorbenen THE-BUSINESS-Sänger Micky Fitz mit Verweis auf deren „Real Enemy“-Message. Dass der Bassist ganz neu dabei war, merkte man ihm nicht an. Souverän und spielfreudig reihten sie die eingängigen Songs mitsamt kurzer, prägnanter Ansagen aneinander und spielten auch ihre Zugaben, ohne vorher die Bühne zu verlassen und sich zurückbitten zu lassen. Für meinen Geschmack könnte die Band ein paar Tempowechsel und die eine oder andere Uptempo-Nummer vertragen, aber auch im Midtempo brachten sie nicht nur mich zum Tanzen und hielten die gute Stimmung unter den vermutlich knapp hundert Gästen mehr als nur aufrecht. Sie hätten mehr Publikum verdient gehabt und ich wünsche mir, dass die Jugend diesen schnörkellosen, guten alten Sound irgendwann für sich entdeckt.

Aufgrund des stark blendenden Lichts war’s nicht leicht, halbwegs ansprechende Schnappschüsse zu fabrizieren, was man dem einen oder anderen Foto ansehen dürfte. War aber ein gelungener Abend, der musikalisch so verlief, wie ich ihn erwartet und mal wieder gebraucht hatte. Danke dafür!

13.06.2025, Gaußplatz, Hamburg: GAUSSFEST 2025

Wieder einmal feierte der Altonaer Bauwagenplatz in der Gaußstraße sein alljährliches Gratis-Open-Air-Festival, diesmal wieder bei Spitzenwetter. Der Bierpreis blieb stabil bei 1,- EUR (!), Essen gab’s auch, vor allem aber Livemusik und ein zahlreich erschienenes buntes Publikum von jung bis alt. Wie üblich ging die Sause zwei Tage lang, ich war am ersten da – einem Freitag, den 13. Ob das gutgehen konnte…? Ja, doch:

Die erste Band, HOBBY AUF’M DORF, habe ich verpasst, zu FREVEL aus Schleswig-Holstein war ich aber pünktlich am Start. Die haben einen neuen Basser namens Paul und zocken nach wie vor kompromisslosen deutsch- und englischsprachigen HC-Punk mit kräftiger Thrash-Kante. Der aggressive Sound mit Shouter Tims kehligem Gebrüll passt perfekt in die heutige Zeit, die Tim in klugen Ansagen kommentierte. Entsprechend fiel diesmal auch die Songauswahl aus, die auf spaßigere Lieder weitestgehend verzichtete. Für musikalische Abwechslung sorgte die eingestreute Funk-Punk-Nummer „Bombe“ (o.ä.). Vor der Bühne war ordentlich was los, immer mal wieder verließ Tim die Bühne und machte einfach mit. Der Sound klang anfangs hier und da noch etwas übersteuert, wurde mit der Zeit aber immer besser. Als lauthals geforderte Zugabe spielte man „Die Maschine“ ein zweites Mal, vermutlich hat sich der neue Mann am Viersaiter noch nicht das gesamte Repertoire draufgeschafft. Der ehemalige Bassist fand sich übrigens feiernd im Publikum wieder und werde, so hieß es, wohl eine neue Band gründen.

MALAKOV aus Braunschweig und Gelsenkirchen kamen nach einer rekordverdächtig langen Umbaupause auf die Bretter – und hatten prompt Probleme mit ‘nem Gitarrenkabel. Irgendwann ging’s aber los, und es kam mir von Anfang an bekannt vor. Spätestens beim Song mit der repetitiven „Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen“-Aufforderung war mir klar, dass mir die schon mal irgendwo live untergekommen sein mussten. Mittlerweile weiß ich: Klar, genau hier, auf dem Gaußfest vor drei Jahren. Das Quintett ist zum Quartett geschrumpft, keine Ahnung ob dauerhaft oder nur temporär. Das bedeutet, dass der deutschsprachige Punkrock mit nur noch einer Gitarre gezockt wird. Mir kommt’s im Nachhinein – nach Vergleich mit meinen damaligen Eindrücken – zudem so vor, als habe die Band diesmal verstärkt melancholisches, mitunter gar balladeskes Material gespielt, das mir nicht so gut reinlief. Die Knüppelsongs hingegen waren geil und passten auch besser zum Organ des Sängers. Wie bei Frevel wurde ausgelassen getanzt, gefeiert und mit Bier gespritzt. Nach gleich mehreren Zugaben gab’s Pausenunterhaltung in Form einer Show-Einlage mit brennenden Fackeln vor der Bühne von lateinamerikanisch anmutenden Gauklern.

Als mit HUMAN BEHAVIOR die letzte Band des Abends loslegte, war es dunkel geworden, was der Atmosphäre zuträglich war. Als die ersten Riffs erklangen, erinnerte mich der Sound an S.O.D. und Konsorten, was mich vor die Bühne lockte. Dort war ich erstaunt, lediglich ein Duo vorzufinden, das Krach für ‘ne ganze Band machte: Die beiden Typen aus Berlin und Wien zockten tiefergestimmten (und dadurch basslastig anmutenden) HC-Punk mit deutschen und englischen Texten humorlos und zunächst ohne jegliche Ansagen herunter, zwischen den eher kurzen Songs gab’s dafür nicht zu knapp Feedback-Gequietsche auf die Ohren. Der Drummer trommelte pornös, der Gitarrist brüllte zwischen heiser und brachial die Texte. Gegen Ende fand dann doch ein bisschen Kommunikation mit dem von der Darbietung sehr angetanem Publikum statt und auch hier gab’s Zugaben. Respekt für diese Zwei-Mann-Leistung, die live bei perfektem Sound sehr geil kam.

Danke, Gaußplatz – hoffe, der zweite Tag war genauso gelungen!

HM Photo Book: Heavy Metal in Japan

Es gibt offenbar diverse Fotobücher, die ausschließlich aus Hardrock- und Heavy-Metal-Musiker(innen) und -Bands abbildenden Fotografien bestehen, wofür es vor World Wide Web und dessen asozialen Medien anscheinend einen größeren Markt gab. Als ich neulich an einem freien Tag nach langen Jahren erstmals wieder jenem verwunschenen Ort, in dem ich aufwuchs, einen Besuch abstattete, steuerte ich zielstrebig einen recht großen Gebrauchtwarenhandel an, wie ich es als Perlentaucher und Schnäppchenjäger üblicherweise so mache. Dort fand ich null komma nix, das Büchertauschregal des Supermarkts aber hielt dieses Schätzchen hier für mich bereit, als habe es nur meiner Abholung geharrt.

Auf den (laut Amazon, es hat keine Seitenzahlen und ich habe nicht nachgezählt) 128 Seiten dieses 1983 im Londoner Verlag Omnibus Press erschienenen broschierten Buchs halten sich groß- und mittelformatige Fotos verschiedener Fotografen von Bands wie Black Sabbath, Thin Lizzy, AC/DC, Motörhead, Deep Purple usw. in Farbe und Schwarzweiß in etwa die Waage. Das sind mal Fotos von Liveaufnahmen, mal Backstage-Impressionen oder privat anmutende Schnappschüsse, aber auch gestellte Posen und Porträts. Allen gemein ist die hohe Qualität und dass sie in Japan entstanden sein sollen. Da es sich mitnichten um allseits bekanntes Material, das ständig irgendwo abgedruckt würde, handelt, freue ich mich über diesen Zufallsfund, in dem einem die Michael Schenker Group übrigens beim Baden im Meer die blanken Hintern zeigt.

David E. Gehlke – Systemstörung: Die Geschichte von Noise Records

Das vom US-amerikanischen Metal-Nerd und -Journalisten David E. Gehlke geschriebene Buch „Damn The Machine“ aus dem Jahre 2017 über das legendäre Berliner Metal-Label Noise Records wurde vom Berliner Iron-Pages-Verlag lizenziert, wo es in deutscher Übersetzung durch Rock-Hard-Redakteur Andreas Schiffmann erschien. Das Taschenbuch ist rund 500 Seiten stark und enthält weshalb auch immer ein Vorwort Hansi Kürschs, der mit keiner seiner Bands (u.a. Blind Guardian) jemals auf Noise Records war. Dem Korrektorat ist da ein bisschen was durchgerutscht, was leider auch im weiteren Verlauf immer mal wieder passierte. Übersehene Tippfehler u.ä. ziehen sich durchs Buch und die englischen Anführungsstriche (auf beiden Seiten oben) irritieren. Aber es kommt ja auf den Inhalt an:

Gehlke erklärt Noise zum „Grundstein der weltweiten Metal-Szene“, was mir nicht nur etwas hochgegriffen scheint, sondern – bei allem Respekt vor Noise und den geilen Platten, die dort erschienen – schlicht Quatsch ist. Zunächst ist sein Buch eine Biographie des Label-Inhabers Karl-Ulrich Walterbach. Dieser studierte, wie wir erfahren, in Münster und Dortmund, bevor er nach Berlin zog, schlug eine Karriere als linker Terrorist ein, die jäh gestoppt wurde, landete für eineinhalb Jahre im Knast, war Hausbesetzer und Technik-Hehler. Mit Punk begann sein musikalisches Interesse und erstmals tat er etwas Sinnvolles, indem er gute Pionierarbeit im Konzert- und Labelbereich leistete (nicht minder legendär als manche Noise-Veröffentlichung sind die Punkscheiben auf Walterbachs „Aggressive Rockproduktionen“-Label). Zu diesen zählt die Compilation „Soundtracks zum Untergang“, der Gehlke respektive Schiffmann die Beteiligung einer Band namens „Hate Ahead“ andichten (S. 36). Tatsächlich enthalten sind die Bands „Hass“ und „Aheads“ – ein Fauxpas aus der Übersetzungshölle?

Die Gründung des Hamburger Punk-Labels Weird System datiert Gehlke aufs Jahr 1993, was ebenfalls verkehrt ist: 1982 wär’s gewesen. Nichtsdestotrotz liest sich der Punkteil des Buchs interessant, u.a. wenn es um Walterbachs DDR-Kontakte und die „DDR von unten“-Veröffentlichung geht. Während der Punk-Krise Mitte der 1980er wechselte Walterbach zum aufstrebenden Metal und gründete mit punkiger Attitüde, aber auch einem guten Näschen fürs Geschäft Noise Records. Über Heavy Metal und dessen damalige Akzeptanz sagt er (S. 69):

„Die selbsternannte Elite, diese intellektuellen Musikzensoren… für sie war das unerhört. Metal, so etwas konnte man nicht machen. Was sollte das überhaupt sein? Schrott. Der Lärm der Arbeiterklasse. Nichts, womit sich ein Denker abgeben würde.“

Und (ebd.):

„Die Frage, ob man Geld verdiente oder nicht, wird in der Metal-Szene nicht ideologisiert. Vielmehr heißt man Erfolg gut, wohingegen man sich im Punk kasteien musste. Mit der Zeit ging mir das echt auf die Nerven, die dauernden Rechtfertigungen, dieser unsinnige Vorwurf der Kommerzialisierung. Darum bin ich froh, es mit Metal probiert zu haben. Verdiente man Geld und zeigte es, indem man etwa einen Jaguar fuhr, steigerte das eher noch das Prestige. In der Punk-Szene ist es genau umgekehrt!“

Auf Seite 70 wird suggeriert, in den Jahren 1993 und 1997 seien zwei weitere „Soundtracks zum Untergang“-Compilations bei Walters nie offiziell aufgelöstem Punklabel erschienen. Dazu sei angemerkt, dass es sich beim dritten Teil um eine reinen Hip-Hop-Sampler handelte und Teil 4 nicht bei Aggressive Rockproduktionen, sondern bei Impact Records erschienen war.

Fortan geht es nun aber also vornehmlich um die ersten Noise-Jahre, wofür Walterbachs erste PR-Beauftragte Kunold ebenso zu Wort kommt wie seine Sekretärin Nielsen und die Vertriebswegbeaufsichtigerin Lange, sodass das Buch nicht allzu monoperspektivisch ausfällt. Der Voivod-Song „Ripping Headaches“ befindet sich allerdings auf „Rrröööaaarrr“, nicht auf „Dimension Hatröss“ – das hätte spätestens Schiffmann beim Übersetzen auffallen müssen. Interessante Einblicke bieten die Abrisse zu den US-Labels Metal Blade und Megaforce, mit denen Noise Lizenzen tauschte. Die erste richtige, eigene Labelband wurden Grave Digger. Gehlke schreibt über die ersten beiden Noise-Compilations, darunter „Death Metal“ mit dem ein Jahr später zensierten Cover, und widmet den Schweizern Celtic Frost ein eigenes Kapitel. Ain, Fischer und Priestly kommen zu Wort, wobei unklar bleibt, ob Gehlke die Statements woanders aufgeschnappt oder wirklich fürs Buch mit ihnen geredet hat. So oder so kommen lesenswerte Interna ans Licht und beide Seiten – Band wie Label – zu Wort. Gehlke findet angemessen kritische Worte zu Walterbach und dazu, wie dieser Celtic Frost behandelte.

Auf ein Kurzporträt des Cover-Künstlers Andreas Marschall folgt ein eigenes Kapitel über Grave Digger, das gerade auch wegen der Verirrung mit der kommerziell ausgerichteten Umbenennung in Digger und der anschließenden temporären Auflösung interessant ausfällt. Jedoch findet sich hier in erster Linie Walterbachs Sicht der Dinge, und an Bandkopf Chris Boltendahl lässt er kein gutes Haar. So richtig spannend wird’s im Running-Wild-Kapitel: Auf der ambitionierten US-Tour mit Celtic Frost und Voivod floppte die Hamburger Kombo und erstmals werden die Streitereien zwischen Noise und EMI erwähnt. Folgerichtig geht’s mit Helloween weiter. Die Hamburger waren Walterbachs bestes Pferd im Stall, die Briten wollten sie Walterbach wegschnappen und die Band wurde zwischen beiden Fronten regelrecht zerrieben. Leider endet das Kapitel abrupt noch vorm Götteralbum „Keeper of the Seven Keys Part 2“, jenem bis heute unerreichten Meilenstein des europäischen Power Metal. Den Song „Gorgar“ hat Gehlke falsch interpretiert, denn er handelt von Videospielsucht und hat nichts mit einem etwaigen „Monster-Fetisch“ zu tun. Erwähnen hätte er vielleicht noch können, dass Maskottchen Fangface später bei Gamma Ray wieder zu Ehren kam, jene Band, die Gitarrist Kai Hansen aus der Taufe hob, nachdem er Helloween verlassen hatte.

Unfassbar knapp ist das Rage-Kapitel ausgefallen, obwohl die Herner Band um Peter „Peavy“ Wagner satte sieben Alben bei Noise veröffentlichte. Auf Deutschlands größten Thrash-Export Kreator folgt ein kurzes Kapitel übers Kuriosum Rosy Vista, eine es damals lediglich auf eine Mini-LP gebracht habende reine Frauenband, in dem Walterbach alles andere als gut aussieht. Um die Frankfurter Alcoholic-Metaller und Bembel-Thrasher Tankard geht es bis zum Labelwechsel. Kapitel 11 dreht sich um Noise‘ Expansion gen USA und UK und damit in erster Linie ums internationale Geschäft, was es mitunter etwas schwer zu lesen macht. (Und das englische Pop-Duo heißt Erasure, nicht „Eraser“…) Bei der Aufzählung besonders angesagter E-Gitarrenbands zu Beginn der 1990er unterschlägt Gehlke doch glatt Metallica, die mit dem „Black Album“ überlebensgroß wurden (und leider vergaßen, sich anschließend aufzulösen).

Dem Streit zwischen Celtic Frost und Noise widmet Gehlke anschließend ein eigenes Kapitel, aus dem all die Ignoranz Walterbachs dieser fantastischen Band gegenüber hervorgeht. Jedoch wird auch das „Cold Lake“-Desaster detailliert geschildert, so detailliert zumindest, wie ich es zuvor noch nicht gelesen hatte. Die innovativen, von Noise veröffentlichten Tech-, Prog- und Post-Thrash-Bands Coroner, Voivod, Watchtower und Sabbat werden in einem separaten Kapitel zusammengefasst und anschließend Helloween wieder aufgegriffen, sodass auch den Ereignissen nach den „Keeper…“-Alben genügend Raum geboten wird. Eine der spannendsten Geschichten des deutschen Metal-Business, das beweist, wie viel Macht die Labels damals hatten – und wie sie sie auf dem Rücken von Bands missbrauchen konnten.

Das Ende der DDR schuf auch für Walterbach neue Märkte und Möglichkeiten. Als er vom legendären Konzert mit Noise-Bands am 04.03.1990 in der Werner-Seelenbinder-Halle erzählt und angesichts über 4.000 zahlender Gäste nicht glaubt, dass der Ort jemals zuvor derart gut besucht gewesen sei, hat er offenbar das nicht minder legendäre Depeche-Mode-Konzert vergessen, zu dem 1988 die FDJ geladen hatte und das natürlich ausverkauft war. Generell wirkt Walterbach gegenüber der ehemaligen DDR etwas arrogant.

Mittlerweile ist das Buch in den 1990ern angekommen, das für die klassischen Metal-Spielarten kein sonderlich gutes Jahrzehnt war. So geht es im weiteren Verlauf viel um Walterbachs Bestrebungen, mit den sich verändernden musikalischen Vorlieben und Marktbedingungen Schritt zu halten, womit sich einiges nachlesen lässt, was man seinerzeit vielleicht nicht mitbekommen oder schlicht ignoriert hat, weil einen das Genre nicht mehr sonderlich interessierte. Darunter finden sich einige ganz spannende eingestreute Geschichten, es geht aber auch relativ ausführlich um Noise‘ Unternehmungen und Dependancen im Ausland inklusive viel Namedropping und wer genau wann wo welchen Vertrieb für Noise übernahm oder von Noise angestellt wurde, was für mich persönlich eher semiinteressant ist. Am Ende steht der Verkauf des Labels an Sanctuary. Angemerkt sei noch, dass Timo Kotipelto erst ab 1994 bei Stratovarius sang, nicht wie auf Seite 405 behauptet bereits ab 1984.

Der letzte Abschnitt befasst sich mit Walterbachs Aktivitäten im Band-Management. Das Nachwort gehört Walterbach persönlich. Gehlkes Danksagungen, die Noise-Top-5 verschiedener Szene-Größen und eine komplette Noise-Diskographie runden das Buch ab, das trotz erwähnter Fehlerchen einen umfassenden Einblick nicht nur in die Geschichte von Noise Records, sondern auch in die Vita und den Charakter des streitbaren Karl-Ulrich Walterbachs gewährt und zahlreiche Szenestimmen zu Wort kommen lässt, die verhindern, dass es zu Walterbach-exklusiv würde. Auch als jahrzehntelanger Metal-Postillen-Leser, dem vieles bereits bekannt war, habe ich einiges Neue erfahren, vorhandenes Wissen auffrischen oder tiefer ins Detail gehen und nicht zuletzt einer über weite Strecken unterhaltsamen Lektüre über eines meiner Steckenpferde frönen können. Die vielen Fotos, seien es die Schwarzweiß-Bebilderungen im Text oder die beiden mehrseitigen Farbfotostrecken, lockern das Buch zudem angenehm auf und zeigen nicht nur Altbekanntes.

Nicht am falschen Ende zu sparen und das Manuskript vor Drucklegung einem Lektorat zu überantworten, hätte wohl die o.g. Fehler verhindert; und ein professionelles Korrektorat hätte sicherlich Tippfehler wie „Mitpreis“ (S. 88, statt „Mietpreis“) oder „Maquis“ (S. 270, statt „Marquis“) oder auch Sätze wie „Wir baten ihnen sogar von uns aus, wieder mitzumachen“ (S. 95) respektive „Du denkst, du bekommst eine große Chance, und jemand niemand sie dir“ (S. 353) ausgemerzt. Einerseits mögen das typische Erstauflagenkrankheiten sein, andererseits ist es ein bisschen schade, dass dieses als Standardwerk zu Noise Records zu bezeichnende Buch davon betroffen ist.

06.06.2025, Kulturpalast, Hamburg: DARK ANGEL + KRYPTOS

DARK ANGEL, ‘80er-Jahre-US-Thrash-Größe aus der zweiten Reihe hinter den ganz Großen, sind wieder am Start, wenn auch leider ohne den mittlerweile verstorbenen Original-Gitarristen Jim Durkin, und unternahmen kurz vor Veröffentlichung ihres neuen Albums einen Abstecher in den Kronensaal des Billstedter Kulturpalasts (nachdem sie zuvor fürs wesentlich kleinere Bambi galore im selben Gebäude angekündigt worden waren), u.a. um ihr brutalstes Werk, den Klassiker „Darkness Descends“ aus dem Jahre 1986, in voller Länge zu kredenzen. Für Durkin ist nun Drummer Gene Hoglands Ehefrau Laura Christine an einer der beiden Gitarren dabei, und als Sänger fungiert nach wie vor Ron Rinehart, der seit der 1987er Langrille „Leave Scars“ diese Position innehat. Mit über 30 Öcken Eintritt kein Pappenstiel, aber das war’s mir dann doch wert.

Den Einheizer machten die indischen Heavy-/Thrash-Metaller KRYPTOS, die nun auch schon seit 1998 mitmischen und seither sieben Alben auf dem Buckel haben. Diese konnten mich auf volle Albumdistanz zwar nie 100%ig überzeugen, dennoch hat sich im Laufe der Zeit einiges Songmaterial angesammelt, das ich verdammt gerne höre. Als das Quartett pünktlich um 20:00 Uhr anfing, war der Saal noch nicht sonderlich üppig gefüllt, was sich im Laufe des Sets aber ändern sollte. Der Sound war von Beginn an gut und der häufig sich eher im Midtempo-Bereich bewegende Heavy/Thrash-Stil sorgte in Kombination mit der bunten Lightshow und reichlich Nebel für Atmosphäre. Am besten gefällt mir die Band aber, wenn sie ihr Tempo variiert und deutlicher Richtung flottem Thrash tendiert. Sänger/Gitarrist Nolan hat ‘ne geil giftige Stimme und nahm sich zwischendurch die Zeit, seine Band vorzustellen, die das Publikum mit jedem Song mehr auf ihre Seite zog. Die Konsequenz waren „KRYPTOS, KRYPTOS!“-Rufe aus dem Publikum nach einer halben Stunde. Mit „Cold Blood“ und „Afterburner“ entdeckte ich dann auch zwei meiner Lieblingssongs im Set, wobei letzterer mit Mitsinginstruktionen einherging – das „Watch out!“ sollte doch bitte kräftig mitgebrüllt werden, was auch gut funktionierte. Mein persönlicher Höhepunkt dieses Gigs, der nach 50 Minuten endete und für den die Band gut abgefeiert wurde – sie hatte sich ihr Publikum redlich erspielt. Etwas gewöhnungsbedürftig war lediglich der Anblick des Schlagzeugs, das am rechten Bühnenrand aufgebaut werden musste, da es nicht vors schon in vollem Umfang bereitstehende, ausladende DARK-ANGEL-Kit passte.

Nach relativ kurzer Umbaupause stiegen DARK ANGEL für mich überraschend mit „Time Does Not Heal“ ein, dem (geilen) Titelstück des bis dato letzten, melodischeren Albums aus dem Jahre 1991. Leider übertönten die Drums alle anderen Instrumente und auch den Gesang. Es folgten Nummern des „Time Does Not Heal“-Vorgängers „Leave Scars“ und auch ein, zwei Stücke des bevorstehenden Albums, wobei der Sound immer besser wurde – recht bald passte alles, wenngleich man den Gesang für meinen Geschmack gern generell etwas dominanter in den Vordergrund hätte mischen dürfen. KRYPTOS-Mitglieder mischten sich ins Publikum, die Bude war längst gut voll und alle warteten auf die „Darkness Descends“-Vollbedienung. Wie würde diese mit Rinehart am Mikro klingen, der auf jenem Album ja noch gar nicht zu hören war? Nun, Rinehart war superagil, eine Rampensau vor dem Herrn, trug ‘nen schnieken Irokesenschnitt, ließ sich sein Alter nicht anmerken (ganz im Gegenteil) – und war stimmlich variabel und fit genug, um die Songs in seiner Mischung aus echtem Gesang, Shouting und ein bisschen Growling sowie gelegentlichen Kopfstimmenausflügen auf seine eigene Weise respektvoll zu interpretieren und überzeugend rüberzubringen. Der gesamten Band gelang es, mit diesem dem verstorbenen Durkin gewidmeten Set authentische Spielfreude und Energie wie ein ganzes Kraftwerk aufs Publikum zu übertragen, das mittlerweile freidrehte und seinem Bewegungsdrang freien Lauf ließ. Welch brachiales Gebretter in Höchstgeschwindigkeit, welch herrliches Geholze, das einem die Rübe abschraubte! Das ausgepowerte Publikum schrie gar nicht erst nach einer Zugabe, es hatte alles bekommen, was es brauchte. Da bin ich doch direkt mal aufs neue Album gespannt.

Jan Reiser – Sticks & Fingers: Basement Blues

Sticks & Fingers entstammen wohl ursprünglich den Jugendseiten der Süddeutschen Zeitung, für die der bayrische Zeichner und Texter Jan Reiser sie entwarf. Im Jahre 2006 erschien dann das rund 50-seitige Softcover-Album „Sticks & Fingers: Basement Blues“ im Ehapa-Verlag.

Das vollfarbige Album ist handgelettert und weist eine i.d.R. vierreihige, damit klar strukturierte, in der Anzahl dennoch dynamische Panelstruktur auf, die den Rahmen für Reisers großartigen und detailverliebten Funny-Stil bildet. Die Geschichte um zwei studierende Rock’n’Roller (Sticks: Drummer, Fingers: Gitarrist), die eine Band gründen wollen und dabei alle erdenklichen Schwierigkeiten, beginnend bei der Proberaumsuche, durchleben, spielt in München und steckt voller Referenzen auf reale Bands, Bücher, Magazine, Songzitate und Plattencover. Der Humor speist sich aus einigem Funny-typischen Slapstick, in erster Linie wird aber eine große, zusammenhängende Geschichte erzählt. In dieser fungiert Fingers auch als intradiegetische Erzählinstanz im Präteritum.

Ein paar Rock-Klischees werden repliziert und persifliert, aber auch die Kunstwelt ist Ziel einiger Gags. Apropos: Fingers malt auch Bilder – über Kopf hängend. Seine Sprechblasen wurden dabei ebenfalls auf dem Kopf stehend abgedruckt. Ein wunderbar konzipierter Klischee-Italiener mit Akzent in den Sprechblasen wird Manager der Band. Köstlich auch die Basser-Auditions, in deren Zuge in jeweils einem Panel die verschiedensten Musikrichtungen durch den Kakao gezogen werden. Auch die Münchner Schickeria kriegt ihr Fett weg, inklusive Rudolph Moshammer. Die Suche nach der sexy Bassistin Bo, die Sticks und Fingers in der Bahn über den Weg lief, wird recht breit ausgewalzt und ist Anlass für viele Gags. Leider ist Bo mit einem reichen Schnösel liiert – zumindest noch… Mit diesem im Bett zeichnet Reiser sie auch schon mal nackt.

Es folgt eine schwierige Suche nach ersten Auftrittsmöglichkeiten. Die Band nennt sich mittlerweile „The Burp“ und ist vor ihrem ersten Gig im Jugendzentrum eines Kaffs regelrecht euphorisch. Fingers‘ großes Idol ist Slash, was man ihm auch mehr als ansieht, und Sticks verknallt sich in die aus der Oberschicht stammende Bo, womit auch eine sehr klassische Liebesgeschichte mit ein paar vorsichtigen klassenkämpferischen Tendenzen Einzug hält. Immer dabei ist Kumpel Mücke, der Metallica- und AC/DC-Fan ist. Wunderbar realistisch wirkt der erste Gig ab dem Moment der Ankunft am Jugendzentrum. Auf Seite 47 hat Reiser eine Konzertszene als prima Wimmelbild gezeichnet, ein weiteres folgt drei Seiten später nach dem Umzug des Gigs in eine Villa. Das Album schließt mit einem Porträt Reisers und Aufschlüsselungen der verwendeten Songtext-Zitate.

Auf Seite 41 findet sich ein kleiner Meta-Ebenen-Gag, der einen weiteren „Sticks & Fingers“-Band suggeriert – woraus leider nichts wurde. Schade, denn „Basement Blues“ ist ein toller Jugendcomic, der nicht nur Jungs, die selbst in Amateurkapellen lärmen, Spaß machen dürfte.

Schwermetall präsentiert Band 22: Tanino Liberatore – Video Clips

Das 22. Album der „Schwermetall präsentiert“-Reihe aus dem Alpha-Verlag erschien im Jahre 1989, im Original bereits 1984. Das 64-seitige Softcover-Album gehört dem italienischen Comiczeichner Tanino Liberatore (der im Patatext auf der Rückseite seltsamerweise Gaetano mit Vornamen genannt wird) und kompiliert mehrere seiner Geschichten – sowie einige vollfarbige, ganzseitige Damenporträts.

„Eingesperrt“, die erste Geschichte dieser handgeletterten Sammlung, ist eine bitterböse, die von einem vollständig gelähmten Senior handelt, der von seiner Betreuerin und deren Freund zunächst im Spiel, dann aber immer fieser regelrecht gefoltert und misshandelt wird – und die seine Rachegedanken visualisiert… Sleaziger Horror vom Derbsten, zudem vollfarbig dargereicht.

Mit „Sax Blues“ geht’s im schwarzweißen Noir-Stil weiter: Ein Saxophonist gerät an eine Nachtclubsängerin, die sich als Femme fatale entpuppt. Zynischerweise verzichtet Liberatore auf einen negativen Ausgang für den Protagonisten, wodurch die Geschichte aber auch etwas nichtssagend wirkt – von einem Seitenhieb auf New York abgesehen.

Ebenfalls schwarzweiß ist die Science-Fiction-Story „Erde gegen Saturn“, in der die Saturnier die Erde friedlich kolonisieren wollen, doch kommunikative Missverständnisse mit Kneipengästen zur Eskalation führen. Humorig. Die Saturnier haben in ihren Sprechblasen eine eigene Sprache, die jeweilige Übersetzung ist anbei. Um die Erdlinge kennenzulernen, sehen sie sich übrigens einen Clark-Gable-Film an; einen entsprechenden Screenshot hat Liberatore in seine Zeichnung eingebettet.

Wir bleiben in der schwarzweißen Science-Fiction: „Folly Bololy“ handelt von einer dystopischen Diktatur, in der die Menschen zunehmend mit implementieren Schnittstellen zu elektrischen Geräten herumlaufen und schließlich ein Diktator gestürzt wird. „E.M.P.S.“ ist eine abermals unkolorierte sozialistische Dystopie um eine Psychiatrie, in der ein Kerl mit Superman fickt… Eine köstlich respektlose Persiflage mit zensierten Sprechblasen als Stilelement.

In Farbe präsentiert sich „Real Vision“ um eine sadistische Geiselnahme, deren Ausgang ich nicht verstanden habe. „Bitte keine Fotos“ entpuppt sich als farbiger Mystery-Thriller um ein Fotomodell, das seine Fotografen um sich versammelt und einen nach dem anderen umbringt – mit überraschender Begründung. Leider kommt die Story mit der Zählweise durcheinander. Das Album schließt mit einem Onepager um eine überraschende Geschlechtsverschleierung bei Raub und Vergewaltigung.

Der Titel irritiert mich, denn der Bezug zur Videotechnologie wird mir (abgesehen vom Clark-Gable-Film) nicht klar. Davon unabhängig handelt es sich um eine interessante, provokante Zusammenstellung für eine erwachsene Leserschaft, für die sich Liberatore unterschiedlicher Erzähl- und an den Realismus angelehnter Zeichenstile bedient und sich für Panelstruktur etc. jede Freiheit herausnimmt, die er dafür benötigt.

17.05.2025, Lobusch, Hamburg: BOCKWURSCHTBUDE + BOMBE

Ein gutes Jahr nach ihrem letzten Lobusch-Besuch kehrte die BOCKWURSCHTBUDE aus Frankfurt/Oder zurück, deren aktuelles Album „Sippenhaft“ noch immer die Wurscht vom Teller zieht. Den Anfang aber machten BOMBE aus Hamburg, die übrigens vor Kurzem ihr Material auch aufgenommen haben. Den zweiten Song musste das Quartett direkt abbrechen weil wegen irgendwas mit Kabel, ab da lief aber anscheinend alles glatt. Eines der Alleinstellungsmerkmale der Band ist die von der Sängerin gespielte Geige, die bei einigen Songs zum Einsatz kommt, ein anderes der Instrumententausch, sodass die einzige Konstante der Gitarrist ist. Nicht alltäglich ist auch die respektabel verrauchte, kratzige Stimme der Sängerin. Diejenigen der überwiegend deutschsprachigen Songs, die in recht getragenem Tempo gespielt werden, sind nicht so ganz meine musikalische Heimat, wenngleich man ihnen eine angemessen düstere Atmosphäre nicht absprechen kann. Gegen Ende übernahm die Bassistin/Drummerin den Gesang dreier Songs, die dann ganz anders klangen, nämlich nach flottem ’77-Punk, englischsprachig zudem. Das hob meine Stimmung, die beim anwesenden Volk aber generell sehr gut war, sodass lautstark Zugaben gefordert wurden. Die gab’s dann auch: Die geigende Sängerin sang „Du mieses Stück“, gefolgt von ‘ner amtlichen Pogonummer und mit „Solidarity“ (kein Upstarts-Cover) einem allerletzten Stück, für das sie dem Gitarristen dann doch noch die Klampfe wegnahm, damit dieser sich auf den Gesang konzentrieren konnte. Hat sich zu ‘nem geilen Gig entwickelt, der mir gegen Ende hin immer besser reinlief.

BOCKWURSCHTBUDE, ja seit einiger Zeit mit CHAOS-Z/FLIEHENDE-STÜRME-Andreas am Bass verstärkt, zockten ein klasse Best-of-Set vor ansehnlicher Kulisse, das sich von dem ihres letzten Besuchs ein wenig unterschied. Der Hamburger-Schule-Diss fehlte aber genauso wenig wie mein alter Favorit „5 Minuten“, lockerere Nummern gaben sich mit dem ernsteren Material der aktuellen Langrille die Klinke in die Hand und am Schluss sang Andreas den ersehnten CHAOS-Z-Klassiker „Duell der Letzten“. Vor der Bühne war man in Bewegung und auch ich kam mal wieder aus mir raus, sprang, tanzte und sang mit, so weit es mir möglich war. Die direkt ins Ohr gehenden Songs und ihr pogokompatibles Tempo luden schlichtweg dazu sein. Der Sound mit seinen zwei Klampfen machte gut Dampf, die Background-Gesänge der Rhythmusfraktion saßen. Steht ja so oder so ähnlich alles auch in meinem Bericht von vor ‘nem Jahr. Anschließend wurden noch die Kühlschränke ausgetrunken, sodass es doch wieder spät wurde. Gelungener Konzertabend im gewohnt angenehmen Lobuschambiente, zu dem ich hiermit auch meinen Senf (wegen Bockwurscht, gelle?) dazugegeben hätte.

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