Günnis Reviews

Autor: Günni (page 2 of 104)

25.02.2025, Uber-Arena, Berlin: CYNDI LAUPER + TRACY YOUNG

Meine Gebete waren erhört worden, mein Lieblings-‘80er-New-Wave/Synth-Pop-Schnuckel, die Sängerin, Menschenrechtsaktivistin, Schauspielerin und ehemalige Wrestling-Managerin CYNDI LAUPER, begab sich ein letztes Mal auf Monstertour und machte dabei einen Abstecher nach Deutschland. Zwar nicht nach Hamburg, aber Berlin ist ja nicht weit und meine wesentlich bessere Hälfte und ich konnten ein günstiges Hostel ganz in der Nähe der Arena in Friedrichshain beziehen. „Time After Time” war schon immer eines meiner Lieblingslieder, mich eingehender mit Laupers Alben beschäftigt hatte ich mich aber erst als Erwachsener – und war und bin immer noch insbesondere von ihrem ‘80er-Oevre begeistert. Später entdeckte sie den Jazz und den Blues für sich, wo ich musikalisch dann raus war (oder erst mal raus zu sein glaubte). Live gesehen hatte ich sie nie, aber gehofft, vielleicht doch noch einmal die Gelegenheit zu bekommen. Hier war sie!

Wir trafen uns mit einer Freundin meiner Liebsten und deren erwachsener Tochter, machten an ‘nem Imbiss Halt, glühten etwas vor und begaben uns dann in die Uber-Arena, einem dieser typischen seelenlosen Multifunktionsklötze, der aber nun einmal Platz für zigtausend Leute bietet. Der halbe Liter Veltins wird zu Champagnerpreisen (7,- EUR + 3,- EUR Pfand!) ausgeschenkt, aber damit hatte ich ebenso gerechnet wie mit T-Shirt-Preisen von 45,- EUR (mein älteres Cyndi-Shirt im Punk-Look, das ich mir übergestreift hatte, war wesentlich günstiger gewesen) und derlei Unwägbarkeiten. Alles nebensächlich an diesem Abend. Wir waren früh genug da, um im Innenraum nah genug an die Bühne zu kommen; und kamen wir uns anfänglich noch etwas verloren vor, füllte es sich zwischen 19:00 und 20:00 Uhr doch rasch. Ganz ausverkauft sei’s wohl nicht gewesen, meinten meine Begleiterinnen in Erfahrung gebracht zu haben, aber wohl kurz davor. Gut 12.000 Gäste sollen es gewesen sein.

Als Hintergrundmusik lief diverser jüngerer Pop ausschließlich weiblicher Interpreten; auf der Bühnenrückwand, die als Video-Screen diente, lief eine Animation mit Songtexten des einen oder anderen Lauper-Klassikers. Auf den beiden Bildschirmen links und rechts der Bühne wurde auf Laupers „Girls Just Wanna Have Fundamental Rights“-Stiftung hingewiesen. Mit einem Support-Act hatten wir nicht gerechnet, bekamen aber trotzdem einen: Techno-DJane TRACY YOUNG durfte eine knappe Dreiviertelstunde hinter ihrem Mischpult stehen und ihre Elektro-Tracks abfeuern. Das war schon arg genrefremd, aber immerhin meinte ich Techno-Laie Youngs Früh-‘90er-Verwurzelung anhand von House-Instrumentierung und Vocal-Sample-Lastigkeit herauszuhören, was die eine oder andere Nummer erträglich machte. Auf der Bühnenrückwand wurden bunte, psychedelische Animationen abgespult, während Young hinter ihrem Pult stehend ein paar Knöpfchen drehte. Es ist eben keine Live-Musik; und dass sie mit erhobenen, rhythmisch wedelnden Armen das Publikum anfeuerte und dafür auch immer mal wieder an den Bühnenrand schritt, sah bei ihr genauso albern aus wie bei anderen Techno-DJs. Naja, wenigstens wurde die P.A. nun endlich mal angeworfen und durchgepustet.

Nach der Umbaupause, während der u.a. das Percussion-Set und das Drumkit auf der schwarzlackiert geflieste Bühne enthüllt wurden und einen Hinweis darauf gaben, dass wir es nun bald tatsächlich mit handgemachter Musik zu tun bekommen würden, stimmte BLONDIEs „One Way Or Another“ aus der Konserve auf den Gig ein, in den Lauper direkt mit „She Bop“ einstieg und dessen Blockflötensolo höchstpersönlich zum Besten gab, gefolgt von einem meiner Alltime-Faves, „When You Were Mine“, der einst ein PRINCE-Song war – bevor Lauper ihn zu ihrem eigenen machte. Das Licht tauchte die Bühne in ein kräftiges Violett; die eine mintgrüne Perücke tragende Lauper bewegte sich im endcoolen Roboterstakkato zum unwiderstehliche Rhythmus des Songs und erhielt Szenenapplaus, als sie ihre Stimme in jene ungeahnten Höhen erhob, die zu einem ihrer vielen Markenzeichen zählen. Sie schien – wie so viele gerade – etwas erkältet gewesen zu sein, wobei ihre Hüsterchen verdeutlichten, dass eben auch der Gesang 100%ig live war. Ob mit oder ohne Atemwegsinfekt: Dass sie derart exzessiv wie früher das Hohe C suchen und treffen würde, hatte ich nicht erwartet und war auch nicht der Fall. Ihre „normale“ Gesangsstimme aber war nach wie vor voll da.

Und bunt war’s – sehr bunt! Jeder Song wurde anders illuminiert und mittels Videoanimationen auf der Bühnenrückwand illustriert, wenn nicht gerade Livebilder aufgegriffen und multipliziert dargestellt wurden. Lauper zog sich mehrmals um und wechselte die Perücken – einmal gar mitten auf der Bühne –, eines ihrer Outfits erinnerte an einen buntgefiederten Papagei. Zudem wurden im Laufe des Konzerts mehrere Konfetti- und Luftschlangenkanonen gezündet. Auch wenn es die „Girls Just Wanna Have Fun Farewell Tour“ ist, beschränkte sie sich bei der Songauswahl natürlich nicht auf ihr erstes und erfolgreichstes Album, wenngleich „True Colors“ und „A Night To Remember“ sehr kurz kommen. Überraschend waren für mich die Berücksichtigungen der Studioalben 4 und 5 („Hat Full of Stars“ und „Sisters of Avalon“) aus den 1990ern, die jeweils mit mehreren Songs zum Zuge kamen („Sally’s Pigeons“, „Who Let in the Rain“, „Fearless“ (a cappella vorgetragen!) und „Sisters Of Avalon“). Diese überwiegend sehr ruhigen, zurückgenommen Stücke sorgten in Verbindung mit den persönlichen Geschichten und Anekdoten, für die Lauper sich Zeit nahm, für eine sehr spezielle, fast schon intime Atmosphäre, die ich so nicht erwartet hatte und meinen Lauper-Horizont erweiterten.

Sehr gefreut habe ich mich über ihre „Funnel Of Love“-Coverversion vom 2016er-Album „Detour“. Etwaige weitere Deep Cuts wie z.B. Single-B-Seiten blieben aber ebenso aus wie der BLUE-ANGEL-Neo-Rockabilly-Klassiker „Maybe He’ll Know“ oder der „The Goonies“-Hit „Good Enough“. Die mittlerweile 71-Jährige gönnte sich viele Gesangspausen und füllte die Zeit mit ihren Geschichten oder auch einer ausführlichen Vorstellung der Mitglieder ihrer Band. Das sei ihr gegönnt. Vor „Sisters of Avalon“ begab sie sich hinter die Bühne, scheinbar in die Maske – jedenfalls zeigte ein komödiantischer Einspielfilm, wie sie dort übertrieben nachgeschminkt wurde und sie sich eine Gitarre umschnallte, mit der sie ihren eigenen Song daraufhin auf der Bühne begleitete. „Time After Time“, für das sie zum Einsatz der Smartphone-Taschenlampen aufrief, und das rockige BRAINS-Cover „Money Changes Everything” beendeten schließlich den regulären Teil des Sets, bevor „Shine“ den Zugabenblock einleitete, mir eine Gänsehaut bescherte und mir bewusst machte, welch Rabenfan ich bin, mich noch gar nicht ausreichend mit Laupers Spätwerk beschäftigt zu haben – denn diese Nummer zündete sofort, offenbar gibt’s da noch einiges zu entdecken. Für „True Colors“ wechselte sie auf eine Plattform im Publikumsbereich und ließ eine Regenbogenfahne im Wind flattern, und fürs große Finale, natürlich „Girls Just Wanna Have Fun“, betrat die Sängerin PEACHES als Überraschungsgast die Bühne, um diesen Evergreen zusammen mit Cyndi zu schmettern. Die kleine Panne, dass PEACHES‘ Mikro zunächst offenbar nicht eingeschaltet war, tat der Stimmung keinen Abbruch.

Das war’s dann. Zugegeben: Zu „All Through The Night“ hätte ich schon noch gern geschwoft! Trotzdem dankbar für dieses Konzerterlebnis nahm ich dann auch ohne groß mit der Wimper zu zucken Unannehmlichkeiten wie die Pfandrückgabe in Kauf (Getränkestand im Innenraum baute schon ab, musste daher an eine lange Schlange im Außenbereich – und dort gab’s auch kein Bargeld, sondern man bekam die Knete aufs Bankkonto gebucht) und verlor glatt meine Begleiterinnen, traf dafür aber die Kielerin Anna, die ich mal in einer Hamburg Punk-Spelunke kennengelernt hatte. Überhaupt, das Publikum: Teenies waren’s nun nicht sonderlich viele und wenn, dann in Begleitung eines Elternteils, aber bunt gemischt von Twens bis Ü50 war’s trotzdem, darunter Teile der LBGTQ+-Community, für die sich Lauper immer eingesetzt hat, und sogar vereinzelte Leute mit Metal-Shirts und ein paar Punks, einer davon, ein Altpunk, stilecht mit Iro und THE-EXPLOITED-Shirt. Meine Leute fand ich dann auch bald wieder und so ging’s noch auf ‘nen Absacker vom Hostel-Tresen, bevor wir ‘ne Mütze Schlaf nahmen und am nächsten Tag nach ‘nem Frühstück vor Ort die reibungslose Heimreise antraten.

Ich freue mich, an „CYNDI LAUPER mal live sehen“ ‘nen Haken machen zu können – nichts als Liebe und Respekt für diese kleine, aber ganz große Frau! Und jetzt werde mich mal mit ihren jüngeren Alben beschäftigen – versprochen…

08.02.2025, Lobusch, Hamburg: FATAL COLLAPSE + FREVEL + DISILLUSIONED MOTHERFUCKERS

Nur wenige Monate, nachdem unser Basser Holler in der Lobusch mit einem Konzertabend seinen Geburtstag gefeiert hatte, standen wir dort wieder auf der Bühne, an der sogar noch unsere Setlist aus dem November hing. Mit einer Thrash-Metal- und zwei aggressiveren, eher riffbetonten HC-Punkbands ein, wie ich finde, ebenso interessantes wie stimmiges Line-Up. Aufgrund eines zeitgleich stattfindenden Punkkonzerts in den Fanräumen war ich etwas skeptisch, ob die Bude voll werden würde – aber das wurde sie. Von meiner Atemwegsinfektion war ich so weit genesen, dass die letzte Probe passabel hingehauen hatte und ich mir den Gig zutraute. FREVEL aus Schleswig-Holstein kannten wir bereits von einem gemeinsamen Gig im Indra und machten den Soundcheck, da sie diesmal als erste Band spielten. Den nahmen sie relativ genau und testeten mehrere Songs an – soll ja auch vernünftig ballern. Am Mischpult übrigens wieder Eisenkarl in Personalunion als P.A.-Beauftragter und unser Drummer.

Mit leichter Verzögerung öffneten sich auch offiziell die Pforten und um 21:40 Uhr legten FREVEL los. Die vierköpfige Band peitschte ihren wütenden Hardcore-Punk mit deutschen und englischen Texten durch, der von einer metallisch gespielten Gitarre veredelt wurde. Sänger Tim shoutete herrlich kehlig und pogte zwischenzeitlich mit dem Publikum, das vom ersten Song an voll dabei war und für Action vor der Bühne sorgte. Waren mir während des Indra-Gigs vor allem die Parallelen zu RAWSIDE aufgefallen, konzentrierte ich mich jetzt mehr auf die Unterschiede, zu denen z.B. von System- und Sozialkritik und generell „Polit-Punk“-Typischem abweichende, persönlichere Inhalte zählen. Und dass man beileibe keinen Stock im Arsch hat, bewies u.a. das GG-ALLIN-Cover „Bite It You Scum“. Zurecht wurden Zugaben verlangt, derer es zwei an der Zahl gab, darunter eine geile neue Nummer. Spitzen-Gig!

Im Anschluss zockten wir unser Set aus dem November noch mal durch, seitdem neu entstandene Songs müssen noch etwas im Proberaum nachreifen. Auch bei uns war gut was vor der Bühne los, was uns zusätzlich anheizte und manch Song schneller als üblich spielen ließ. Ich glaube, meine Stimme machte weitestgehend mit – unser Bühnensound war lauter als zuletzt, weshalb ich mich weniger selbst hörte –, besonders gegen Ende hin merkte ich aber deutlich, dass mir schon noch was auf den Bronchen lag und meine Kondition entsprechend nachließ. Und da ich Depp mir vor ein paar Wochen auch noch die Hand verstaucht hatte, was noch nicht vollständig abgeheilt war, macht sie noch nicht immer das, was sie soll – sodass mir das Mikro mitten im Song aus der Flosse ins Publikum flog. Es ist, wie es ist, und irgendwas ist immer! Als Zugabe gab’s „A.C.A.B.“ von PROJEKT PULVERTOASTMANN; auf die weiteren Rufe gingen wir aber nicht mehr ein, da ich um Luft japsend intervenierte und FATAL COLLAPSE schließlich auch noch auf die Bühne wollten.

Hamburgs D.I.Y.-Thrasher FATAL COLLAPSE teilen sich mit den THRASHING PUMPGUNS Gitarrist Buddy, und unser Bassist Holler spielt ebenfalls bei den PUMPGUNS – ein bisschen Hamburger Inzest also. FATAL COLLAPSE waren mir kürzlich erstmals über den Weg gelaufen, als sie im Kir für PIZZA DEATH eröffneten. Der Stimmung des wunderbar gemischten Publikums von jung bis alt, aber hauptsächlich punkiger, weniger metallischer Szenezugehörigkeit tat der nun deftig thrashende Sound keinerlei Abbruch, die Bewegungsfreunde blieb erhalten und die Band wurde abgefeiert. Und dies völlig zurecht, denn verglichen mit dem Kir-Gig wirkte das Quartett irgendwie befreiter, frischer und aggressiver auf mich. Vielleicht lag’s an der Energie im Raum, vielleicht am Sound, der Thrash-Riffs und -Rhythmik ebenso voll zur Geltung brachte wie Shouter Niklas‘ derbes Organ. Dieser berichtete zwischenzeitlich, seinen allerersten Gig mit dieser Band seinerzeit auf eben dieser Bühne gespielt zu haben, und führte durchs knackige Set, an das ebenfalls eine Zugabe angehängt werden musste. Toller Gig und krönender Abschluss eines rundum gelungenen Konzertabends, der mich in meiner Auffassung bestätigte, dass HC/HC-Punk und Thrash Metal prima zusammenpassen.

Danke an Jesus und das ganze Lobusch-Team, an FATAL COLLAPSE und FREVEL und an alle, die vorbeigekommen waren!

30.12.2024, Störtebeker, Hamburg: THRILLER + SABOTAGE + BRIEFBOMBE + FORTSCHRITT ZT 300

Im Störtebeker, jenem kleinen, legendären DIY-Konzertort im Hafenstraßenviertel, war ich absurd lange nicht mehr, und fast genauso absurd mutet es an, dass ich BRIEFBOMBE, jene einzig echte Postpunk-Band, trotz bereits zweijähriger Existenz noch nie live sah. Da ich „zwischen den Jahren“ frei hatte und mir nach der ganzen weihnachtlichen Besinnlichkeit irgendwie der Sinn nach einem HC-Punk-Konzert im kleineren Rahmen stand, drängte sich diese Veranstaltung geradezu auf. Und prompt traf ich vor Ort meinen Bandkollegen Holler und dessen Kumpel Sascha, was cool war, da ich mich mit niemandem verabredet hatte.

Noch während der ersten Band hieß es dann auch „Bude voll, ausverkauft!“. Es wurde also richtig gemütlich; ganz so, wie ich’s von den Konzerten hier in Erinnerung hatte. Jene erste Band war FORTSCHRITT ZT 300, ein lokales Quartett, das sich dem Agrarcore verschrieben und im Jahre 2023 ein Tape veröffentlicht hat. Der Bandname ist einem DDR-Traktorfabrikat entnommen und inhaltlich geht’s nur vorrangig um Landwirtschaft, in „Kartoffelernte“ beispielsweise geht’s „mit dem Mähdrescher durch Eppendorf“ und letztlich um Klassenkampf, andere Songs richten sich gegen Anthroposophie und „Junkerschweine“. Aggressiver Sound, zu dem die Sängerin gut was wegkrakeelt. Daumen hoch!

BRIEFBOMBE ist nach BRUTALE GRUPPE 5000 das aktuelle Konzeptband-Projekt des umtriebigen LOSER-YOUTH-Thommy. Postpunk steht hier nicht wie so oft für wavige Deprisounds, sondern für eine inhaltliche Ausrichtung, die sich mit einer Extraportion Spaß inne Backen den Zustelldiensten dieser Welt widmet. So geht’s um prekäre Arbeitsbedingungen („Weihnachtszeit-Überstunden fuck you!“), um „Urlaub in Porto“ (auf so einen Scheiß muss man erst mal kommen) und um Brieftaube G.I. Joe, um GLS, UPS und DPD sowie den Film „Cast Away – Verschollen“ mit seiner Schleichwerbung für FedEx, es geht contra Briefmarkensammeln und pro Brieffroindschaften zwischen Punks und Skins. Musikalisch ist das ein ziemlicher Expressversand aus zwischen häufig in Powerviolence eskalierenden, hektischen HC-Punk-Riffs und -Licks mit aggressivem Gekeife der (live häufig grinsen müssenden) Sängerin und Thommys hysterischem Gebrüll – bis auf besagter Brieffreundschaftssong: Der ist ‘ne astreine Oi!-Hymne. Zudem gab’s das beste „Mr. Postman“-Cover, das mir bisher zu Ohren kam. Schon erstaunlich, wie viel man aus einem solchen Themengerüst herausholen kann. Da hab‘ ich auch gleich mal die LP und die 7“ abgeernet (womit ich in den Duktus der ersten Band verfallen bin, sorry). Mit der teilt man sich übrigens den Basser.

SABOTAGE ist nun namenstechnisch sicher nicht der große Wurf – wie viele Bands gleichen Namens wird’s wohl geben? Musikalisch wird dafür schön aufs Mett geklopft:  Fette, böse Riffs und brutale Rhythmen, auf die sich das kranke Shouting der Sängerin legt. Einzige englischsprachige Band des Abends, deren Mitglieder aus Bielefeld und Münster stammen und einen mehr als ordentlichen Abriss fabrizierten – der wahrscheinlich nicht nur gefühlt aber recht kurz war, oder? Egal. Schönes Ding!

Schön auffe Schnauze gab’s dann auch bei THRILLER aus Leipzig, die nach einem „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“-Intro aus der Konserve eine explosive Mischung aus etwas modernerem, metallischem Hardcore und Grind/Powerviolence/Blast-Attacken ritten. Der Shouter kreischgrölbrüllte sich durch die deutschsprachigen Texte der einmal mehr kurzen Songs. Voller Einsatz auf allen Positionen, bis mir die Ohren klingelten. So muss das eben manchmal.

Während ich Fotos von BRIEFBOMBE machte, wies mich jemand darauf hin, dass es mittlerweile auch hier leider nicht mehr erwünscht sei, zu fotografieren, weshalb ich’s dann unterließ und die bis dahin von den ersten beiden Bands geschossenen Bilder hier auch nicht verwende. Ansonsten habe ich aber ausschließlich positive Eindrücke: Obwohl’s verdammt drängelig war und man zum Bierholen die gefürchtete Treppe runter und auch wieder rauf musste, wurd’s nie unangenehm. Alle nahmen Rücksicht aufeinander, was so weit ging, dass sich jemand bei mir entschuldigte, nachdem ich ihn versehentlich angerempelt hatte. Trotzdem blieb vor der Bühne Raum für Bewegung, der auch genutzt wurde. Neu ist, dass das Bier gut gekühlt ist, geblieben ist der schmale Kurs, zu dem’s angeboten wird. Alles nicht selbstverständlich, weder früher noch heute, und darum an dieser Stelle einfach mal ein Dankeschön.

Horrorschocker Grusel Gigant #1

Ha, mein zweiter Weissblech-Comic! Nach „Derber Trash #1“ natürlich wieder ein Sammelband, diesmal aus der Horrorcomicsparte.  Dieser erschien im Jahre 2016 und vereint auf 148 vollfarbigen Seiten im Softcover und Heftchenformat die Inhalte der ersten fünf „Horror Schocker“-Ausgaben mit Ausnahme der Geschichte „Heimfahrt“ aus der Nummer 4. Hierfür werden nicht näher benannte rechtliche Gründe angegeben. Das ist alles sehr farbenfroh; die jeweilige Panelstruktur wurde individuell den Erzählungen angepasst, hier wirkt nichts in Form gezwängt. Für diesen Band wurden das Lettering überarbeitet und Rechtschreibfehler korrigiert – das ist sehr löblich. Wie im großen Vorbild, den in den 1950ern im US-amerikanischen EC-Verlag erschienenen Horrorcomics, gibt es einen Meta-Erzähler, der in die Geschichten einführt und sie zuweilen kommentiert: den Styx-Fährmann Charon.

Los geht’s mit „Unten am Sumpf“, einer schwer an die alten EC-Sumpfgeschichten erinnernden Geschichte über einen Mörder, der Opfer seiner eigenen Tötungsmethoden wird. Was im darauffolgenden „Winter 1389“ als typische mittelalterliche Anti-
Hexenjäger-Story beginnt, gibt mit einer am Schluss gezogenen kruden Parallele den Christen die Schuld am Ausbruch der Pest – als habe es sich um eine Rache der Hexen an ihnen gehandelt. Da bekanntlich nicht nur Christen unter der Seuche zu leiden hatten, scheint mir dies nicht ganz zu Ende gedacht. Bei „Martin der Entdecker“ handelt es sich um eine Geschichte über Massen- und individuellen Abenteuertourismus, zivilisationskritisch und mit herrlich bösem Ende – hier kriegen alle ihr Fett weg.

„Insektentod“ handelt von einem brutalen Gangsterboss, der von Wespen totgestochen wird, nachdem er eines seines Opfer mittels insektenspray umbrachte, gefolgt von Niniwes Fluch, einer längeren, abenteuerlichen Mär über eine antike Totengöttin mit lebenden Leichen, Skeletten – und einem offenen Ende in der Gegenwart. In ihrem Anschluss findet sich mit „Im Tal des Drachen“ eine etwas unspektakuläre Ritter- und Drachen-Story.

Dafür geht’s mit „Der Bote“, die vom Kampf Mensch gegen Ameise – erzählt aus Sicht einer Ameise! – handelt, umso origineller weiter. „Maria!“ entpuppt sich als cooler Rape’n’Revenge-Fetzer mit einer Werwölfin und „Der Schlächter von Oakwood Manor“ als schwarzhumorige Kurzgeschichte um einen Geisterjäger. „Der Bestatter“ zeigt, wie ein ebensolcher zu einem seltsamen Assistenten gelangt.

„El Dorado“ präsentiert Konquistadoren auf ihrer fatalen Suche nach diesem mythischen Ort, hier siegt – wie so oft in diesen Comics – eine höhere Gerechtigkeit. Wiederum nicht der Fall ist dies in „Gute Nacht Geschichte“, einer Geschmacklosigkeit über Alpträume und Kopfschmerzen als Symptome eines Gehirntumors. Im Anschluss erhält Charon eine kurze Origin-Story.

Das letzte Heft des Sammelbands eröffnet mit „Tauwetter“, einem lakonischen Schocker über ein Mordkomplott in einem vereisten Bergsee. „Flurbereinigung“ thematisiert ein Hünengrab, einen ignoranten Bauern und einen vermeintlichen Fluch, der diesen das Leben kostet. In „Der Kuss der Seejungfrau“ begibt sich ein schiffbrüchiger Abenteurer auf die Suche nach einer ebensolchen und in die „Die Wüste lebt!“ fahndet eine Expedition nach einer neuen Spezies, auf die sie auch trifft, aber niemandem mehr über sie berichten kann…

Als Bonusmaterial erhält man drei Seiten Historie über die Heftreihe und einige Hintergrundinformationen sowie „Der Sturm“, eine Geschichte über den Kapitän eines Sklavenschiffs, der sein Ziel knapp verfehlt.

Die mal noch etwas unbehauenen, mal aber auch sehr filigranen und zum Teil hübsch-morbiden Zeichnungen verschiedener Künstler wissen zu gefallen, die mal sarkastische, mal düster-gruselige, mal moritatische oder makabre Erzählweise überzeugt größtenteils und die überwiegend wirklich guten Texte stechen hervor. Liebloser Schund geht definitiv anders und mit dem hommagenartig an EC angelehnten Konzept rennt man bei mir offene Türen ein – wenngleich sich der spezielle Geist der 1950er-Jahre-Originale natürlich nicht ohne Weiteres kopieren und/oder auf die Neuzeit übertragen lässt. In all den Jahren ist es auch nicht leichter geworden, auf diesem Gebiet originell zu sein, und so fallen diese Geschichten und Geschichtchen denn auch etwas weniger erinnerungswürdig als die Klassiker aus. Unterhaltsam und kurzweilig ist die Lektüre aber allemal!

14.12.2024, Indra Musikclub, Hamburg: COCKHEADS + SMALL TOWN RIOT (und ein bisschen BOLANOW BRAWL)

Mein BOLANOW-BRAWL-Bandkollege Christian wurde 40 und hat die beste Freundin, die er sich nur wünschen kann, organisierte sie doch eine superfette Überraschungsparty für ihn. Sein gesamter, nicht gerade kleiner Freundeskreis war eingeweiht; nur er ahnte von nichts, denn alle hielten dicht. Im eigens angemieteten Indra sollten THE SPARTANICS aus Leipzig und SMALL TOWN RIOT auftreten und wir – inklusive Christian – in neuer Besetzung für zumindest drei Songs erstmals auf der Bühne stehen. Es gab Freigetränke und ein von Sandys und Christians Eltern zubereitetes kaltes Buffet, Luftballons, lustige Fotos Christians, die überall ausgehängt wurden, und eine von unserem ehemaligen Bassisten Keith zusammengestellte, ultralange Playlist (in Ermangelung eines DJs, der ursprünglich auch vorgesehen war). Ein Riesenaufwand für Sandy & Co., der es aber tatsächlich gelang, bis zum Schluss alles geheimzuhalten und sogar Christians Klampfe samt Effektpedalen heimlich ins Indra zu schmuggeln. Erst als er unter einem Vorwand gegen 20:30 Uhr mit sanftem Druck ins Indra geschubst wurde, realisierte er langsam, dass dort eine Party zu seinen Ehren stattfand. Und dass er gleich mit auf die Bühne musste…

Nach mehreren Besetzungswechseln sind wir mit BOLANOW BRAWL nun endlich wieder livefähig. Unser Kurzauftritt wurde die Livepremiere unseres neuen Bassers Urko und unseres noch neueren Leadgitarristen Jogi, wenn auch in geschlossener Gesellschaft. Obwohl sich Christian nicht hatte am Soundcheck beteiligen können, ist es Tonchef Andy gelungen, uns einen amtlichen Sound zurechtzuregeln, und so erklangen nach einer Ewigkeit mal wieder „Tattooed Like Me“, „Two Day Session“ und „Red Lips“ von der Bühne, jeweils eingeleitet von Anekdoten Christians zur Entstehung der Songs. Irgendjemand, dem unsere Antlitze offenbar missfielen, bekam jedoch Zugriff auf die Nebelmaschine und nebelte uns derart ein, dass ich aufpassen musste, wo ich hintrat. Keith, der die Texte zu den beiden letztgenannten Nummern verfasst hatte, sang den Schlusschor bei „Red Lips“ mit, die versammelte Geburtstagsmeute jubelte und applaudierte und Urko + Jogi bewährten sich während ihrer Feuertaufe beanstandungslos. Mit Ole, Keith und Stulle waren alle ehemaligen Bandmitglieder im Publikum. Wat willste mehr? Hat viel Spaß gemacht, wir sind wieder angefixt!

Als nach nur kurzer Umbaupause die Streetpunk’n’Roller SMALL TOWN RIOT die Bühne betraten, musste Andy als zweiter Gitarrist der Band selbst ran, weshalb Bommy von den STUMBLING BOI!S das Mischpult übernahm. SMALL TOWN RIOT, eine alte Lieblingsband Christians (und meiner Wenigkeit), macht sich schon lange rar und spielt nur noch alle Jubeljahre mal zu ausgewählten Anlässen, ohne neue Songs zu komponieren oder gar Platten herauszubringen. Einer der Gründe sind familiäre Verpflichtungen der Bandmitglieder, weshalb bereits die Zeit für gemeinsame Proben schwierig zu finden ist – so auch im Vorfeld dieses Auftritts. Umso schöner, dass es trotzdem geklappt hat! Noch am selben Tag wurde gemeinsam ‘ne Handvoll Songs geprobt, anschließend ging’s ins Indra. Elf Songs gab man zum Besten, darunter unwiderstehliche Ohrwürmer wie der Opener „Addicted to Authority“, „Working Class Family“ und „Cheers & Goodbye“, Nachdenkliches wie „Living Hell“ und „Cemetery Hall“, Romantisches wie die „Love Song Trilogy“ oder „It’s True“ und Partykracher wie „Suicidal Lifestyle“ und „Timmy“. Trotz Fluppe im Mundwinkel und Bierkanne am Hals ist Leadsänger Norman nach wie vor bestens bei Stimme, gerade auch in den höheren Registern, und die Melodien sitzen wie ‘ne Eins. Lehmann trommelt sich lässig durchs Set, Timo ist als zweiter Sänger für die rauere Stimmlage zuständig und zockt den Bass dazu, während Andy per zweiter Klampfe für einen schön satten Sound sorgt und sich an den melodischen Backgroundchören beteiligt. Bis auf den Umstand, dass die „Jungs“ (von Andy abgesehen) etwas älter als in ihrer Blütezeit aussahen und Norman sein Haupthaar wallen ließ, statt es streng zurückzukämmen, war es überwiegend so, wie man die Band in Erinnerung hatte – verlernt wurde da jedenfalls nix und wenn hier und da mal ein bisschen Routine flötengeht, macht’s das nur charmanter. Für ‘ne Zugabe fehlte dann aber doch die Kondition. Macht nichts, soll ja nicht in Arbeit ausarten!

Apropos Puste: Bei einem der Luftballons handelte es sich um ein überlebensgroßes Bierglas, das sich stets aufrechthielt und dazu neigte, ein Stück über dem Fußboden zu schweben. Das Teil bot einen echten Mehrwert an Spaß, eignete es sich doch als Tanzpartner ebenso wie für alberne Fotos und landete immer wieder auf der Bühne, wo es sich zwischen der Band gemütlich machte. Konzerte ab sofort bitte nie mehr ohne!

Die Streetpunks SPARTANICS hatten leider krankheitsbedingt kurzfristig absagen müssen, zwei Drittel des Trios reisten als minimalistisch auftretende COCKHEADS trotzdem an. Jene Zweitband der beiden kannte ich bis dato gar nicht, wodurch mir astreiner deutschsprachiger, schnörkelloser ’77-Punk mit Anleihen bei den SHOCKS und Konsorten entgangen war. Die oft hektischen, kurzen Songs kamen ohne Bass aus, dafür perfekt auf den Punkt, gingen gut ins Bein und waren ein erstklassiger Abschluss des Liveprogramms, der noch mal richtig Laune machte. Wer auf einen solchen Sound steht, sollte die unbedingt mal anchecken! Spätestens jetzt fiel auf, dass die Hamburger Trinker/Songwriter-Legende ANTOINE DE LA KACQUE, die eigentlich für wenigstens einen Song noch auf die Bühne hätte sollen, bisher sträflich vernachlässigt worden und mittlerweile gar nicht mehr zugegen war. Sorry!

Alles in allem eine unvergessliche Party, doch wer sich an alles erinnern kann, war nicht dabei… Danke an Sandy und ihre heldinnenhafte Organisation, an alle Helferinnen und Helfer, ans Indra-Team, an die Bands, an meine Liebste für die Schnappschüsse unseres Auftritts und speziell an Andy: Der gute Mann war mein Indra-Ansprechpartner im Vorfeld und kümmerte sich nicht nur um den Sound, sondern zockte zwischendurch noch ‘nen Gig, sorgte dafür, dass jedes Kabel richtig steckte, schraubte in aller Seelenruhe auf der Leiter an den P.A.-Boxen herum und behielt bei allem Trubel um ihn herum stets Überblick und Contenance.

Ey Christian, volle Punktzahl, gerne wieder!

Der beste Horror aller Zeiten

Von 1972 bis 1984 – also mit mehreren Dekaden Verspätung – erschienen die kultigen, dieses Genre begründenden E.C.-Horrorgeschichten in Heftform auch beim deutschen Ableger, dem Williams-Verlag. Dieser veröffentlichte bereits im Jahre 1973 ferner einen groß- bzw. überformatigen, 128-seitigen Sonderband mit dem Titel „Der beste Horror aller Zeiten“. Ein Teil der enthaltenen Geschichten ist noch schwarzweiß gedruckt.

Das Vorwort liefert dem interessierten Publikum einen historischen Abriss, die erste Geschichte „Auge um Auge“ ist dann in einer Postapokalypse auf der von Monstern beherrschten Erde angesiedelt – in der für die Monster die letzten Menschen die eigentlichen Monster sind. Da kaum mit Sprechblasen gearbeitet wird, handelt es sich mehr um eine betextete Bildergeschichte. Von nun an wird jeweils das Cover des Originalhefts abgebildet, das mit Angabe des Erstveröffentlichungsdatums sowie einer kurzen Einführung zum Zeichner und dessen Stil einhergeht. „Wüstentod“ um einen entflohenen Schwerverbrecher, der es mit einem hungrigen Geier in der Wüste zu tun bekommt, ist mir als „Der Aasgeier“ aus der „Geschichten aus der Gruft“-Fernsehserie bekannt. Mit „Verlies des Terrors“ folgt eine makabre Story über Lebensmittelrationierung im Krieg, die immer wieder vom Crypt Keeper kommentiert wird, aus dem man im Deutschen den „Fleischwolf“ machte. Auf ein ganzseitiges Künstlerporträt Jack Davis‘ folgt die bitterböse Romanze „Im Morgengrauen“ und mit „Schöner Traum“ eine nicht minder böse, in China spielende Geschichte über einen opiumsüchtigen Familienvater, der vom Tod Angehöriger träumt, welcher dann eintritt.

Weiter geht’s mit der modernen Vampirgeschichte „Mitternachts-Genuss“ und der deftigen Story „Treibsandtriebe“ über einen zurückgebliebenen Serienmörder, die gar zu Bodyhorror mutiert. „Ein Weltraumleben“ hingegen entpuppt sich als abgefahrene Garten-Eden-Variation im Science-Fiction-Gewand. Das nächste Künstlerporträt ist Al Williamson gewidmet; und die darauffolgende Geschichte „Treibjagd“ um eine Frau, die scheinbar mehrfach nacheinander auf grausamste Weise ermordet wird, spielt gekonnt mit dem Surrealismus. Auch Johnny Craig erhält ein Künstlerporträt, bevor „Im Sumpf“ von einem kannibalischen Einsiedler handelt, der sich zwischen Sumpf und Treibsand eine Hütte gebaut hat – erzählt von seiner Hütte! Einer der Höhepunkte ist zweifelsohne „Herrenrasse“, eine hervorragend gemachte Geschichte um einen KZ-Überlebenden, die zehn Jahre nach dessen Befreiung in den USA spielt, wo er einem ehemaligen KZ-Kommandanten begegnet – mit überraschender Wendung.

Melodramatisch wird’s in „Knopfaugen blicken dich an“, einer Weihnachtsgeschichte um einen blinden Jungen mit ebenso genialem wie krudem Ausgang. Graham Ingels wird porträtiert und die „Friedhofsnacht“, eine bizarre Story über den Leiter einer Irrenanstalt, dem die Bewohner ans Leder wollen, bekommt eigenartigerweise Titelblatt und Einführung erst hintenangestellt. Die Geschichte arbeitet mit schönen Point-of-View-Perspektivzeichnungen und einer interessanten Lebendig-begraben-Variation. „Gerettet“ ist eine Kreuzung aus Science-Fiction und Vampirhorror, und die letzte Geschichte greift bereits der nach der US-Zensur der E.C.-Comics etablierten Satirezeitschrift „Mad“ vorweg: Herrlich selbstironisch erklimmt man die Meta-Ebene und lässt Jack Kamens von seiner Arbeit für E.C. berichten.

Die orthographischen und grammatikalischen Fehler dieser deutschen Sonderausgabe (Beispiele: „Vampiere“, „viel“ statt „fiel“, „Sagen-Sagengestalten“, „hount“ statt „haunt“) lassen die Geschichten schundiger erscheinen als sie sind. Was sich da in flexibler, aber meist aufgeräumter, klarer Panelstruktur abspielt, ist nichts Geringeres als höchst verdienstvolle Comicgeschichte, deren pop- und subkultureller Einfluss gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann – und die mit ihrem Stil, ihrer Erzählweise und ihrer moritatischen, häufig schwarzhumorigen Moral auch aus heutiger Perspektive noch immer sehr unterhaltsam ist. Ob dieser Sonderband tatsächlich die besten E.C.-Horrorgeschichten enthält, sei aber einmal dahingestellt.

Nachtrag, April 2025:

Ich muss mich hier anscheinend korrigieren: Wenn ich das Buch „Der absolute Horror: Die Geschichte der Gruselcomics in Deutschland“, das ich gerade lese, richtig verstehe, hat der Williams-Verlag in seinen Heften nicht die E.C.-, sondern die wesentlich jüngeren und unter Einfluss des US-Zensurcodes stehenden [i]DC-[/i]Horrorcomics abgedruckt. Dieser Sonderband stellte eine Ausnahme davon dar und galt eigens der Publikation der E.C.-Klassiker.

16.11.2024, Fanräume, Hamburg: HARBOUR REBELS + KOMMANDO MARLIES + BRUTAL BESOFFEN + BULLSHIT BOY

Dieses Konzert kam für mich genau zur rechten Zeit, denn gerade nach all den schlechten politischen Nachrichten in letzter Zeit stand mir (ungeachtet der Lobusch-Sause vor zwei Wochen) schon wieder verstärkt der Sinn nach einem D.I.Y.-Punk-Konzert im überschaubaren Rahmen mit Bands, die ich kenne und mag (zumal ich ewig nicht mehr in den Fanräumen des FC St. Pauli gewesen war). Vermutlich eine Mischung aus Psychohygiene, Selbstvergewisserung und nicht zuletzt natürlich dem Spaß an der Sache.

Zuvor ging’s aber noch zur schönsten Nebensache, denn Länderspielhause hin oder her: Der Hamburger Oberligist AFC kickte gegen den ETSV und sackte einen 3:1-Heimsieg ein, während ich mir Pils und Glühwein bei mittlerweile recht kühlen Novembertemperaturen munden ließ. Immer ‘ne schöne Ablenkung von der Gesamtscheiße. Zwischen 12 und 20 Talern konnte man sich dann in den Fanräumen selbst aussuchen, wie viel man an Eintritt zahlen wollte, und BULLSHIT BOY machten den Anfang. Mit denen hatten wir vor ein paar Monaten im Indra die Bühne geteilt, damals jedoch krankheitsbedingt vom Trio zum Duo zusammengeschrumpft (BULLSHIT BOY, nicht wir). Nun also mal in vollzähliger Besetzung, und das lohnte sich! Die Tieftönerin, die im Indra nicht hatte dabei sein können, zockte klasse Bassfiguren, während die Band zunächst ohne viele Ansagen recht geradlinig durchzog – beginnend mit einem Surf-Instrumental über BLONDIEs „One Way Or Another“ und eigene mal deutsch-, mal englischsprachige Stücke, stilistisch grob Richtung klassischer Punkrock mit Garage- und Pop-Anleihen. Zwischendurch überreichte Sängerin Sabine dem Konzertorganisator Micha ein Geburtstagsgeschenk, denn er wurde just an diesem Tag ein Jahr älter. Doch Sabine wurde auch selbst beschenkt: Nach dem Lied über den eklatanten Mandelhörnchenmangel auf Helgoland bekam sie ein solches Süßgebäck gereicht. Die noch junge, aber mit erfahrenen Mitgliedern von EMILS und GOTTKAISER besetzte Band hatte die Bühne bewusst kitschig mit Flamingos, aber auch bunten Aufblasbällen dekoriert, wobei letztere während des Gigs munter durch die Gegend gekickt wurden und mitunter auf den Instrumenten landeten. „Bodies“ (SEX PISTOLS) und „Identity“ (X-RAY SPEX) gab’s als Zugaben, wobei „Identity“ auch ohne Saxophon überraschend gut funktionierte. Bereits zuvor spielte man mit „Erschießen“ ein IDEAL-Cover. Machte Laune, zumal insbesondere Sabine die Spielfreude anzusehen war und sie in der zweiten Hälfte des Sets zunehmend mit dem Publikum kommunizierte. Schade nur, dass ihr Gesang fast den gesamten Gig über zu leise war, um etwas mehr von den Texten zu verstehen.

Die zweite Band mit B-Alliteration folgte auf dem Fuße: BRUTAL BESOFFEN aus Berlin ließen ein Intro vom Band abspielen, eine Art Hörspiel mit konkretem Bezug auf diesen Konzertabend, und sprudelten anschließend vor Energie regelrecht über. Der Bandname ist augenzwinkernd zu verstehen, denn ihr Sound hat nichts mit Uffta-Stumpfpunk zu tun, sondern ist eher in der Skate-/MelodiCore-Ecke zu verordnen, allerdings mit deutschen Texten. Zwischen Melodien, Geschwindigkeit und Chöre mischten sich eine aufmerken lassende, satte Leadgitarre, die mittels eines überdimensionalen Effektboards ihren Klang immer wieder changierte, superversiertes Drumming und ganz viel Gesabbel zwischen den Songs, denn die Berliner geben sich als eine Mischung aus Entertainer und Clowns, jedoch offenbar ohne, dass es sich um reinen Funpunk handeln würde. Mir war’s etwas zu viel des Schabernacks, aber vor der Bühne war nun bisschen was los. Die Band dankte es, indem sie FaKo (Fanta-Korn, auch bekannt als KGB: Korn/Gelbe Brause) ausschenkte. Der Sänger/Bassist wiederum hatte ‘nen Cognac-Schwenker (oder so) dabei, aus dem er Weißwein (oder so) nippte. Der zweite Gitarrist sprang schon mal ins Publikum und tanzte mit. Eine Ansage gab’s auf Bayrisch, einen ganzen Song wiederum fürs Geburtstagskind, nämlich ‘ne Ska-Punk-Nummer, in die sein Name integriert wurde, und als letzte Nummer wurde das Raining-Blood-Intro von SLAYER gecovert. Nicht 100%ig meins, aber in jedem Falle unterhaltsam!

KOMMANDO MARLIES um Rheinland-/Ruhrpott-Band-Tausendsassa Uwe Umbruch hatten mir seinerzeit im Menschenzoo mit ihrem deutschsprachigen Melodic-Punkrock sehr zugesagt; umso enttäuschter war ich, als sich die Band recht bald schon wieder aufgelöst hatte. Entsprechend groß war meine Freude, als sie in runderneuerter Besetzung und um eine Orgel erweitert wieder zurückkam! Vor ein paar Tagen ist ‘ne neue EP erschienen, die ich zusammen mit dem Album gleich mal eingesackt habe. Während des Soundchecks gab’s ‘nen kleinen Jägermeister-Umtrunk mit Micha und ein Geburtstagsständchen. Ein kurzes Intro aus der Konserve eröffnete den eigentlichen Gig, der mit „Mädchen aus Greifswald“ und „Tommy“ meine Lieblingsstücke ebenso enthielt wie Songs der neuen EP und bekannte Stücke wie „Eskalation ja klar“, das eingedeutschte RUTS-Cover „Computer sagt nein“, „Außer Kontrolle“, „Ein bisschen Liebe“ usw. Die Orgel steuerte ‘ne schöne weitere Klangfarbe bei, lediglich die Monitore zickten rum und behinderten anfänglich den Spielfluss etwas. Nachdem Uwe kurz die Bühne verlassen hatte, um seinen Kapodaster zu suchen (den er in der Hosentasche hatte…), spielte man mit „D-Beat Boys Don’t Cry“ sogar einen noch unveröffentlichten Song, der die berühmte THE-CURE-Melodie aufgriff. Ein wunderbarer Gig, bei dem ich gern noch ‘ne Zugabe mitgenommen hätte.

Die Lokalhelden HARBOUR REBELS verheißen live immer eine gute Party, denn da folgt ein eingängiger Singalong auf den nächsten – so natürlich auch an diesem Abend. Drummer Chris spielt dazu ‘nen astreinen Pogobeat, der sofort ins Bein geht, und der (zumindest in den vorderen Reihen) schlagzeuglastige Sound an diesem Abend trug sein Übriges dazu bei. Über die Band hab‘ ich ja nun schon öfter geschrieben, deshalb ohne jetzt in epische Ausmaße zu verfallen: Gewohnt tolle Show, bei der Sängerin Jule im Mittelpunkt steht (und dann und wann die Orgel bedient – schon die zweite beorgelte Band an diesem Abend). Deutschsprachige Stücke geben sich mit englischen die Klinke in die Hand, das Fundament ist weitestgehend schnörkelloser Oi!-Punk mit klar antifaschistischer Attitüde. Und während ich so vor mich hin tanzte und das drölfte Bierchen kippte, vergaß ich doch glatt, ein paar Fotos zu schießen. Sorry!

Obwohl mal wieder ‘ne Menge gleichzeitig los war – etliche besuchten beispielsweise lieber das FAHNENFLUCHT-Konzert im Monkeys und aus meinem engeren Freundes- und Bekanntenkreis war tatsächlich niemand da –, waren die Fanräume gut besucht und gab’s nicht viel zu meckern. Sogar ein Budget-Pils für lediglich 2,- EUR hielt das Tresenteam, das schwer auf Zack war, im Kühlschrank vor. Und mit dem unmittelbar vor den Türen stattfindenden Dom (Hamburger Kirmes der eigentlich nervigen Sorte) hatte man auch ‘ne imposante Lightshow in den Frischluftpausen… Danke ans Veranstaltungsteam und die Bands für diesen gelungenen Abend!

Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik – „Staatsbürgerliche Pflichten grob verletzt“. Der Rauswurf des Liedermachers Wolf Biermann 1976 aus der DDR

„Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik“, kurz: BStU, von 2011 bis zum Schluss in Person: Roland Jahn, hat zahlreiche Publikationen zum Thema Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR herausgegeben – einige entgeltlich, andere gratis. Zu den Gratispublikationen, derer ich bereits zwei durchgesehen (und hier besprochen) habe, zählt auch dieser rund 110-seitige, großformatige Softcover-Band aus dem Jahre 2016, in dem wie gewohnt Originalauszüge aus MfS-Akten auf Hochglanzpapier nachgedruckt sind.

Wie der RAF-Band ist auch diese Sammlung in fünf chronologisch aufeinander aufbauende Kapitel („Der Plan entsteht“, „Kein Interesse am Protest gegen Franco“, „Die ,Zange der Konterrevolution‘“, „Das Konzert“ und „Der Protest“) unterteilt, denen jeweils eine Seite mit Hintergrundinformationen vorangestellt ist. Den Band eröffnen jedoch zwei allgemeinere Vorworte, eines davon von Biermann persönlich. In diesem unterstellt er dem MfS einen Mordversuch (der sich so in den Akten nicht wiederfindet). Doch auch unabhängig davon ist es natürlich ein ungeheuerlicher Vorgang, dass ein eigentlich sozialistischer Liedermacher aus einem sozialistischen Staat ausgebürgert wird, weil er zu unbequem ist. Entsprechend aufschlussreich und interessant bis spannend liest sich diese Aktensammlung (sofern man die Ambition aufbringt, in solchen bürokratischen Originalquellen zu stöbern), die aber auch Eintrittskarten, Ausweiskopien und transkribierte Interviews enthält.

So wird deutlich, dass das Kulturministerium eher auf Biermanns Seite war, aber das MfS dazwischengrätschte (S. 36). Honecker und Hager waren in diese Vorgänge auch involviert. Ab 1976 genoss Biermann den Schutz der Kirche, die ja für so viele Oppositionelle in der DDR eine große Rolle spielte. In einem Interview mit dem NDR zeigt sich Biermanns Unerfahrenheit im Umgang im Medien, im Prinzip aber auch das Aufeinandertreffen zweier unterschiedlicher Kulturen. Biermann war damals noch ein DDR-sozialisierter bekennender Kommunist. Zudem geht aus dem Gespräch hervor, dass er damals noch an einem konstruktiven Mitwirken am Aufbau des Sozialismus interessiert war. Es ist fatal, dass das MfS dies nicht erkannte und ihm stattdessen derart reaktionär zusetzte. Ungeachtet dessen äußerte er sich fortwährend gegen Republikflucht und übte kritische Solidarität mit der DDR ggü. dem Westen.

Die ganze Verkommenheit der CDU und CSU zeigt folgende, auch hier festgehaltene Posse: Nach Biermanns Ausbürgerung am 16. November 1976 beschloss die ARD, sein wenige zuvor in Köln gegebenes Konzert auszustrahlen. Die Ausstrahlung musste auf Initiative dieser Parteien hin jedoch im Nachtprogramm versteckt werden und war im bayrischen Sendegebiet gar nicht zu empfangen. Da spielt der Club Deutscher Unternehmer also lieber dem MfS und der DDR-Führung in die Hände, statt einen kapitalismuskritischen Liedermacher in einer Form stattfinden zu lassen, dass Millionen DDR-Bürgerinnen und -Bürger (die ARD empfingen) daran nicht erst zu nachtschlafender Zeit hätten partizipieren können.

Leider ist Biermann später selbst ein CDU-unterstützender Popanz geworden. Hatten Stasi & Co. also doch Recht? Sicher nicht. Um es noch einmal klar zu sagen: Eine solche Ausbürgerung ist ungeheuerlich und nicht zu rechtfertigen, lässt diejenigen, die sie beschließen, zudem höchstgradig unsouverän wirken. Dass Biermann später zum strammen Reaktionär devolutionierte, ist aber der größte Gefallen, den er seinen einstigen Peinigern tun konnte. Vielleicht ist es also schlicht die politische Naivität, die sich durch Biermanns Vita zieht. Sowohl bei dieser Reflektion als auch beim groben Nachvollziehen der skandalösen Ereignisse des Jahres 1976 – inklusive der anschließenden Dynamiken in der DDR, der zahlreichen Solidaritätsbekundungen anderer Künstlerinnen und Künstler sowie der Rechtfertigungsversuche der Obrigkeit – half mir dieser Band (wenngleich Biermanns späterer Werdegang in anderen Quellen nachgelesen werden muss).

Im Anhang finden sich das obligatorische Abkürzungsverzeichnis und die BStU-Kontaktdaten.

01.11.2024, Lobusch, Hamburg: Holler’s Birthday Bash mit PEST HOLE + Y HUMAN Y + DISILLUSIONED MOTHERFUCKERS

Unser Bassist Holler feierte in seinen 21. (oder so) Geburtstag rein und hatte dafür die Lobusch gekapert, wo neben uns zwei weitere Bands auf seine persönliche Einladung hin auftraten. Es handelte sich um eine öffentliche Veranstaltung bei freiem Eintritt (wobei in paar Märker in den Spendentopf gern gesehen wurden), für Bands und Freunde standen jede Menge Freigetränke bereit. Geil!

Um Bühne und Sound kümmerte sich unser Drummer Eisenkarl, nach einem ersten groben Soundcheck bekam jede Band einen Linecheck. Als Teil seines Geschenks erhielt Holler von uns eine Drei-Liter-Buddel blau eingefärbten Oldesloer Korn, die er während unseres Gigs von der Bühne aus an ebenso durstige wie furchtlose Kehlen ausschenkte. Es dürfte kurz vor halb neun gewesen sein, als wir vor ansehnlicher Kulisse quasi ein Heimspiel absolvierten, den Mob in mehreren Trinkpausen mit diesem seltsamen blauen Gesöff abfüllten und schließlich zum Tanzen brachten. Der Sound war – wie, um das vorwegzunehmen, bei allen drei Bands – bombig (danke an Henning, der während unseres Gigs die Knöpfchen drehte!), mit „Blutiger Schnee“ hatten wir passend zum bevorstehenden Winter die Livepremiere eines neuen Stücks dabei und bis auf ein, zwei Verhacker lief alles glatt. Da er sowieso anwesend war, sang Snorre „ACAB“ seiner und Hollers ehemaliger Band PROJEKT PULVERTOASTMANN gemeinsam mit uns. Anschließend konnten wir geschafft und durchgeschwitzt zum für uns gemütlichen Teil des Abends übergehen, uns trinkenderweise gehenlassen und den beiden nächsten Bands lauschen (ok, außer Kalle, der weiterhin die Bühnentechnik betreute).

Y HUMAN Y ist Snorres aktuelle Combo; u.a. ebenfalls dabei ist Klampfer Tobi, den ich bei den leider aufgelösten ASIMATRIX zu schätzen gelernt hatte. Freute mich sehr, die beiden wieder auf einer Bühne zu sehen, zumal man sich musikalisch in Sachen Hardcore-Punk treu blieb. Snorre legt sein brachiales Organ über gern geknüppelte, aber auch mal bewusst das Tempo herausnehmende und dadurch nicht nur abwechslungsreich, sondern auch atmosphärisch klingende Songs, in denen sich kräftig ausgekotzt wird. Den Song „ERF“ hat man von PROJEKT PULVERTOASTMANN übernommen – eine hervorragende Wahl, der war auch schon bei uns als Coverversion im Gespräch. Hierbei erwiesen sich die Gäste als textsicher, sie skandierten den Refrain mit gereckten Fäusten vor der Bühne. Nachdenklicher wurd’s bei der Zugabe, einem Songs für diejenigen, die nicht mehr unter uns weilen. Bis auf Anlaufschwierigkeiten bei dieser Nummer wies nichts darauf hin, dass die Band noch ganz frisch ist und erst wenige Gigs auf dem Buckel hat. Die Songtexte sind deutschsprachig, mit einer auf Orkisch (ähm, ok!?)  gesungenen Ausnahme. Ich hoffe, bald mehr von Y HUMAN Y zu hören, sei es im Netz, auf Platte oder auf der Bühne!

Mit den Bradenburgern PEST HOLE hatten wir im März in Stendal zusammengespielt, Holler kannte sie ferner u.a. von gemeinsamen Gigs mit den THRASHING PUMPGUNS. Das Trio aus Finsterwalde blies seine Mischung aus Death-/Black-Thrash und Crust-Punk ins Auditorium, machte mit dem düsterheiseren, halligen und angriffslustigen Gebelle des Gitarristen und Shouters in Personalunion keine Gefangenen und profitierte (für meine geschundenen Ohren) stärker als in Stendal vom geilen Sound der kompakten Lobusch, der die meist flotten Nummern kräftig ballern ließ. Den (wenn ich mich nicht verhört habe) Song „Hot Love“ widmeten sie Holler und besiegelten den musikalischen Teil des Abends herrlich evil und arschtretend.

War ‘ne astreine Party – böse Zungen behaupten, Holler sei gleich um mehrere Jahre gealtert! Danke an die Lobusch für Obdach, Bühne, Anlage und Tresen, an Holler für Idee, Organisation und Freibier, an PEST HOLE und Y HUMAN Y für fantastische Gigs, danke allen Helferinnen und Helfern sowie allen, die kräftig mitgefeiert haben – und nicht zuletzt Jana für die Schnappschüsse unseres Gigs!

Marc-Uwe Kling – Die Känguru-Apokryphen [Hörbuch]

Klings „Känguru-Chroniken“ sowie die beiden Fortsetzungen, „Das Känguru-Manifest“ und „Die Känguru-Offenbarung“ (aus den Jahren 2009 bis 2014) um das Leben eines nicht unsympathischen, aber eher zurückhaltenden und introvertierten Kleinkünstlers mit einem plötzlich auftauchenden kommunistischen und sich überraschend menschlich verhaltenden, nun ja, Känguru eben, sind Bestseller. Die sich jeweils aus etlichen kurzen, pointierten Episoden zusammensetzenden Bände gab ich mir in Hörbuch-Form, live aufgenommen während Lesungen Klings, der sein literarisches Kleinkünstler-Alter-Ego sowie das Känguru (mit leicht verstellter Stimme) selbst liest. Die authentischen Publikumsreaktionen unterstützten den lebendigen Eindruck. Am besten gefielen mir jene, insbesondere frühen Episoden, in denen das Känguru, wenngleich mit sämtlichen menschlichen Schwächen ausgestattet, äußerst treffende Gesellschaftsanalysen in kabarettistisch-humoriger Form vornimmt und es den Anschein hat, als sage und tue es all das, was Kling vielleicht denkt und selbst gern täte, sich aber nicht traut – bzw. schlicht lieber einer klar als solche erkennbaren Kunstfigur in den Mund legt. Spätere Episoden, in denen das Känguru immer mehr Hintergrundgeschichte bekam, sind i.d.R. zwar noch immer gehobener Humor, wurden mir aber etwas zu abstrakt und verrückt.

Mit ein paar wenigen Jährchen Abstand gönnte ich mir dann auch dieses Bonus-Material, das 2018 veröffentlicht wurde. Ich legte mir wieder das Hörbuch auf und lauschte rund 50 Episoden lang dem Alltag der beiden. Auch hier gilt: Je bissiger politischer oder je mehr den stinknormalen Alltag aufs Korn nehmend, desto besser. Die Klassiker finden sich in den anderen Bänden, aber verkehrt ist auch das hier nicht – insbesondere mit ein wenig Abstand macht es Laune, die „beiden“ wieder zu hören. Besonders hervor stechen hier die Kabbeleien und kleinen Duelle, die sie sich liefern, mitunter herrlich ins Absurde übersteigert. Nicht jeder Schuss ist ein Treffer und die frühen Bände sind definitiv zwingender, aber Zeitverschwendung sieht anders aus.

Bisher habe ich zu Hörbüchern nichts geschrieben, es angeregt durchs Deliria-Italiano-Forum nun aber doch getan. Viel vorenthalten habe ich da niemandem, denn normalerweise höre ich gar keine Bücher und hätte es in diesem Falle wohl auch nicht getan, hätte ich Teile der Reihe nicht im Tauschschrank gefunden (und Fehlendes aus der Sammlung meiner Lebensgefährtin aufstocken können). Davon unabhängig werde ich mich vielleicht so nach und nach mal dem übrigen Werk Klings annähern…

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