Karl Marx‘ „Das Kapital. Kritik der politischen Oekonomie.“ erschien im Jahre 1867 und besitzt noch immer Gültigkeit, wird jedoch kaum noch von jemandem gelesen. Um Marx‘ Ergebnisse seiner Forschungen in Bezug auf Wirtschaft und Politik allgemeinverständlich zu abstrahieren, erschien 1974 mit „Geschichten vom Doppelcharakter. Der erste Band des ‚Kapital‘, gezeichnet & kommentiert von K. Plöckinger & G. Wolfram“ im Hamburger VSA-Verlag eine erste Comic-Adaption. Diese nahm der finnischstämmige, in Goch aufgewachsene Zeichner und Autor Jari Banas als Grundlage für seine 1980 ebendort veröffentlichte Comic-Version, die mehrere Neuauflagen erfuhr und 2018 anlässlich Marx‘ 200. Geburtstags als aktualisierte und vollkolorierte Fassung in einer rund 170-seitigen Softcover-Ausgabe erschien.

Enthalten sind die 25 ursprünglichen Kapitel sowie ein knapper vorangestellter Prolog, der zur Bewältigung der Finanzkrise 2008 die Lektüre des „Kapitals“ empfiehlt, und die beiden Ergänzungen „30 Jahre später“ sowie „Marx kommt wieder“. Im anarchischen Funny-Stil der Politcomics der ‘70er und ‘80er, grob à la  Seyfried und Konsorten inklusive deren heutzutage mitunter ein wenig überholt erscheinenden urwüchsigen Simplizität und etwas groben Lagereinteilung der politischen und gesellschaftlichen Großwetterlage, gelingt es Banas, mittels vielen einfachen Beispielen und Allegorien den Einstieg in Marx‘ Werk zu erleichtern, die Grundlagen zu vermitteln und nach und nach in etwas komplexere Bereiche vorzudringen. In der konkreten Umsetzung heißt das, dass ein rauschebärtiger Marx zwei unbedarften Kindern – und damit den Leserinnen und Lesern – seine Erkenntnisse vermittelt, wobei es häufig durchaus frech, provokant oder auch emotional zur Sache geht. Der Humor – Marx mit Stinkefüßen und ähnliche Albernheiten – ist dabei mitunter etwas schräg und gewöhnungsbedürftig.

Das ergänzte Kurzkapitel „30 Jahre später“ greift den Siegeszug des Internets auf, während die wesentlich längere Aktualisierung „Marx kommt wieder“ konkreten Bezug auf aktuelle politische Ereignisse und Verwerfungen nimmt und eine inhaltlich anknüpfende Brücke zur Erstausgabe aus dem Jahre 1980 schlägt. Bei allen Versuchen, die Zeitlosigkeit des „Kapitals“ hervorzuheben und dessen Inhalt auf die Gegenwart zu übertragen, bleiben dennoch einige Fragen offen. Als ein Beispiel sei genannt, was eigentlich mit Menschen ist, die nicht selbst produzieren, aber trotzdem weder über Kapitel noch Produktionsmittel verfügen – diese finden hier schlicht nicht statt. Ebenso wenig übrigens der real existierende Sozialismus, von den Gründen seines Scheiterns ganz zu schweigen. Darauf wird mit keiner Silbe eingegangen, allen Bemühungen, jüngere zeitgeschichtliche Entwicklungen zu berücksichtigen, zum Trotz.

Das ist etwas schade, soll aber niemanden von der Lektüre abhalten, der sich gern einmal auf vergnügliche, unterhaltsame Weise an „Das Kapital“ heranwagen möchte, weil er sich aus nachvollziehbaren Gründen vor dem Originaltext scheut – denn prinzipiell empfinde ich es als ein sehr ehrenwertes Unterfangen, die Comicform zwecks Vermittlung komplexer Sachverhalte zu wählen. Ein niedrigschwelliger Einstieg dürfte hiermit möglich sein.