Mein erstes Wacken!
Zum Festival allgemein: Ich fand’s wirklich geil, besser als erwartet. Der absolute Großteil des sehr gemischten Publikums (Leute aus quasi allen Metalbereichen, derer es ja nun wirklich viele gibt, sowie aus anderen Subkulturen und vor allem aus aller Herren und Damen Länder) war sehr entspannt drauf, man hat sich gegenseitig akzeptiert und respektiert. Kein Vergleich zu gewissen Punkfestivals, wo oftmals aggressive Spannung in der Luft liegt und es öfter mal knallt. Ich habe keine einzige Schlägerei o.ä. mitbekommen. Dass es zu voll war, kann ich auch nicht bestätigen. Zumindest auf den Hauptbühnen (drei fette Bühnen nebeneinander auf dem Hauptfestivalgelände) konnte man immer alles sehen und wenn man zu weit hinten stand, hat die Regie sowohl Band als auch Publikum sehr gut auf den Videoleinwänden eingefangen. Natürlich war’s bei Iron Maiden z.B. drängelig, aber ich hatte einen Platz sowohl mit Sicht auf die Bühne als auch auf die Videoschirme. Manche Bands wie z.B. Torfrock oder Die Kassierer wurden aber auf zu kleine Nebenbühnen gepackt, da man mit einem so großen Andrang vielleicht nicht gerechnet hatte. Das war etwas unglücklich und wird hoffentlich in Zukunft anders gelöst. Was die weiten Wege betrifft: Wir sind auf Campingplatz A gelandet und hatten daher nun wirklich keine weiten Wege. Auf entlegeneren Zeltplätzen sah’s diesbzgl. sicherlich anders aus, aber irgendwo muss man so viele Menschen halt hinpacken. Mit den Wegen, die ich auf dem Lausitzring zurücklegen musste, war das aber alles kein Vergleich. Außerdem konnte man wirklich relativ schnell von einer Bühne zur nächsten wechseln und recht übersichtlich war’s auch alles. Mir erschien das Organisationskonzept ziemlich durchdacht und hab mich die meiste Zeit gut aufgehoben gefühlt.
Es war wirklich unglaublich, woher die ganzen Leute kamen. Anfangs habe ich beim Anquatschen fremder Leute häufig fragende Blicke geernet und gemerkt, dass die überhaupt nicht deutsch sprechen, weshalb ich mir irgendwann angewöhnt hatte, erstmal zu fragen if they are german. Ich hab einige nette Leute kennengelernt, lustige Gespräche geführt und durchgeknallte Typen gesehen. Besonderen Gruß an den Ostfriesen hier aus dem Board [Edit 2015: War ursprünglich ein Foreneintrag.], den ich traf und einige Zeit mit ihm verbrachte. Das war dann auch der einzige Tag, an dem ich mir paar Bierchen mehr reingezimmert hab. Ansonsten gab’s so viel zu entdecken und sich anzuschauen, dass zumindest ich nicht auf die Idee kam, aus purer Langeweile zu saufen oder sowas. Ständig war irgendwas los und für mich als Wacken-n00b war das natürlich alles irgendwie interessant. Nicht alles davon war gut, aber wie ich schon per PN an Betonleber schrieb: „Einfach mal was ganz anderes als so die Punk-Festivals, auf denen ich früher war. Also, feiern kannste da richtig gut, die Leute sind aber disziplinierter und entspannter als z.B. aufm Force Attack. Das hat mir echt gefallen diesmal. Die Bandauswahl war sehr abwechslungsreich. Ich war ja in erster Linie wegen Maiden da, hab mir aber auch einige andere Bands angeschaut. Fand ich interessant, einfach mal bischn den Horizont erweitern und Meinungen bilden. Für aufgeschlossene, interessierte Punks kann ich das empfehlen. Man sollte allerdings eine recht hohe P.C.-Schmerzgrenze mitbringen. Mir jedenfalls taten die ganzen Burzum-Shirts schon ziemlich in den Augen weh.“
Mal zu den Bands, bei denen ich mich nicht nach wenigen Minuten desinteressiert abgewendet habe:
Mambo Kurt – Ok, keine Band, sondern ein Heimorgelalleinunterhalter, der u.a. Scooter, Slayer, System Of A Down und Böhse Onkelz auf seiner Orgel intoniert und damit jede Party sprengt. Unglaublich geiler Entertainer, großartig!
Iron Maiden – Ein Traum ging in Erfüllung. Einfach geil. Hymnisch und atmosphärisch. Ich wusste ja im Vorfeld, dass sie im Gegensatz zu anderen Bands, die zwar fleißig (häufig uninteressante) neue Platten veröffentlichen, aber live nur die ewig gleiche Setlist runterleiern, sich auf neues Material konzentrieren würden. Die Songauswahl war bis auf zwei Ausnahmen auch wirklich gelungen. Dennoch war’s natürlich ein Wermutstropfen, dass nur ganz wenige Klassiker gespielt wurden. Aber ich bin ja selbst schuld. Hätte ich vor zwei Jahren meinen Arsch zur „Somewhere back in time“-Tour hochbekommen, hätte ich die volle Ladung Maiden Classics bekommen.
Slayer – Fingen irgendwie schwach mit neueren Songs und suboptimalem Sound an, wurden dann aber so richtig gut. Hat mir einen schönen Energieschub zu später Stunde beschert.
Anvil – Überraschend gut. Geile Live-Band, die sichtlich Freude hat, wieder so beachtet zu werden. Die pure Spielfreude, guter Metal zum Feiern.
Torfrock – Kamen supergut an und war ein geiler Auftritt. Leider war’s so dermaßen voll vor der kleinen, niedrigen „Wackinger“-Bühne (im Wacken-„Wickingerdorf“ – das wäre was für Lars gewesen), dass ich den norddeutschen Vikingrock in erster Linie hören, aber nicht sehen konnte.
Lizzy Borden – Professioneller US-Show-Metal mit übertrieben Schauspiel-Einlagen und reichlich Sexismus. Vom Biertresen aus kurios, aber höchst unterhaltsam anzusehen. Klingen live außerdem mit viel mehr Power als aus der Konserve.
Broilers – Guter Auftritt, wurden ebenfalls sehr gut aufgenommen. Leider viele Frei.Wild-Anhänger im Publikum und sogar ein Verirrter mit „Kategorie C“-T-Shirt. Die Broilers waren eine gelungene Abwechslung für meine metalgeschädigten Ohren.
Voivod – Enttäuschung. Nur zwei, drei alte Songs, überwiegend der langweilige neuere Kram. Aber dafür sehr geil: „Ripping Headache“ und natürlich „Voivod“. Das kam schon echt gut, die mal live zu hören.
Endstille – Nicht so mein Ding. Kreischiger Black-Metal-Krach. Dafür aber nette Show mit mexikanischem Gastsänger. Und ein Song wie „Frühlingserwachen“ kam dann irgendwie doch ganz gut. Zumindest memorabel.
Unleashed – Sehr anhörbarer Viking-Death-Metal (oder so).
Cannibal Corpse – Anfangs ja irgendwie witzig, dann aber irgendwann langweilig und mir echt zu stumpf.
Overkill – Find ich auf Platte bis jetzt nicht so doll, live aber gute Songauswahl und Laune machend. „Rotten To The Core!“
Die Kassierer – …spielten auf der Zeltbühne. Die war SO dermaßen überfüllt, dass sich schon außerhalb des Zelts die Leute stapelten. Dafür hat sich aber im Laufe Konzerts das Publikum durch Crowdsurfing ins Zelt hinein ausgetauscht. 😀 Ich hab die Band nur gehört, nicht aber gesehen. War der übliche Kassierer-Quatsch, diesmal ohne ausufernde Showeinlagen. Paar neue Songs wurden gespielt. Ist die Platte schon draußen?
W.A.S.P. – Rein interessehalber mal angeguckt. Mag ich eigentlich nicht sonderlich, finde aber zwei Songs sehr geil: „Scream until you like it“ und „I wanna be somebody“. Beide wurden gespielt, ersterer aber so schlecht, dass ihn erst gegen Ende überhaupt erkannt habe. „I wanna be somebody“ dann aber sehr geil. Dafür hat sich’s gelohnt. Außerdem hatte der eine Typ ’ne geile Kreissägen-Gitarre.
Immortal – Corpse-Paint-Black-Metal, betont evil und monoton. Kasperletheater.
Soulfly – Geil!
U.D.O. – Hammer! Genialer Sound und mit „Midnight Mover“, „Metal Heart“ und vor allem „Balls To The Wall“ mit die besten Accept-Songs gespielt. War mein letzter Wacken-Gig, den ich mir dieses Jahr angesehen hatte, und wurde hier endlich richtig heiser.
Am Mittwoch oder Donnerstag wollte ich eigentlich beim Metal-Karaoke auf der Hauptbühne mitmachen und „The Trooper“ von Iron Maiden singen, leider (oder zum Glück?) kam ich aber nicht mehr dran. Kein Wunder, wenn die anderen Leute irgendwelche Acht-Minuten-Songs nachsingen…
Das Wetter hat die meiste Zeit mitgespielt, meines Erachtens sogar zu doll. Das war ja schon Force-Attack-mäßig, wie die Sonne auf die Rübe gebretzelt hat.
Was da im Dorf los ist, ist kurios und beachtlich zugleich. An der Hauptstraße hat fast JEDES Haus irgendeinen Fress- oder Saufstand zu wesentlich günstigeren Preisen als auf dem Gelände aufgebaut und die Bewohner quatschen mit den Gästen und laden sie in den Vorgarten ein. Kinder fahren die Bierpaletten mit Go-Kart und Bollerwagen durch die Gegend etc.
Mir hat’s echt Spaß gemacht und ich komme gerne wieder.
Im Wacken-Forum sind übrigens einige Leute der Meinung, dass das Publikum immer schlimmer werden würde, ähnlich wie es hier bzgl. des Force Attacks diskutiert wurde. Keine Ahnung, ob das nur typische Internet-Meckerheinis oder „True-Metaller“, die es in ihrer armseligen Existenz nicht abkönnen, dass auch Typen wie ich da rumlaufen, sind, oder da wirklich was dran ist.
Hier mal meine Kritikpunkte, die ich dort gepostet habe (copy/paste):
„1. Super, dass es sanitäre Anlagen wie Duschen und Bezahl-WCs gab. Wenn ich aber schon satte 2,50 EUR für die Dusche bezahle, soll sie bitte auch über warmes Wasser statt wirklich EISkaltem verfügen und nicht nur tröpfchenweise funktionieren. Der Nachschub an Öl für die Duschen hat leider nicht richtig geklappt und das Personal am Eingang war nur unzureichend über den Zustand der Duschen informiert. Ähnliches gilt für die Bezahl-WCs: Aufgefüllte Seifenspender sind ein absolutes MUSS. Das Personal hatte aber leider keine Ahnung, wie Nachschub geordert werden kann und niemand fühlte sich zuständig. Das muss besser werden. Evtl. findet man auch eine Lösung gegen die verdreckten Böden in den Duschen…? Einzelkabinen wären auch etwas Feines, gäbe es da Möglichkeiten?
2. Preise für Waren des täglichen Bedarfs waren zu hoch. Versteht mich nicht falsch, viele Preise fand ich fair (Ticket, ’nen Zehner fürs Zu-früh-kommen, belegte Brötchen etc.), aber ’ne Buddel Billig-Mineralwasser z.B. sollte wesentlich günstiger abgegeben werden.
3. Für eine Band wie Torfrock ist die Wackinger-Bühne bzw. der Platz davor viel zu klein. Auch die Zeltbühne platzte bei mancher Band aus allen Nähten.
4. Der Versuch, Circle Pits zu unterbinden, war wirklich albern. Sollte das aber dazu geführt haben, dass Besucher deshalb Probleme mit dem Sicherheitsdienst bekommen haben, wird’s wirklich ärgerlich. Eine Kampagne, die sich gegen Violent Dancing ausspricht, würde ich befürworten – Pogo, Circle Pits etc. zählen aber NICHT dazu!
5. Bands wie die unsäglich gehypten Frei.Wild oder auch Varg würde ich persönlich nicht auftreten lassen. Ebenso würde ich das Tragen und vor allem den Verkauf von Burzum-Shirts untersagen.
6. Gab es tatsächlich keine Hähnchen-Döner auf dem Gelände? Habe zumindest keinen gefunden… nur Rind-Döner anzubieten ist nun wirklich nicht mehr zeitgemäß. Und die Gyros Pita war übrigens eine Beleidigung. Unschön fand ich auch, dass es nach U.D.O. am letzten Tag im Biergarten kein Pils mehr gab, aber auch keine Weizengläser mehr. Während man also ein Weizen aus ’nem normalen Becher trank, wurde um einen herum in Windeseile alles abgebaut und zugemacht, als solle einem deutlich gezeigt werden, dass man nicht mehr willkommen ist. Trinkkultur ist etwas Anderes… Gerade nach den letzten Tönen des Festivals sollte man noch in Ruhe ein paar Absacker trinken und dabei das Festival Revue passieren lassen können.
Mal meine paar Kreuzer zu ein paar kontroversen Themen:
Die Crowdsurfer gingen mir auch auf die Nerven, zumindest bei Iron Maiden. Da war’s mir echt zuviel. Ansonsten lasse ich den Leuten aber gern ihren Spaß. Wer surfende Mädels befummelt, hat was aufs Fressbrett verdient. Wer meint, eine leichtbekleidete Frau ist ein Freifahrtschein für sexuelle Belästigung, ist ein Arschloch.
Ich fand’s klasse, dass es soviel Verschiedenes zu gucken gab, inkl. Showwrestling. Kurzweiliges, trashiges Vergnügen, netter Ausgleich zum Bandsgucken. Die Wet-T-Shirt-Contests waren allerdings irgendwie grenzwertig…“
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