Drei Wochenenden hintereinander ins Gängeviertel? Logen, Aller. Diesmal lud die PunkbAR wieder in den kleineren Valentinskamp, der in Nullkommanix gewohnt voll war, sodass die STACKHUMANS aus Itzehoe vor amtlicher Kulisse den musikalischen Teil des Abends eröffnen konnten. Die Vier bretterten einen deutschsprachigen Hardcore-Punk, als befänden wir uns noch immer Anfang der 1980er. Prinzipiell ja meine Kragenweite, sowat, wenn auch in dieser Ausführung noch arg rudimentär. Die Band steht aber auch noch am Anfang und hat erst jüngst ihr Demo veröffentlicht. Textlich gibt man sich genretypisch radikal, gesellschaftskritisch und angepisst und verzichtet auf sprachliche Extravaganzen, wählt in Songs wie „Kotze über Deutschland“, „Extrem aber angenehm“ oder „Fickt euch!“ den jeweils direktestmöglichen Weg. Dabei holpert’s manchmal ebenfalls noch, dafür wirkt das alles aber ungekünstelt und authentisch. Mit „Itzetot“, einem Wortspiel, das mich an KAOS KABELJAUs „Todstedt“ erinnert, besang man die Heimat, zu der man offenbar ein ambivalentes Verhältnis hegt und bei „TV“ überraschte der Shouter am Ende mit spitzen Schreien. Noch erstaunlicher fand ich es aber, dass er in MINOR-THREAT-Leibchen gekleidet und mit X-Malereien auf dem Handrücken einen Song wie „Saufen to the max“ schmetterte – ist mir da irgendeine Ironieebene entgangen?

Gänzlich unironisch folgten EAT THE BITCH mit einem Heimspiel. Wenn mich nicht alles täuscht, begann man direkt mit einem nagelneuen Song, der noch nicht 100%ig rund lief, aber Bock auf mehr machte. Das folgte dann in Form eines Sets bestehend aus Songs des „Friss das!“-Demos und des „Desillusioniert“-Albums, das erwartungsgemäß gut knallte und von Sängerin Jonas aggressivem Gesang mit seinen melodischen Farbtupfern sowie ihrer zusätzlich anstachelnden ausdrucksstarken Mimik getragen wurde, zeitweise gesanglich unterstützt von Gitarrist Tim. Mit Freude nahm ich zur Kenntnis, dass mein Lieblingslied „Fressen & Kotzen“ wieder ins reguläre Set aufgenommen wurde und der neue Bassist sich offenbar bestens in die Band integriert hat. Unterbrochen wurde die Performance des textlich gut durchdachten, von negativer Weltsicht geprägten deutschsprachigen HC-Punks von einem laut Band uralten Stück (aus ANAESTHETIC-Zeiten?), das man nach langer Zeit mal wieder spielen wollte, jedoch so gar nicht hinhaute und kurzerhand abgebrochen wurde. Mit ARRESTED-DENIAL/COCK-UPS-Sascha wurde ich Zeuge dieser kleinen Panne und wir waren uns einig, dass es extrem sympathisch ist, dass auch mal anderen Bands ein solches Malheur passiert, haha. Dafür zog ein weiterer neuer, kämpferischer Fuck-You-Song (hieß der „Untergehen“?) mühelos die Veggiewurst vom Teller, da stimmte alles! Ohne Zugaben ging’s nicht von der Bühne und diesmal war ich beim Klassiker „I Saw You Die“ der NEUROTIC ARSEHOLES textlich auch auf der sicheren Seite, als ich kurz mitträllern durfte. 😉 Die Meute vor der Bühne lebte sich wie bereits zuvor kräftig beim Pogo aus, hier und ging mal was zu Bruch, nicht weiter wild – als zunehmend etwas nervig erwiesen sich lediglich vereinzelte Gestalten, die meinten, dabei ihren Rucksack aufbehalten zu müssen oder sich völlig unkoordiniert in erster Linie von der menschlichen „Bande“ um sie herum durch die Gegend stoßen ließen, weil sie regelmäßig in sie hineintorkelten. Die Folgen des Soli-Schnaps-Saufens, mit dessen Erlösen das „War In Your Head“-Festival im Mai mitfinanziert werden soll. 😀

An CHOLERA TARANTULA aus Bremen war es, den Abend zu beschließen und da mir die Band völlig unbekannt war, hatte ich auch nichts erwartet. Wie so oft in solchen Fällen wurde ich positiv überrascht. Grob würde ich den Stil als Anarcho-Punk mit recht eingängigen Refrains beschreiben. Das gehobene Grundtempo eskalierte immer mal wieder in Hektikausbrüche, z.B. beim genialen „Vergiftet“. Besonderheit ist sicherlich der gerade in den Strophen cleane Gesang des sehr souveränen, ab und zu einen irren Blick aufsetzenden Frontmanns, der den Songs trotzdem nichts von ihrer Wucht nimmt. „Freiheit statt Frontex“, der sich mit der unsäglichen europäischen Abschottungspolitik auseinandersetzt, und „Stop Eating Animals“, der wohl keiner weiteren Erläuterung bedarf, hießen weitere Songs, deren parolenhafte Refrains sich mühelos mitskandieren ließen. Noch einfacher machte es einem „Bullenterror“, der nur aus diesem einen Wort bestand und zudem ein echter Ohrwurm sowie offensichtlich großer Publikumsliebling ist. Kann man machen! An den Instrumenten waren CHOLERA TARANTULA überaus fit, da saß quasi jeder Akkord. Was mir erst im Nachhinein beim Hören ihres aufs Jahr 2013 datierenden Albums „Vergiftet“ auffiel: Lyrisch gibt man sich doch tatsächlich linguistischer Sinnbefreitheit in Form des „mensch statt man“-Neusprechs hin, wenn auch ohne es konsequent durchzuziehen. So redet (oder singt) doch kein Mensch ernsthaft! Im letzten Drittel wirkte es schließlich, als habe man den „Politteil“ nun abgehakt und verwandelte sich in eine Cover-Band, die mit „La Bamba“ Ritchie Valens Tribut zollte, um sich dann jedoch in Medley-Form Schlechtst of the Neunziger vorzuknöpfen und debile Geschmacklosigkeiten wie „Boom boom boom boom, I want you in my room“ oder „Herz an Herz, hörst du mich? S.O.S., ich liebe dich“ durchs Gängeviertel zu prügeln – zur besonderen Freude der vielen anwesenden jungen Mädels, offenbar allesamt ‘90er-geschädigt. Argh! Alles in allem aber war’s mir wieder ein außerordentliches Vergnügen und der eine oder andere Soli-Rubel dürfte locker zusammengesoffen worden sein.